Lucky at Cards

Lucky at Cards, Lawrence Block, Thomas Harbach, Rezension
Lawrence Block

Lawrence Block hat in einer Reihe ebenfalls auch im Rahmen von Hard Case Crime veröffentlichten Romanen immer wieder das nicht immer nur positive Ideal des Grifters beschrieben. Die Kleinkriminellen, die sich mit Trickbetrug oder professionellem Kartenspielen über Wasser gehalten haben. Die auf den großen Coup hofften, der nicht selten sauer geworden ist. Immer wenn sie ihre professionellen Grenzen weiter gesteckt haben oder mit Vamps direkt/ indirekt in Kontakt traten, liefen die teilweise minutiös und detailliert vorbereiteten Gaunerstücke aus dem Ruder. Nicht selten konnten Lawrence Blocks Antihelden froh sein, mit nichts als dem Leben aus den Situationen zu entkommen. In dieser Hinsicht präsentiert der Amerikaner bei „Lucy at Cards“ – zum ersten Mal seit fast fünfzig Jahren neu veröffentlicht -  durch eine die Spannung aber leider auch unterminierende Ich- Erzählerperspektive einen deutlich ambivalenteren Blick auf dieses stetige Herumreisen in billigen Hotels. Wenn am Ende einer der ehrbaren Charaktere das Korsett ihrer bürgerlichen Existenz sprengen möchte, die eingebildeten Rollenspiele verlässt, um schließlich auf der Straße zu leben, dann kann Block seine Bewunderung für diese Außenseiter nicht mehr verhehlen. Auch wenn es nicht realistisch erscheint.

Bill Maynard hat als Zauberer angefangen. Später hat ihn die Mafia u einem professionellen Kartenspieler ausgebildet. Inzwischen arbeitet er alleine. Im Verlaufe des Plots wird Maynard stellvertretend für Lawrence Block immer wieder die Wand zum Leser durchbrechen und ihn ein wenig in die Welt der Kartenbetrüger einführen. Als Maynard bei einem Spiel in Chicago von seinen Mitspielern entlarvt worden ist, muss er mit einem ausgeschlagenen Zahn fliehen. In einer Kleinstadt richtet ihm der örtliche Zahnarzt das Gebiss und lädt ihn zu einem Pokerspiel ein. Da Maynard Taschengeld für die weitere Flucht braucht, sagt er zu und gewinnt an diesem Abend in ehrenwerter Runde mehrere hundert Dollar. Die Frau des anwesenden Gastgebers Rogers erkennt ihn ihm einen Kartenprofi und gibt ihm Hinweise, dass sie seine Tricks durchschaut. Während Maynard in erster Linie ein wenig Taschengeld verdienen möchte, legt die attraktive und sexuell auch aggressive Lucy Rogers Wert darauf, ihren Mann loszuwerden. Dabei muss er nicht unbedingt ermordet, aber zumindest ausgeschaltet worden, so dass sie im Gegensatz zu dessen Tod leichter an das Vermögen herankommt. Das größte Problem ist, dass Maynard inzwischen in dem kleinen Ort nicht nur sesshaft mit einem Job als Verkäufer von Immobilienbeteiligungen geworden ist, sondern dass er die attraktive Lehrerin Barb Lambert kennengelernt hat, die tief in ihrem Inneren allerdings auch das langweilige Leben in der Kleinstadt über Bord werfen möchte.

Zusammengehalten wird der Roman vom Ich- Erzähler Maynard, der sich in eine ganze Reihe von nicht unsympathischen Kleinstadtganoven einreiht, die alle im Grunde nach dem großen Coup wie eingangs erwähnt streben. Maynard lässt den Leser vielleicht ein wenig mehr als einige dieser anderen Protagonisten vor allem aus Blocks Werken an seinem Leben teilnehmen, er wirkt auch weicher. Er ist sich seiner Fehler teilweise schon bewusst, bevor er von außen gezwungen gegen seine Überzeugung agieren muss. Neben seinem Hintergrund als Zauberkünstler ist es die Ausbildung als Kartenspieler, die durchgehend interessant und faszinierend beschrieben worden ist. Am Ende während des finalen Duells bekennt Maynard, das das Betrügen nur eine, vielleicht die unwichtigste Seite der Münze ist, sondern das man in Extremsituationen seinen Gegner bespielen und damit mürbe machen sollte. Die Ich- Erzählerperspektive verspricht kein dunkles Ende und trotz des harten Weges, den Maynard gehen muss, gehört das Ende vielleicht mit zu den positivsten Auflösungen, die Lawrence Block in seinen Büchern präsentiert. Maynard ist ein Mann, der auf der einen Seite getrieben wird, der aber auf der anderen Seite selbst die Unruhe der Straße spürt und sich nicht gebunden fühlen möchte. Es sind diese Extreme, die insbesondere in den beiden Frauenfiguren aufeinandertreffen. Joyce Rogers ist dem Erzähler da vielleicht anfänglich am Ähnlichsten. Sie kommt von der Straße, die Möglichkeit der Prostitution wird impliziert. Sie sehnt sich trotz des Reichtums ihres Mannes wieder nach der Straße zurück. Allerdings nicht mehr zu den armsehnlichen Verhältnissen vor ihrer Heirat. Sie ist rücksichtslos und beginnt den weicher werdenden Maynard schließlich zu erpressen. Das lässt die Affäre erkalten. Noch interessanter ist die junge Lehrerin Barb Lambert, die sich in den attraktiven Maynard verliebt.  In ihren Gedanken sieht sie sich zum Beispiel als Callgirl, das einen Klienten aufsucht. Später will sie ihre langweilige bürgerliche Existenz gegen ein Leben auf der Straße ohne Bedingungen tauschen. Es ist Maynard fast peinlich, wie welch kindlicher Naivität sie sich ihm an den Hals wirft und seine Entscheidungen schwierig machen wird. Vielleicht sind die beiden extrem konträren Frauenfiguren zu eindimensional, zu pragmatisch beschrieben, aber Lawrence Block braucht diese oberflächlichen Extreme – tief in ihrem Inneren sind sich Joyce und Barb Lambert hinsichtlich ihrer etwas verruchten Mentalität erstaunlich ähnlich - , um Spannung in diesem ansonsten über weite Strecken erstaunlich ruhigen Plot zu etablieren. Wie es sich für seine Grifter Arbeiten gehört, gibt sich Lawrence Block sehr viel Mühe, den Kriminalfall minutiös zu entwickeln und vor allem alle Möglichkeiten logisch darzulegen. Maynard etabliert einen fiktiven Erpresser, der schließlich von Joyce Rogers Mann im Affekt getötet werden könnte. Nur hat er nicht damit gerechnet, dass dieser relativ schnell weiß, dass ihn jemand betrügen will. Der Rechtsanwalt Rogers spielt nicht, um gleich zu ziehen, sondern vor allem um zu gewinnen.

Das Finale ist deutlich interessanter, der zugrundeliegende Ton dunkler. Maynard hat einen rachsüchtigen Psychopathen geweckt, der seine Gelder einsetzt, um nicht nur Rache zu nehmen, sondern sein Opfer zu jagen, zu desorientieren und in die Ecke zu treiben. Nicht umsonst wird der Klassiker der Menschenjagd „The Most dangerous Game“  zitiert. Das Finale erinnert teilweise allerdings mit deutlich größeren Einsätzen an „Cincinnati Kid“, der ebenfalls 1965 die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf das illegale Glücksspiel zurück gelenkt hat.  Der grundlegende Ton ist deutlich dunkler, auch wenn es dem Leser ermöglicht, mehr in die Psyche eines Spielers einzudringen. Dagegen wirken die ersten Kartenspiele wie Kinderkram, auch wenn Block rückblickend insbesondere die Konfrontation zwischen Rogers und Maynard sehr gut über den ganzen Roman vorbereitet. Ohne die Ich- Erzählerperspektive wäre dieses Finale an Spannung schwer zu überbieten. Interessant ist, dass der Autor abschließend gegen alle Klischees spielt und der potentielle Gewinner zumindest monetär/ emotional kurzzeitig der Verlierer sein könnte. Diese Ambivalenz wird während des „Happy Ends“ relativiert, aber bis dahin gehört „Lucky at Cards“ – der Titel trifft vor Ironie – zu den weniger nihilistischen Block Thrillern dieser Periode. Im Vergleich  allerdings zu „The Girl with the long green Hair“ oder „Grifters Game“ ist „Lucky at Cards“ deutlich einfacher, simpler, aber nicht uninteressanter gestrickt, so dass Lawrence Block ein breiteres Publikum mitnehmen kann.  Nach mehr als vierzig Jahren zum ersten Mal nicht unter Pseudonym veröffentlich liest sich "Lucky at Cards" auf der anderen Seite erstaunlich frisch.

Hard Case Crime, Taschenbuch

220 Seiten

February 2007
ISBN: 978-0857683410
Cover art by Chuck Pyle

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