Affenhitze

Volker Klüpfel & Michael Kobr

Nach dem Doppelfall „Kluftinger“/ „Funkenmord“ präsentiert sich „Affenhitze“ als ein eher normaler Kluftinger Krimi. Wie in den letzten Romanen haben die beiden Autoren Klüpfel und Kobr wieder die Balance zwischen dem sperrigen Klamauk um den interimistischen Polizeipräsidenten Kluftinger und einem spannenden geradlinigen Fall gefunden. Bei einigen Kluftinger Romanen stimmte weder der zugrunde liegende Krimi als auch die eher als Slapstick erinnernde Unterhaltung.

 In humoristischer Hinsicht muss sich Kluftinger neben einem perfekten neuen Assitenten- auf Leihbasis – mit Facebook und vor allem der Babysitterin seiner Enkeltochter auseinandersetzen. Die Facebook Passagen mit den Freundschaftsanfragen, aber auch dem Platzieren von markanten Botschaften an das gemeine Volk gehen in den Flohmarkt für Flüchtlinge über, welchen Kluftingers Gattin Erika organisiert. Bei dieser Ausgangsbasis darf das Aussortieren von Gegenständen nicht nur auf der Kindheit seines einzigen Sohnes, sondern der eigenen Vergangenheit nicht fehlen. Kluftinger will seiner Frau Alternativen anbieten, was zu den üblichen, teilweise allerdings auch überdrehten chaotischen Szenen führt. Mit dem Flohmarkt für Flüchtlinge verbindet sich die Hetze im Netz, bzw. auf Facebook gegen die Flüchtlinge und deren Helfer. Klüpfel und Kobr versuchen in diesen Passagen im Grunde eine art Unmöglichkeit. Auf der einen Seite die fast naiv kindischen Versuche Kluftingers, etwas alleine auf die Beine zu stellen; auf der anderen Seite sie zitierte Hetze der Nachbarn.

 Das die Kluftingers mehr Zeit mit ihren Handys als dem geliebten Ehepartner abends verbringen, ist genauso Neuland wie die Ebay Sucht oder der Flash Mob, der nicht zu den erwünschten Ergebnissen führt. Im Laufe der inzwischen fast ein Dutzend Kluftinger Romane haben sie immer wieder gezeigt, das moderne Technik und der Kommissar nicht wirklich kompatibel sind. Viele dieser Witze liefen ins Leere, aber dieses Mal funktionieren die humoristischen Ablenkungen erstaunlich gut. 

 Mit der Babysitterin schlagen die beiden Autoren ein weiteres Kapitel auf. Gleich zu Beginn zeigen sie, wie unterschiedlich die beiden Generationen Kluftingers Leben. Eigenes Haus auf dem Land gegen Mietwohnung; spärliche Möblierung gegen altbackene Tradition und schließlich das Kindermädchen, während Kluftinger Junior inzwischen beim Landeskriminalamt allerdings in München arbeitet und seine japanische Frau an der Doktorarbeit sitzt. Ein gefundenes Fressen für Kommissar Kluftinger, der mit den Erziehungsmethoden der strengen Babysitterin nichts anfangen kann und sich selbst als Schutzpatron und Spanner einsetzt.

 Diese beiden roten Fäden bestimmten den humoristischen Teil. Einen Exkurs gibt es noch, wenn Kluftinger die Drohne seines „Freundes“ Langhammer ruiniert und ihn quasi auf den Kosten sitzen lässt. Aber die Drohnen spielen beim einzigen Mordfall des Buches eine wichtige Rolle. Hinzu kommt der Kampf um die Poolposition auf dem Flohmarkt für den guten Zweck. Hier erweist sich Kluftinger wieder als sadistischer bockiger alter Mann, der Langhammer in vielen Punkten mehr als das heilige Wasser reichen kann. 

 Der ungetarnte Undercovereinsatz Kluftingers ist dabei der Übergang zwischen dem humorvollen Part und der Krimihandlung. Auch in diesem Punkt greifen die beiden Autoren auf Versatzstücke zurück. Vor unterschiedlichen Hintergrund haben sich vergleichbare Szenen mit dem sich selbst isolierenden und in Lebensgefahr bringenden Kluftinger in zu vielen Romanen der Serie abgespielt. Der Leser ist während des Finals sogar mehr als einen Schritt dem Kommissar voraus. Die Lösung des Falls ist daher auch nicht unbedingt zwingend ein Meisterwerk der Deduktionskunst, sondern fällt dem Kommissar bis zum Hals im Dreck buchstäblich wie Schuppen von den Augen.  

 In einer örtlichen Tongrube graben seit einiger Zeit die Archäologen. Professor Brunner hat dort den Urzeitaffen Udo ausgegraben, der beweisen soll, das der aufrechte Gang des Menschen nicht in Afrika gelehrt worden ist, sondern beim Baumsteigen im Allgäu. Der Ministerpräsident ist eingeladen, der Präsentation des Fundes beizuwohnen. Nur findet ausgerechnet Doktor Langhammer als freiwilliger Hobbyarchäologe auf dem Gebiet der Tongrube während des von Kluftinger überwachten Empfangs die Leiche Professor Brunners. Anscheinend hat ihn jemand bei lebendigem Leibe mit dem von örtlichen Bauunternehmer zur Verfügung gestellten Bagger im Ton verscharrt.

 Der Kriminalfall entwickelt sich vor allem für einen Kluftinger Roman ausgesprochen geradlinig. Beginnend mit dem bizarren Mord erweitert sich der Kreis der Verdächtigen kontinuierlich. Professor Brunner war nur bei den Frauen beliebt. Fachlich hatte er mit seiner arroganten Art eine Reihe von Feinden um sich herum. Eines seiner schärften Widersacher – Professor Jenkins – ist extra aus den USA von einer anonymen Quellen im Tübinger Institut zur Präsentation des Affen und nicht Brunners Leiche eingeladen worden. Die Ausgrabungsleiterin der kleinen Gruppe ist eine Wissenschaftlerin von altem Schrott und Korn, welche das forsche Vorgehen Brunners nicht leiden kann. Außerdem sitzt er auf ihrer Stelle. Der Bauunternehmer mag es nicht, wenn seine Erdarbeiten weiter behindern werden und eine in der Nähe wohnende Sekte unter Führung der lieben Mutter sieht die Erde in der Grube geschändet. Ein letzter Verdächtiger ist ein Oberschullehrer, welche lange vor dem Forschungsteam in der Tongrube wichtige archäologische Funde gemacht hat und von Professor Brunner mit einem Hausverbot belohnt worden ist.        

 Im Laufe der Ermittlungen werden alle Befragten verdächtigt. Zu den Stärken der Kluftinger Krimis gehört anschließend auch die Tatsache, dass es keiner von ihnen gewesen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Familienverhältnisse anders als beschrieben sind oder jemand aus der Lausitz noch mehr als eine Rechnung offen hat. Der Forscher aus den USA hat ebenfalls familiäre Motive und die Verfolgungsjagd in Richtung München gehört zu den Slapstickhöhepunkten des Buches. Inklusive des Seitenhiebes auf die amerikanische Autotechnik.

Selbst der ausgebootete Lehre verschweigt einiges und belügt den Kommissar. Immer wieder zeigen alle Spuren auf einen potentiellen Verdächtigen aus der Gruppe der teilweise in Inspektor Columbo immer wieder befragten Menschen. Selbst die Karte des Allgäuer Atomendlagers wird spät im Roman erwähnt und öffnet noch einmal eine weitere Front mit zwei unwahrscheinlichen, aber potentiellen Verdächtigen.

Emotionslos ist aber noch zu viel Restroman vorhanden, als das einer dieser Männer oder Frauen sein könnte. Daher ist die Entlarvung des eigentlichen Täters inklusive des entsprechenden uneigennützigen Motivs auf der einen Seite eine echte Überraschung, auf der anderen Seite inzwischen eine liebgewordene Routine, um nicht von der klassisch klischeehaften Methode des Autorenteams Klüpfel und Kobr zu sprechen.

 Der eigentliche Titel des Romans heißt „Affenhitze“. Es findet sich einige Anspielungen auf den heißesten Sommer, seit Allgäuer denken können. Neben den üblichen Vorkehrungen wie Eis von der Tanke oder unkleidsamen Shorts; dem Ventilator an Stelle der Klimaanlage oder der Idee, eine Siesta einzuführen, beschränkt sich die Erwähnung der Hitze eher auf Nebenkriegsschauplätze. In den entscheidenden Szenen spielt sie im Grunde keine Rolle, was dem ganzen Buch ein wenig den dritten roten Faden neben dem eigentlichen Fall und dem Kluftinger Humor nimmt. Die humorvollen bis sarkastischen Bemerkungen von Kluftingers Team gehen in dem ansonsten erstaunlich geradlinigen und teilweise sogar spannenden Fall unter.     

„Affenhitze“ ist wie „Kluftinger“/ „Funkenmord“ qualitativ wieder einer der besseren Fälle mit dem kauzigen Allgäuer Kommissar und seinem einzigartigen Team sowie der besonderen Familie. Mehr und mehr öffnen sich auch hinsichtlich Kluftingers Eltern buchstäblich Abgründe, wie eine gesunde Kost und das Vergnügen im eigenen Garten zeigen. Die humorvollen Passagen wirken nicht so peinlich wie in einigen anderen Bücher der Serie, auch wenn die beiden Autoren auf einige Mechanismen zurückgreifen. Der eigentliche Fall mit zahlreichen Verdächtigen inklusiv überzeugender Motive und einem Täter aus dem Nichts entwickelt sich wie mehrfach erwähnt geradlinig mit dem Menschenaffen Udo als Fanal und verbindenden Glied. Und das in mehrfacher Hinsicht. „Affenhitze“ ist ein solider Kluftinger, aber die fast perfekte Mischung aus Klamauk und „Action“ den ersten Kluftinger Roman wird (noch) nicht wieder erreicht.   

Affenhitze: Kluftingers neuer Fall | Kluftinger trifft auf Urzeitaffe »Udo«: Der Ausgrabungsort des berühmten Skeletts wir...

  • Herausgeber ‏ : ‎ Ullstein Taschenbuch; 1. Edition (27. April 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 560 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3548067565
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3548067568
  • Abmessungen ‏ : ‎ 11.8 x 3.5 x 18.8 cm
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