Amerika! Amerika!

Kalr Jürgen Roth, Jörg Weigand, Klara Weigand

Vor Jahrzehnten stellte die Hamburger Country Band Truck Stop fest, das der Wilde Westen direkt hinter Hamburg beginnt. Sie meinten allerdings ihr Studio in Maschen, direkt bei der Autobahn. Alles ist eine Frage der Perspektive. Für viele (Italo-) Western Fans, aber auch historisch interessierte Leser begann der Wilde Westen bis zum 03.12.2022 in Wyk auf der Nordseeinsel Föhr.

 Dietmar Kuegler hat nicht als Autor der Reihe „Ronco- der Geächtete“ oder „Lobo- der Einzelgänger“ das Genre mit einer interessanten Mischung aus möglichst beiläufig präsentierten historischen Fakten und natürlich den Vorbildern wie Charles Bronson oder Clint Eastwood nach empfundenen Protagonisten begeistert. Mit dem von Thomas Ostwald übernommenen Verlag und entsprechend dem Magazin für Amerikanistik hat er viele wichtige sekundärliterarische Artikel publiziert, welche den wahren Wilden Westen charakterisierten. Dazu kommt eine Reihe von Sachbüchern zu verschiedenen Themen, auf welche einzelne Autoren dieses empfehlenswerten Gedenkbandes zurückgreifen und sie entsprechend extrapolieren.

 Zwei der drei Herausgeber – neben Karl Jürgen Roth – Karla Weigand und Jörg Weigand leiten den Band mit sehr persönlichen Worten ein. Jörg Weigand wollte den damals vor allem als Westernautor bekannten Dietmar Kuegler zur Gewalt im Heftroman interviewen und fand nicht nur einen Freund, sondern ein jahrzehntelange Liebe zu Föhr. Auch Karla Weigand kann einige persönliche Worte hinzufügen.

 Die Rubrik der persönlichen Abschnittnahme ist eine der drei, vielleicht vier Grundsäulen dieses Bandes. Daneben kommt Dietmar Kuegler als Autor sowohl primär wie auch sekundär zu Wort. Es finden sich eine Reihe von interessanten Fachartikeln und am Ende spricht Dietmar Kügler mit Horst Herrmann von Allwörden, der vor wenigen Tagen verstorben ist. Uwe Schnabel fasst verschiedene Gespräche mit Dietmar Kuegler zusammen.

 Thomas Ostwald ist der erste Nichtherausgeber, der über die Freundschaft, aber vor allem auch die Zusammenarbeit mit Dietmar Kuegler spricht. Kein Neid klingt auf, weil Dietmar Kügler aus dem von Thomas Ostwald übernommenen Magazin eine international anerkannte Zeitschrift gemacht hat. Viel mehr Respekt. Der Westernautor Werner J. Egli hält sich sachlich kurz und knapp. Es ist die Würdigung eines Mannes gegenüber einem anderen gewichtigen Mann des Genres. Wie im Wilden Westen üblich, werden die Tatsachen akzeptiert und nicht theatralisch ausgekleidet. Der Blick zurück ist immer auch gleich ein Blick nach vorne. Auch Thomas Jeier sieht in Dietmar Kuegler nur auf dem fiktiven Papier einen Konkurrenten. Auch in seinem kurzen Artikel ist der Respekt vor Kueglers Lebensleistung förmlich greifbar. Die Hilfsbereitschaft Dietmar Kueglers betonen eine Reihe der Kondullanten. Rene Wagner berichtet über die Zusammenarbeit im Rahmen des Karl May Museums in Radebeul bei verschiedenen Themen. Auch der Vorsitzende des „Arizona“ Fanclubs spricht über die Vorträge, welche Dietmar Kuegler für die verschiedenen Clubabende zusammengestellt und unterhaltsam präsentiert hat. Jörg Kägelmann will auch sechs Monate nach dem Tod Kueglers immer wieder Fragen an ihn richtigen. Im Rahmen seiner Blitz- Verlags hält er den literarischen Dietmar Kuegler in Ehren und hat eine Anzahl von Romanen auch außerhalb der bekannten/ markanten Reihen nachgedruckt. Ludwig Webel zeigt auf, wie eine zeitlich passende Veröffentlichung in Dietmar Kueglers Verlag ihm bei der eigenen Westernreihe geholfen hat.

 Zwischen den sekundärliterarischen Artikeln und den persönlichen Nachrufen reihen sich zwei längere Artikel ein. Rainer H. Schmeissner zeigt auf, dass Dietmar Kuegler nicht nur eine literarische Seite hatte, sondern dass er sein Amerika teilweise auch unbewusst verklärte. Der Aufbruch des kleinen Reisebusses ausgerechnet vor Elvis Presleys Haus und der Diebstahl von Geld/Papieren und Medikamenten seiner Reisegruppe hat ihn schwer getroffen. Dass es ausgerechnet die erste nach Corona und damit auch die letzte von ihm organisierte Reise gewesen ist, wirft einen tragischen Schatten über das gewaltige Lebenswerk des Mannes.

 Ulrich von der Heyden als promovierter Wissenschaftler mit dem Schwerpunkt Afrika greift in seinem langen, sehr politisch gefärbten Essay das letzte Vorwort Kueglers auf, in dem dieser sich über die Pressure Groups und ihren jeglicher Logik widersprechenden Einfluss aufregte, der auch nach Karl May und dem Bild der Indianer griff. Ulrich von der Heyden greift diese Idee auf und hält der These der Welt, die am deutschen Wesen genesen soll bis an den Rand der provozierenden Polemik eine Vielzahl von viel zu realistischen Argumenten entgegen. Dabei spannt er den Bogen ausgesprochen weit und kehrt erst im zu kurzen Epilog zu Dietmar Kuegler zurück. Dieser wollte diesen Randgruppen mit ihren lautstarken Meinungen keine erweiterte Bühne bieten, äußerte sich aber - wie schon erwähnt -poetisch polemisch als eine Art Mahnung an die denkende Welt dann doch. Es lässt sich streiten, ob ein derartig fundierter, aber auch absichtlich provozierender Artikel in diesem Nachlassband die richtige Bühne hat. Aber wer die verschiedenen persönlichen Nachrufe liest, wird in ihnen die Bewunderung für einen Mann finden, der sich nicht verbiegen lassen wollte und für den Fakten immer vor Legenden gestanden haben. Daher führt Ulrich von der Heyden mit einem mächtigen, gewichtigen, aber jederzeit auch sehr gut begründeten Wort nur Dietmar Kueglers letzte Ideen fort und gibt diesem Nachrufband eine aktuelle Note. 

 Dietmar Kuegler nimmt Ulrich von der Heydens Einstellung gegenüber der Auffassung der Öffentlichkeit in seinem einzigen nachgedruckten Artikel auf. Ursprünglich erschien das Essay in dem Band zum 80. Geburtstag des inzwischen auch verstorbenen T.R.P. Mielke, der ja eine Reihe von historischen Romanen geschrieben hat. Dietmar Kuegler geht es um den Etikettenschwindel der Verlage. Historische Romanautoren sollten zumindest das Grundzeug der Recherche beherrschen, auf welcher sie ohne Einschränkungen spannende Geschichten schreiben können und laut Dietmar Kuegler auch müssen. Viele Veröffentlichung bezeichnet Kuegler als Pseudohistorismus.    

 Alfred Wallon dankt doppelt. Dietmar Kuegler hat auf einen seiner Leserbriefe geantwortet. Daraus entwickelte sich nicht nur eine Freundschaft, sondern Dietmar Kuegler war Wallon bei seinen ersten literarischen Schritten im Westerngenre behilflich. Der Kreis schließt sich mit der Fertigstellung des letzten der neuen RONCO Romane ausgerechnet an Dietmar Kueglers Todestag. Anschließend präsentiert Alfred Wallon die ersten Kapitel aus seinem Roman „Texas Rangers“, inspiriert von der gleichnamigen Romanserie aus der Feder Kueglers.

 

Rainer Eisfeld greift mit den verschiedenen Vigilanten aus europäischer, aber vor allem amerikanischer Sicht ein Thema auf, dass Dietmar Kuegler schließlich literarisch verarbeitet hat. Auch in Rainer Eisfelds Werk findet sich die Biographie einer angeblichen Westernlegende. Kurz und sachlich, für die Neuveröffentlichung leicht überarbeitet positioniert der Autor die Vigilanten als Vertreter der Oberschicht sowohl im angesprochenen historischen Kontext. Zusätzlich beschreibt er die wirklichen Ausgangsbasen in Städten wie Tombstone und geht auch auf das immer wieder verklärte Duell im O.K. Corall ein.

 Mexiko ist auch  einer der Schwerpunkte von Dietmar Kueglers sekundärliterarischer Arbeit gewesen. In einem prachtvoll illustrierten Artikel beschreibt Andre Blätter die Geschichte der Chumash, die wie alle einheimischen Völker unter den Spaniern, dem Goldrausch und schließlich den Krankheiten und der ständigen Verfolgung litten, bis ihre Kultur fast gänzlich ausgelöscht worden ist. Der Versuch, in dem eigenen Reservat – finanziert von einem Casino – wieder an die alten Wurzeln anzuknöpfen, macht nur bedingt Hoffnung, lässt die Chumash aber im Gegensatz zu vielen anderen indianischen Stämmen nicht gänzlich in den Tiefen der Geschichte verschwinden. Fließend und kurzweilig zu lesen ergänzt die Autorin ihren Artikel auch noch um einige rassistische Zitate aus einem lange Zeit populären Roman.  

 Siegfried Jahn beschreibt „den ersten Angriff auf Fort Carrillon ( Ticonderoga)“ der Engländer auf die Verteidigungsstellungen der Franzosen. Die beiden Gegner werden ausführlich inklusive ihres Weges bis zu dieser nicht unbedingt entscheidenden, aber basierend auf englischem Hochmut für die Briten demütigenden Auseinandersetzung beschrieben. Es finden sich zahlreiche, teilweise historische Abbildungen.

 Hans Edelmaier schreibt über „Storming Stoudenmire“, einen Revolverhelden und Sheriff aus dem Wilden Westen, der für seinen attackierenden Kampfstil mit dem beidhändigen Feuern der Revolver bekannt geworden ist. Bilder aus der Zeit illustrieren den Hintergrund. Hans Edelmaier versucht bei seiner Recherche zwischen den Fakten und den verschiedenen Geschichten zu unterschieden, wobei der Autor abschließend auch wieder die verschwommene Legende einer in dieser Hinsicht unzuverlässigen Autoren zitiert. Wie alle historischen Artikel dieser Ausgabe wird der Horizont der Leser unauffällig, aber sehr unterhaltsam erweitert, wobei die meisten der hier vertretenen Sachautoren ganz bewusst die Legenden nicht diffamieren, sondern zufrieden mit Quellen unterlegt relativieren.

 Gerhard E. Sollbach schreibt ebenfalls reichhaltig bebildert über die „Rettung von Frankreichs Kolonie in der Neuen Welt im 17. Jahrhundert durch Filles du Roi“. Die Überschrift fast den Artikel gut zusammen. Dietmar Kuegler hat den Artikel wenige Tage vor seinem Tod akzeptiert, letztendlich wird er in diesem Nachlassband abgedruckt.  Sein Artikel schließt sich an Siegfried Jahns Ausarbeitung an. Es geht um die zahlreichen Frauen, die auf Befehl des Königs von Frankreich in die französische Kolonie mehr oder minder freiwillig geschickt worden sind. Mit zahlreichen Ehen und vielen Kindern haben sie zumindest zeitwillig ihre Mission erfüllt und die soziale Überlebensfähigkeit der Kolonie gesichert. Die hier zusammengestellten Artikel unterstreichen, auf welches Niveau Dietmar Kuegler sein Magazin für Amerikanistik geführt hat und wie breit dessen Themenspektrum gewesen ist.

 Reichhaltig illustriert, aber nicht perfekt zum Thema stammend rundet Herbert Kalbitz Überblick der Leihbücher mit den Themen Galgen & Henker ab. Dietmar Kuegler hat keinen der abgebildeten Romane geschrieben, aber die marktschreierischen Titelbilder werden den Amerikanisten in ihm zu aufheulen gebracht haben.

 Jörg Weigand präsentiert im dritten relevanten Abschnitt dieses Gedenkbandes den Autoren Dietmar Kuegler. Aber nicht durch Zitate aus seinen zahllosen Western, sondern die Bandbreite der vier präsentierten Texte reicht vom unter Pseudonym verfassten Jugendbuch über eine Krimikurzgeschichte, ein wenig Erotik bis in den Bereich der Phantastik.

 Der Kurzkrimi „Anhalter“ verfügt über eine klare, allerdings vorhersehbare Pointe. Ein Mann lässt einen um Hilfe bittenden Mann am Straßenrand zurück. Am nächsten Tag liest er in der Zeitung, was passiert ist. In der zweiten Hälfte der Geschichte kommt es zu einer Spiegelverkehrten Situation.

 In „Rastplatz“- inspiriert von einem ebenfalls abgedruckten Bild Rainer Schorms – hat eine Frau das Gefühl, verfolgt zu werden. Auch hier liefert die Zeitung einen Hinweis, aber das vage Gefühl, gegen alle Logik doch den Mann lebendig gesehen zu haben, bleibt bestehen.

 „Der Zeuge“ ist ein erotischer Krimi. Ein Jugendlicher sieht, wie ein Mann nach dem Sex eine Frau ermordet. Da sie beide im gleichen Hotel wohnen, kann er dem Mann auch nicht ausweichen. Dieser fordert als Gegenleistung Hilfe bei der Beseitigung der Leiche. Er versucht sein Motiv zu erklären. Der Zeuge sieht nur einen einzigen Weg, um am Leben zu bleiben.

 Alle drei Kurzgeschichten sind geradlinige Storys, die direkt auf ihre Pointen zusteuern. In „Anhalter“ und „Der Zeuge“ sind die Motive der jeweiligen Protagonisten klar herausgearbeitet. Ein Verbrechen oder eine unterlassene Hilfeleistung muss bestraft werden, auch wenn sich Dietmar Kuegler dank des Kollateralschadens in „Der Zeuge“ auf einem schmaleren Grat bewegt. Bei „Rastplatz“ bleibt offen, ob die Frau wirklich etwas gesehen hat oder nicht. Hier bemüht Dietmar Kügler die Mechanismen des Genres ein wenig zu sehr.

 Die kurzen Texte unterstreichen aber die Fähigkeit Dietmar Kueglers, ohne viel Nonsense oder Beiwerk zu unterhalten.

 „Geisterjäger M jagt das Phantom“ ist der komplette Nachdruck eines 1984 erstmalig veröffentlichten Jugendbuches. Sowohl das Titelbild als auch die Innenillustrationen sind ebenfalls vorhanden. Dietmar Kuegler hat eine ganze Reihe von Jugendbüchern verfasst. So stellte der Blitz- Verlag an den Anfang seiner Reihe von neuen Edgar Wallace Abenteuern den Nachdruck von insgesamt sechs Jugendgeschichten, in denen ein britischer Inspektor zum Lösen der Fälle auf die Bücher von Edgar Wallace zurückgriff. Als John Gilmoore erschienen die sechs Bände unter dem Reihentitel „Edgar Wallace löst das Rätsel“ und bitten unterhaltsame, den Originalen tiefen Respekt schuldende Unterhaltung.  

 Vor fast zweihundert Jahren ist der Strandräuber Benbow – „Die Schatzinsel“ beginnt übrigens im Pub „Admiral Benbow“ – verraten worden und über die Klippe zu Tode gestürzt. In der Gegenwart verschlechtert sich aus dem Nichts der Gesundheitszustand eines jungen Mädchen. In seiner Verzweifelung wendet sich der Bürgermeister der kleinen Gemeinde an den Geisterjäger Morus, seinen indischen Gehilfen Rashpur inklusiv der sensiblen Katze Lupus. Morus macht nicht viel Aufsehen um seine Person. Er bekämpft zwar das übernatürliche Böse; ist sich aber auch nicht zu schade, Betrüger zu entlarven.

 Gemeinsam versuchen sie, das Böse in dem kleinen Ort zu bekämpfen und das junge Mädchen zu retten.

 „Geisterjäger M jagt das Phantom“ ist ein klassisches Jugendbuch, wie es Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre typisch gewesen ist. Ein stringenter, in einem hohen Tempo erzählter Plot. Die Charakterisierung der handelnden Personen ist ausgesprochen geradlinig. Es gibt gewalttätige Szenen, die aber eher verhalten und nicht explizit gestaltet sind.

 Im Gegensatz zu vielen anderen Jugendbüchern, die über altersgerechte Identifikationsfiguren für den Leser verfügen, verzichtet Dietmar Kuegler wie auch zum Beispiel in den sechs „Edgar Wallace“ Rätselbüchern auf jugendliche Hauptfiguren. Morus ist ein getriebener Mann, der auf der einen Seite ständig vom Bösen herausgefordert wird. Auf der anderen Seite kostet dieser Kampf beständig an Energie und Kraft. Er ist sich aber nicht zu schade, sein Leben für eine unschuldige Seele zu opfern. Der schweigsame Inder Rashpur mit nicht nur einer übernatürliche Gabe, sondern anscheinend auch telekinetischen Kräften ist ein guter Begleiter, vielleicht eher ein Freund als ein Diener. Er ist das sachliche Element in dieser emotionalen und vor allem auch atmosphärisch überzeugenden Geschichte. Die Katze Lupus dient als lebendiges Warnsignal.

 Dietmar Kuegler hat sich – unabhängig von der Zeit, in welcher der Hauptteil der Geschichte spielt – sehr gut an den Räuber und damit auch Abenteuergeschichten orientiert, welche mit „Der Schatzinsel“ an der Spitze viele Jahre so populär gewesen sind. Die einzelnen Versatzstücke fallen gut zusammen und der Leser kann jederzeit dem ganzen Geschehen bis zum Finale natürlich auf den Klippen, von denen sich Benbow in der stürmischen Nacht stürzte.

 Der Spannungsbogen wird konsequent zu Ende gedacht und Dietmar Kuegler spielt routiniert, aber auch sehr effektiv auf der Tastatur des jugendlichen Gruselromans mit der britischen Einöde als Traditionsbeladenen Hintergrund.

 Perfekt wäre dieser Sammelband, wenn die Herausgeber einen kürzeren Westerntext der Sammlung hinzugefügt hätten. Auf der anderen Seite unterstreichen sie mit der hier präsentierten Auswahl, dass Dietmar Kuegler ein sehr versierter Autor gewesen ist.

 Bevor Karl Jürgen Roth eine umfangreiche Bibliographie sowohl von Dietmar Kueglers umfangreichen Werk als auch den Veröffentlichungen seines Verlages präsentiert, kommt der Autor und Verleger in den angesprochenen Interviews mehrfach zu Wort. Es stellt sich die Frage, ob man die Lektüre eher mit den Interviews beginnt. Viele der persönlichen Nachrufe werden dadurch noch klarer und verständlicher. 

Die vier Interviews hat Dietmar Kuegler  alle mit dem Online Portal Zauberspiegel geführt. Aus der Anmerkung am Ende eines Interviews ist erkennbar, dass Dietmar Kuegler sich auch danach mit den Reaktionen und Kommentaren auf die Interviews beschäftigt hat. Der Hauptanlass für alle Gespräche mit unterschiedlicher Ausrichtung ist die Neuveröffentlichung der RONCO Tagebücher im Blitz- Verlag. Dietmar Kuegler macht deutlich, dass ihm der die Hauptserie veröffentlichende Verlag im Zuge des Vertrages alle Rechte an dieser Subreihe übertragen hatte.

Horst Herrmann von Allwörden, Harald Gehlen und Uwe Schnabels ausführliche Gespräche mit Dietmar Kuegler überschneiden sich bei einigen Themen.  Ausführlich wird die Entstehung der Ronco Tagebücher im Rahmen der gesamten Serie inklusive der schöpferischen Pause Dietmar Kueglers genauso behandelt wie sein Werdegang zum Western. Trotz dieser sich überschneidenden Themen  wirken die Gespräche en Bloc gelesen, allerdings auch faszinierend. Wie bei einem guten Wein oder Bier, in lauschiger Atmosphäre greifen die jeweiligen Gesprächspartner Themen wieder auf, variieren und vor allem auch vertieft. So erhält der Leser einen sehr guten Einblick in  Dietmar Kueglers vielschichtige Persönlichkeit.

Im Grunde hat Dietmar Kuegler in mehrfacher Hinsicht den American Dream gelebt, bevor es ihm selbst klar geworden ist. In einfacheren Verhältnissen mit einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen, boten Bücher die beste „Fluchtmöglichkeit“. Karl May und die verschiedenen Westernreihen -  parallel wurde allerdings auch die Hochliteratur gelesen - haben in Dietmar Kuegler den damaligen Traum,  späteren Entschluss reifen lassen, irgendwann selbst mal in die USA zu reisen. Von der Idee, sich eine Ranch zu bauen, ist der Autor allerdings aus Liebe zu Wyk/ Föhr abgekommen.

Mit siebzehn folgte die erste Veröffentlichung, der Rest ist Legende.  Vom verträumten Jungen zum Westernautoren, zum Reisenden in Sachen USA bis zu einem Mitglied der Jesse James Bande in einem jährlich wiederkehrend aufgeführten  Reactment.  Dazu ein Magazin und ein Sachbuch Verlag, der international Anerkennung erlangt hat.

Auf dem Weg dahin zollt Dietmar Kuegler den Männern/ Menschen Respekt, die ihm fair und uneigennützig teilweise über ihre Stellen in den jeweiligen Verlagen hinaus geholfen haben. Mit dem Marken Verlag gibt es laut Kuegler noch ein Publikationshaus, das nicht nur den Lesern von Heftromanen, sondern auch den Autoren den notwendigen Respekt entgegenbringt. 

Aber auch zu politischen Themen äußert sich Dietmar Kuegler.  Es gibt für ihn kein schwarz oder weiß.  Immer wieder versucht der Autor und Verleger, Aspekte der USA in den richtigen, für Europäer nicht immer leicht zu verstehenden Gesamtkontext zu bringen  und zwischen dem amerikanischen Hinterland mit seinen endlosen Weiten sowie dem politischen Getöse in Washington zu unterscheiden. Dabei zieht Dietmar Kuegler auch Vergleiche aus der langen Geschichte nicht nur der USA, sondern auch Europa hinzu. Es sind vielschichtige Antworten eines Mannes, der die USA liebt, aber nicht abgöttisch huldigt.  In den Passagen zeigt sich Dietmar Kuegler als ein sehr bodenständiger Mensch mit klarer Ansicht, die er auch von seinen Gesprächspartnern erwartet.

Um zurück auf seine Karriere als Herausgeber und Autor zu kommen.  Für ihn ist der Erfolg immer noch eine Überraschung. Er sieht die Herausgabe eines Magazins, aber auch das Schreiben von Artikel als harte disziplinierte Arbeit an, deren Erfolg sich allerdings auch mit ein bisschen Glück sowie dem richtigen Moment einstellt.  Er ist stolz auf das von ihm Erreichte, wobei sein Herz deutlich mehr für die Sachbücher und seinen Verlag schlägt, der inzwischen weit  über Deutschland hinaus auch in Fachkreisen der USA Anerkennung gefunden hat.

Die Neuveröffentlichung der RONCO Tagebücher wie auch einiger serien unabhängiger Werke im BLITZ Verlag erfreut Dietmar Kuegler genauso wie die faire Zusammenarbeit mit dem Markenverlag, der unter seinem Pseudonym John Grey eine Reihe der alten Western als Heftroman publiziert. Der während der Interviews fast siebzigjährige Kuegler schaut seinem knapp fünfzig Jahre jüngeren Ronco Ich bewundernd über die Schulter und ist überrascht, wie fließend sich die Texte auch heute noch lesen. Das wirkt nicht wie selbst beweihräuchern, sondern erstaunlich ehrlich.

Da Dietmar Kuegler auch über einige Kollegen spricht, die in diesem Band kondolieren, sollte der Leser entscheiden, ob er mit dem gesprochenen Wort anfängt. Es könnte sich lohnen. 

„Amerika!Amerika“ ist eine wunderbare Würdigung eines Autoren und Verlegers, der wahrscheinlich nicht nur viel für den Western in Deutschland, sondern die amerikanische Geschichte und deren Verständnis, aber nicht sklavische Bewunderung in Deutschland getan hat.  Ein Mann mit Ecken und Kanten, sowie Meinungen, der nicht unbelehrbar erscheint, sondern seine Ansichten sachlich fundiert vertritt.  Ein Mann, wie aus der Zeit gefallen. „Amerika! Amerika“ erfüllt im Gegensatz zu vielen anderen Gedenkreden oder Gedenk Bänden seine doppelte Funktion. Wer Dietmar Kuegler persönlich oder über sein Werk  kennt, dem wird dieser Mann noch einmal vor Augen geführt. Wer mit dem Western/ Dietmar Kuegler bislang wenig oder gar keine Berührungspunkte hatte, der erfährt sehr viel über Werk und Autor/ Verleger. In dieser Hinsicht ist „Amerika! Amerika!“ ein idealer Startpunkt, um sich mit Kuegler direkt oder den Büchern / Magazinen seines Verlages zu beschäftigen, wenn er über die Scheuklappen Presse des Boulevards hinausblicken und etwas Lernen möchte.      



Karl Jürgen Roth, Karla Weigand & Jörg Weigand (Hrsg.)
AMERIKA! AMERIKA!
Dietmar Kuegler: 04.06.1951 – 03.12.2022
Autor und Verleger
Außer der Reihe 81
p.machinery, Winnert, August 2023, 288 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 344 4 – EUR 29,90 (DE)
E-Book: ISBN 978 3 95765 759 6 – EUR 9,99 (DE)

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