Earl Dumarest 5- Das Schiff des Jokers

E.C. Tubb

Der fünfte Earl Dumarest Roman "Das Schiff des Jokers" nimmt eine Reihe von Hintergrundszenarien - eine archaische Welt, wertvolle Bodenschätze und Sklavenartige Zustände - der ersten Romane auf, präsentiert aber im Vordergrund eine deutlich ruhigere gesetzte Handlung, in deren Mittelpunkt sich die erste direkte Konfrontation zwischen Dumarest und den Caber abzeichnet.

Scar ist eine einzigartige Welt.  Sie umkreist eine rote Sonne, die nicht mehr ausreichend Energie spendet. Der Winter ist zwar nur vier Wochen lang, in dieser Zeit fällt aber mehr Niederschlag als in einem Jahr. Nicht selten werden die armseligen Hütten der Arbeitersiedlungen weggespült. Auf Scar wächst während der Sommermonate eine Spore, die auf der einen Seite wertvoll für von Tubb eher ambivalent beschriebene Verwendung,  auf der anderen Seite unglaublich tödlich ist. Diese Idee hat der Autor in verschiedenen Romanen variiert. In "Die Telepathin" auf dem Planeten Hive sind es zum Beispiel gigantische Bienen gewesen, deren Honig wundersam heilende Wirkung hatte. Die enge Verbindung zwischen den Naturproduktionen verschiedener Planeten und Glücksrittern, die sich aus Verzweifelung dieser tödlichen Herausforderung stellen, durchzieht die Romane wie ein roter Faden. Tubb schließt in jedem Fall eine industrielle Förderung aus. Da die Gefahren zu groß sind, ist auch eine normale Anstellung von Arbeitern anscheinend nicht möglich. Noch mehr als die letzten "Earl Dumarest" Abenteuer erinnert "Das Schiff des Jokers" an eine Frontiergeschichte. Der Leser braucht nur die goldenen Sporen - der wertvollste und seltenste Ableger - durch Gold ersetzen. Während in "Die Telepathin" die Abbaugebiete fest in der Hand der Oligarchen sind, gewährt Scar den Glückssuchern die Möglichkeit, sich einen Claim abstecken und registrieren zu lassen. Dabei gelten die üblichen Westerngesetze mit Banden von Verbrechen, welche nachträglich die Claims verändern und sich selbst die wertvollen Abbaurechte sichern. Diese Handlungsebene folgt wie schon angedeutet etablierten und zu starren Handlungsmustern. Dumarest findet an Bord eines der später landenden Raumschiffe einen Kumpel - Dumarest selbst hat keine Freunde -, der ihm bei der Erkundung potentieller Claims helfen soll. Dumarest Ziel ist es, genügend Geld für seine weitere Suche nach der Erde zu verdienen. Natürlich werden sie schnell fündig, auch wenn man ihnen den Bereich streitig machen will und der Abbau nur unter schwersten Bedingungen erfolgen könnte. Rückblickend gehört diese Handlungsebene zu der Schwächsten des ganzen Romans.

Sehr viel interessanter ist der Beginn der Konfrontation mit den Cyber. Anfänglich kommt Dumarest bei einer Frau unter, die später ausgeraubt und getötet wird. Dumarest jagt den Mörder und tötet ihn in klassischer Vigilantenmanier. Er hat fünf Ringe von der Frau gestohlen, die für die Cybers wertvoll sind. Während sich das Computergehirn als Zentralintelligenz noch daran macht, den Mordauftrag für den Weltraumtramp zu formulieren,  hat dieser die Ringe weitergegeben. Mehr und mehr wird Dumarest in den Romanen zu einem klassischen Westerhelden, der die Bösen meistens umgehend bestraft, sich nicht von Gewalt oder Autorität einschüchtern lässt und letzt endlich die Schwachen - hier macht er wenig Unterschied zwischen den Geschlechtern - beschützt oder zumindest rächt. Wie die archaischen Produktionsbedingungen wirkt Earl Dumarest nicht nur durch seine bevorzugte Nutzung des Messers wie ein Mann, der aus der irdischen Vergangenheit in eine Ferne, aber interessanterweise sehr bodenständig beschriebene Zukunft gefallen ist, die nur aufgrund der verschiedenen Planeten, der Cybers und schließlich der benutzten Raumschiffe futuristisch erscheint.

Am ehesten lässt sich diese Zwitterzukunft an der dritten Handlungsebene ablesen, die teilweise die Dimension eines Shakespeare Dramas einnimmt. Adrienne und Jocelyn befinden sich auf ihrer Hochzeitsreise. Ihre Vermählung hatte alleine genetische Gründe, da sie die Thronerbin einer noblen, aber auch puritanisch gewalttätigen Welt ist, während Jocelyn den Thron auf seinem Heimatplaneten Jest übernehmen soll. Es herrscht keine Liebe zwischen ihnen. Die Brautgeschenke waren verlockend genug. Als ihr Schiff Schwierigkeiten hat, entscheiden sie sich, auf Scar zu landen. Während Adrienne versucht, ihren Mann auf verschiedene Arten loszuwerden, beginnt dieser seine grausamen Spiele, in dem er wie "Two Face" aus den "Batman" Comics eine Münze über die Schicksale von Menschen entscheiden lässt. Im Vergleich zu den bisherigen Dumarest Bänden gibt es keine erotische Chemie zwischen der frustrierten und von ihrem Mann eher angewiderten Adrienne, die zumindest den Beischlaf zur Zeugung eines notwendigen Thronnachfolgers erdulden würde, und Dumarest. In der ersten Hälfte des Buches begegnen sie sich nicht einmal. Sie gehört nicht in die Kategorie der schutzbedürftigen Mädchen mit teilweise besonderen Fähigkeiten, die Dumarest zweimal nach Hause begleiten durfte. Viel eher wirkt Adrienne wie eine klassische Aristokration, die ihre Pläne verwirklich möchten. Ihr aggressives und arroganter Ehemann Jocelyn wirkt wie ein Psychopath. Zu den besten Passagen gehört die abschließend überzeugende Erläuterung seiner fast sklavischen Unterwerfung unter die Entscheidungen des Zufalls. Er ist im Gegensatz zum deutsche Titel auch weniger ein Joker, sondern ein Narr, welcher seinen Mitmenschen aus der Position der Stärke und nicht geschützt hinter ironischen entlarvenden Bemerkungen einen Spiegel vors Gesicht hält. Im Vergleich zu den bisher manchmal stark funktionell beschriebenen Antagonisten vereinigt Jocelyn nicht nur eine hinterhältige Intelligenz und Verschlagenheit, er ist teilweise Dumarest hinsichtlich seiner weit in die Zukunft greifenden Planungen überlegen. Tubb nimmt sich auf sehr viel Zeit, die beiden so unterschiedlichen Charaktere aufeinander prallen zu lassen.

 

Von der Struktur her eröffnet Tubb auch "Das Schiff des Jokers" mit einer packenden Actionszene. Dumarest und seine Gastgeberin werden des Nachts von örtlichen Banditen überfallen. Im Vergleich zu den bisherigen Romanen der Serie nimmt der Autor anschließend deutlich Tempo aus der Geschichte, um die politischen Hintergründe sehr viel ambitionierter aber auch mittelalterlich fundamental zu erläutern. Seine Figuren sind für diese Geschichten von Unterdrückung und dem Recht des Stärkeren wie geschaffen. Nicht selten relativ breit und ambivalent charakterisiert gehören sie weniger in einen Science Fiction Roman denn einen entsprechenden Western. Dumarest agiert allerdings deutlich freier und entschlossener. Er scheut sich nicht mehr, Gewalt mit Gegengewalt zu vergelten und beginnt im vorliegenden Band entschlossener zu agieren. Auf der anderen Seite fehlt dem vorliegenden Roman allerdings auch ein emotionaler wie melancholisch tragischer Ausgleich durch eine entsprechende Liebesgeschichte. Tubb hat diese Karte in den letzten Abenteuern überreizt und gleicht sie durch das stetig wachsende Interesse der Cyber an dem Weltraumtramp aus. Dafür baut er kontinuierlich verschiedene Hintergründe aus, auf die der Autor in den folgenden Abenteuern mehrfach zurückgreifen wird. Obwohl die grundlegende Struktur des Buches in das fast zu stark zementierte Schema eines "Earl Dumarest" Abenteuers paßt, finden sich insbesondere im zweiten Teil der Geschichte eine Reihe von relevanten Informationen. Konnte der Leser im letzten vierten Abenteuer einen ersten Einblick in die aus operierten und ihren Emotionen geraubten Menschen bestehende Cyberrasse erhaschen, so geht er mit den Anweisungen des Zentralsystems einen Schritt weiter. Sowohl in "Kampfstern Galactica" mit den Zylonen als auch bei "Star Trek" mit den Borgs wird man intelligente Extrapolationen dieser Grundidee finden. Dabei agieren die Cyber auf zwei sehr unterschiedlichen Ebenen. Sie haben sich als "neutrale" Berater der Oligarchen und ihrer Familien etabliert.  Auf der anderen Seite haben sie im Gegensatz zu anderen Kunstgeschöpfen auch massive wirtschaftliche Interessen, die an sehr seltenen exotischen Rohstoffen reichen Welten auf der Herrscherebene sehr eng im höflichen Sinne zu begleiten.

Mit Scar hat er zusätzlich über die oft verwandten Gefahren einer aus irdischer Sicht unkontrollierbaren Natur einen interessanten Planeten erschaffen, in dem sich die Naturphänomene unglaublich schnell abwechseln. Die Handlung beginnt im Winter mit einer unwirtlichen kargen Landschaft und endet wenige Wochen später in einem förmlich explodierenden Dschungel mit den mehrfach angesprochenen tödlichen Sporen. Einen derartig vielschichtigen Hintergrund kann keiner der bisherigen Tubb Romane aufweisen.

Zusammengefasst ist „Das Schiff des Jokers“ – Jocelyn hat sich ein markantes Zeichen in die Schiffshülle brennen lassen – ein spannender und hintergrundtechnisch interessanter, wenn auch manchmal ein wenig zu stereotyper Konsolidierungsroman mit einem vielschichtigen und gut entwickelten Antagonisten, dessen Sadismus Methode ist. Er bringt Earl Dumarest aber seinem Ziel, die Erde zu finden, im Vergleich zum Vorgängerband keinen Schritt weiter.

 

Broschiert

  • Verlag: Pabel-Moewig Verlag Kg (Februar 1997)
  • ISBN-10: 3811857002
  • ISBN-13: 978-3811857001
  • Taschenbuch, 160 Seiten