Wenn Frank Borsch mit den grundsätzlichen Strukturen der „Neo“ Serie zu spielen beginnt, sollte der Spaß aufhören. Rüdiger Schäfers „Zwischen den Welten“ ist der zweite Teil der Miniserie „Protektorat Erde“. Gleichzeitig ein vorläufiger Abschluss – Atlan kämpft starrsinnig weiter, wobei sein Kampf interessanterweise gegen seine eigene Herkunft erfolgt, denn in dieser Art von arkonidischen Imperium ist er aufgewachsen und warum er plötzlich seine herrschaftliche Arroganz abgelegt und zu einer fiktiven Demokratie umgeschwenkt ist, wird an keiner Stelle erläutert – des endlos erscheinenden „Arkon/“Epetrans“ Zyklus. Vierundzwanzig Taschenhefte sind ins Land gegangen. Im anschließenden Roman wird dann auf dem Cover suggeriert, dass man jetzt einsteigen muss, da ein neuer Handlungszyklus beginnt, während er auf der Rückseite „Teil 3 von 12“ des „Protektorats Erde“ steht. Vielleicht sollte sich die Perry Rhodan Redaktion dazu entscheiden, diese Teilzyklen fallen zu lassen. Das hilft vielleicht weniger den Neueinsteigern, macht aber den Stammlesern den vorzeitigen Abschied schwerer.
Rüdiger Schäfer gibt sich ausgesprochen viel Mühe mit einem grundsätzlich handlungstechnisch schwachen Roman. Zieht man den Komplex vom Ende her auf dann stellt sich die Frage, wer einen derartig auf Zufällen aufbauenden Plan überhaupt entwirft. Den Regenten/ Imperator zu töten wäre in verschiedenen Phasen des Bandes sehr viel einfacher gewesen als auf diesen einen Zufall einer zufälligen Berührung eines Zellaktivators zu hoffen, den erstens in einem anderen Modell der Regent/ Imperator selbst trägt und der zweitens durch so viele Hände bis zu da Treffon geht, dass es schwer fällt, die Auflösung des Bandes zu glauben. Immerhin hätte der Regent da Treffon hinrichten lassen können, dann wäre dieser Plan niemals aufgegangen. Wenn zumindest eine relative Nähe anstatt eine Berührung notwendig gewesen wäre, um die Bombe zu zünden, dann könnte Rüdiger Schäfer den Schluss noch glaubwürdig gestalten, aber in dieser Form ist der Leser eher frustriert. Zumal mit dem Regenten/ Imperator ja eine vielschichtige Figur aufgebaut worden ist, die selbst im Augenblick ihrer Macht insbesondere im Vergleich zu Atlan sehr viel weitsichtiger handelt. So will er die Naats höchstens in die Schranken weisen, aber nicht wie da Treffon ausrotten, da er das manipulierte Volk braucht. Schon vorher haben die Autoren mehrfach anklingeln lassen, dass dieser Regent gar nicht so schlimm gewesen ist. Ein Herrscher, aber ein erstaunlich moderner Herrscher, der die adligen Hierarchien durcheinander brachte. Auch die Idee, dass es sich um einen Meister der Insel handelt, der sich vielleicht auch gegen den Willen von Faktor I auf Arkon eingeschlichen hat, ist eine ausbaufähige Idee, die dank des banalen Endes - den Epilog sollte man ignorieren – zu Staub zerblasen worden ist.
Auf dieser Handlungsebene nimmt sich Rüdiger Schäfer vielleicht zu viel Zeit, um die ausufernde Zeremonie der Thronbesteigung als Imperator und nicht mehr nur Regent zu beschreiben. Der Übergang zwischen diesen beiden Formen scheint auch eher willkürlich gewählt, denn es erscheint unwahrscheinlich, dass die Adligen plötzlich nicht mehr gegen den Imperator vorgehen sollten, während sie den Regenten geduldet haben. Der Versuch, die streng hierarchische Struktur der aus der Erstauflage bekannten Arkoniden durch Mystik und möglichen Einfluss von gegeneinander agierenden Superintelligenzen zu unterminieren muss rückblickend als misslungen betrachtet werden. Zu oberflächlich, zu ambivalent und zu wenig konsequent ist diese Kultur entwickelt worden. Interessant ist, dass das Geheimnis um die Erde nicht gelöscht worden ist. Theta verfügt zwar vielleicht nicht über die genauen Positionen der Erde, sie weiß aber um Rhodan und seine Männer. Und das die Daten der Erde nur im Epetransarchiv gelagert worden sind, kann niemand glauben. Hier noch einmal der Hinweis, dass zeitgleich mit Rhodan Atlan wieder aufgetreten ist. Unsterblichkeit ist in der „Neo“ Serie kein Absolutum und viel mehr Arkoniden/ Menschen wissen um die Zellaktivatoren. Also braucht ein kluger Mann nur Atlans Weg nachvollziehen, den Stützpunkt auf der Erde finden und in den alten Aufzeichnungen nach humanoiden Lebensformen suchen, die es in Form von Sklaven auf dem Kontinent Atlantis gegeben hat. Da die militärischen Akten sich nicht im Epetrans Archiv befinden, dürfte es also kein Problem sein, zumindest den Raumsektor der Erde zu bestimmen. In der Erstauflage ist dieses Problem durch den allwissenden Robotregenten geschickter gelöst worden. Die Zentralisierung der Daten wie später dank NATHAN ist für den Leser nachvollziehbarer als diese mystische Vermischung von Ideen, die plötzlich innerhalb weniger Taschenhefte gelöst werden. Der aufmerksame Leser muss sich nur anschauen, auf welch einfachen Weg schließlich das Epetrans Archiv mit seinem Dutzend Datenträgern „eliminiert“ worden ist, ohne dass sich Rhodan wirklich die Hände schmutzig machen musste.
Die zweite Handlungsebene ist neben einigen fehlenden Abstimmungen zwischen den Autoren – so verfügt Rhodan über Wissen, dass die Vorautoren melancholisch in den Staub der Sterne geschrieben haben – noch schwächer. Natürlich passiert viel und Rüdiger Schäfer kann Actionszenen sehr gut beschreiben, aber Bewegung im Kreis frustriert eher als das sie zum Lesen anstachelt. Über die Passivität der Rhodan Figur ist genauso viel diskutiert worden wie über die „Deus Ex Machina“ Zufälle, die ihn immer wieder gegen alle Wahrscheinlichkeiten gerettet haben. Diese Passivität einer wichtigen Hauptfigur steht in einem starken Kontrast zu den nicht immer logischen Aktionen verschiedener anderer wichtiger Figuren wie „Atlan“, dessen Ziel ja inzwischen nicht mehr eine Demokratisierung seiner Arkoniden, sondern schlicht gesprochen die Übernahme der Macht ist. Vielleicht entpuppt sich Atlan auch als neuer Diktator, während Rhodan philosophisch melancholisch immer wieder auf seine Anfänge mit dem Start der STARDUST zurückblickt. So will da Treffon Rhodan in seiner 6000 Jahre alten Leka Disk abfangen. Der Kommandant des Raumschiffs fordert Rhodan trotz seiner aussichtsreichen Position mehrfach auf, sich zu ergeben. Dieses Spiel dauert solange, bis Bull aufgrund eines Notrufes rechtzeitig mit der RANIR´TAN da ist, um ihn zu retten und gegen eine Übermacht in die Leere zu springen. Rhodan plant, zur Erde zurückzukehren und dort neue Kräfte zu sammeln. Das sein Freund Atlan immer noch kämpft und eine Unterstützung an dieser Front besser wäre – es gibt auf der Erde ja keine neuen Kräfte -, kommt ihm nicht in den Sinn. Natürlich will er wieder zurückkehren, dauerhaft kann man die Freunde nicht im Arkonsystem lassen, aber die Gedanken an eine kurzzeitige Rückkehr zur Erde machen keinen Sinn. Zumindest findet man im luftleeren Raum ein seltsames Objekt, dass sich als Konglomerat geometrischer Formen entpuppt. Leser der Erstauflage ahnen, dass es sich um die Posbis handelt und damit natürlich auch um die Verbündeten, die Rhodan auf der Erde zu finden hoffte. Rhodan, Bull und einige Kampfroboter nähern sich dem Objekt. An Bord treffen sie auf einen skurrilen Roboter, der nicht nur arkonidisch spricht, sondern quasi mit Schrott gefüttert werden muss, nachdem man ihn aus einer misslichen Lage befreit hat. Peinlich wird es, dass dieser Fund Rhodan und seine Männer natürlich rettet, denn kaum haben sie Kontakt zu dieser Maschine aufgenommen, tauchen die Entach – also Maahk Roboter – und entern das Schiff. Mit ihrem neuen Verbündeten, dessen Geschichte in Form eines Rückblicks die phlegmatische Handlung endgültig zum Stoppen bringt, können die Angreifer umgehend besiegt werden. Diese Vorgehensweise ist inzwischen symptomatisch für die „Neo“ Serie und es ist beschämend, wie simpel schwierige Situationen gelöst werden. Frank Borsch und diese Kritik muss auch Rüdiger Schäfer treffen er als Autor hätten sich zumindest etwas Originelleres einfallen lassen können. Am Ende dieser kleinen Episode schließt sich der Roboter Rhodan an und wird mit den Kreuzer sicher zur Erde zurückführen. Natürlich hat das Stehlen von Technik wie in der Erstauflage die Grenzen der Glaubwürdigkeit auch mehrfach gesprengt. Manche Kommandounternehmen gingen zu leicht von der Hand, aber K.H. Scheer hat sich zumindest einiges einfallen lassen, um diese sich wiederholenden Situationen spannend und vielschichtig zu beschreiben. Von dieser Vorgehensweise distanziert sich „Neo“ vielleicht auch durch die aufgeklärte Sichtweise des 21. Jahrhunderts positiv, kann aber keine rechte Balance herstellen. Derartige Zufälligkeiten sind ärgerlicher und unglaubwürdig. Zumal, wenn sie sich wiederholen. „Zwischen den Welten“ aus der Feder Rüdiger Schäfers funktioniert auf beiden Ebenen rückblickend und als Ganzes betrachtet nicht. Den zahlreichen, gut beschriebenen Details stehen mit der Vernichtung zweier interessanter und ausbaufähiger Antagonisten sowie dem Fund zwischen den Welten Unglaubwürdigkeiten gegenüber, die für Borsch und Schäfer einfach nur peinlich sind. Ein qualitativ unterdurchschnittlicher Abschluss – obwohl mitten in einer Miniserie - eines ganz schwachen letzten bisherigen Drittels der „Neo“ Serie.
Pabel Verlag, Taschenheft , 160 Seiten
Erschienen im Juli 2014