Karl May Welten III

Michael Petzel (Hrsg.)

Spätestens mit der dritten Ausgabe der „Karl May Welten“ mutiert der Almanach zu einem die Tradition der Karl May Jahrbücher in einem gänzlich neuen Gewand begleitenden festen Bestandteil des immer weiter schrumpfenden May Fanstammes. Michael Petzel zündelt in seinem einführenden Essay mit „Wo reiten Sie? Her mit den Bearbeitungen.“ Angesichts der zurückgehenden Verkaufszahlen und der steigenden Popularität des Fantasygenres festgemacht an „Harry Potter“, dem spürbaren Desinteresse insbesondere auch des Lehrkörpers, den Jugendlichen hinsichtlich der literarischen Weiterentwicklung blutbrüderartige Hilfe zu leisten und einem Hang weg vom Buch zu den Computerspielen und dem Fernsehen fordert Michael Petzel, das die Karl May Bücher sich mittels vorsichtiger Bearbeitungen der gegenwärtigen Generation anpassen müssen. Ob sie angesichts ihrer klassischen Sujets und vor allem einer modernen Mediengesellschaft, die mittels Billigfluglinien schnell den niemals in dieser Form vorhandenen Wilden Westen erreichen kann sowie mittels mehr oder minder manipulierender Sendungen eine Art Realitycheck der gegenwärtigen USA erhält, muss sehr stark bezweifelt werden. Weiterhin entspricht die Forderung nach modernen Bearbeitungen der gegenwärtigen Verweichlichung der Gesellschaft, in welcher sich nicht das schwächere Glied dem Status Quo anzupassen hat, sondern der Status Quo seinem schwächsten Glied. Es ist schon die Elterngeneration, die Karl May entsagt hat. Soll auch Goethe als hervorragender deutscher Dichter dem Zeitgeist angepasst werden? Oder wäre es sinnvoller, Karl May in seiner bestehenden Form eben nur für ein kleines, den Dresdner aber liebendes Publikum zu erhalten? Eher wäre eine Annäherung über neue Geschichten möglichen, die von „jungen“ Autoren in der Tradition Mays geschrieben werden, um auf den originären Texte zurückzugreifen. Sherlock Holmes sei hier beispielhaft erwähnt und Parodien a la „Der Schuh des Manitus“ helfen leider nicht weiter.
Viel interessanter ist die fundierte Untersuchung der Verbreitung Karl Mays, wie es in „Karl May auf Jiddisch“ Michael Rudloff macht. Fast detektivisch wird eine durch Zufall entdeckte jiddische Ausgabe des Schriftstellers neu übersetzt, dem Gesamtwerk zugeordnet und schließlich auch die Quelle gefunden, aus welcher der Teil des Waldröschens ins Jiddische übersetzt worden ist. Gut bebildert gibt dieser kurze Artikel einen Einblick in die Akribie, mit welcher Mays Werk weltweit untersucht, analysiert und chronologisiert wird.

Ein wichtiger Aspekt ist aber neben den ausländischen Ausgaben die Herkunft, teilweise sogar Neuentdeckung einzelner May´scher Texte. „Der Herrgottsengel“ ist ein frühes Fragment Karl Mays, das er später „Der Waldschwarze“ vollendet hat. Neben dem Abdruck von Mays noch vorhandenem Originalmanuskript weist Autor Jürgen Wehnert auf Mays ökonomische Arbeitsweise hin, sowie die Veränderungen, denen das Fragment später unterzogen worden ist. Diese Analysen bilden die fundamentale Grundlage der bisher drei Karl May Welten und zeigen die Ernsthaftigkeit der Almanache. Herkunft und Variation des May´schen Werkes bilden genau wie Betrachtungen des Schriftstellerlebens und seinen Einfluss auf andere Medien – insbesondere Filme – bilden weitere Schwerpunkte des vorliegenden dritten Bandes. Dabei spekulieren Wilhelm Vinzenz und Jürgen Wehnert informativ über die Herkunft des Waldröschen, das im Titel des Kolportageromans prominent geführt, in der Handlung des Buches nur als Randnotiz geführt wird.
„Böse Schlange- guter Mann- Wandlungen einer Karl May Erzählung“ aus der Feder Henning Frankes betrachtet den Wandel der Urversion des „Schwarzen Mustangs“ über die Zusammenfassung in „Halbblut“ bis zu den Verfilmungen und den Aufführungen in Bad Segeberg und Elspe. Henning Franke arbeitet die Unterschiede inklusiv der eher positiv auf den zu langen und geschwätzigen Text wirkenden Kürzungen heraus und sucht theoretisierend die ideale Adaption eines der „Urstoffe“ Mays. Der Artikel ist reichlich bebildert und stilistisch ansprechend geschrieben.


Hinsichtlich Karl Mays Leben – das zweite Standbein der „Karl May Welten“ - spekuliert Christina Wehnert über Mays Vorbilder in seiner frühen Zeit als Redakteur der Zeitschrift „Schacht und Hütte“. Dabei vergleicht die Autorin Karl Mays Antworten auf diverse Leserbriefe mit einer ähnlichen journalistischen Haltung in „Der Calculator an der Elbe“. “Auf den Spuren von Karl Mays INFERNO“ aus der Feder Albrecht Götz von Olenhusen sowie Jürgen Seul setzt sich mit Karl Mays krimineller Vergangenheit und den über dieses Thema geschriebenen Studien sehr fundiert ohne besondere Wertungen auch in Richtung Karl Mays Witwe auseinander. Gut bebildert, solide informativ geschrieben gehört der Beitrag zu den Höhepunkten der vorliegenden Welten. Auch die tatsächlichen Reiseberichte – in diesem Fall Karl Mays Aufenthalt in Venedig – sowie eine Dolomitenwanderung sind gern gelesene Ergänzungen, welche auf der einen Seite das historische Bild Karl Mays vervollständigen, auf der anderen Seite aber auch zum Nachgehen anregen. Diese Mischung aus Moderne und Historie hat sich zum festen Eckpunkt der „Karl May Welten“ gemausert und sollte in der vorliegenden Form zusammen mit den Ausflügen zu den Sets der Filmdrehorte – immer reichlich bebildert und ungemein lehrreich – beibehalten werden. So wird neben Wolfgang Baumanns Einleitung – für einen dritten Band der „Karl May Welten“ im Grunde überflüssig - von der Faszination des Indianer und Cowboy spielen an der Originaldrehorten insbesondere die Suche nach den letzten fehlenden Originaldrehplätzen in Essays von Michael Petzel sowie Karl Ebner fortgesetzt. Es sind diese reich bebilderten Artikel, die auf der einen Seite einen Eindruck von der Zeitlosigkeit der Landschaften geben, auf der anderen Seite aber dem Leser auch die historische Realität vor Augen halten, das sich in dem ehemaligen Bürgerkriegsgebiet inzwischen ein ganzer Touristenzweig auf die Karl May Verfilmugnen gestürzt hat.


Nicht nur aus nostalgischen Gründen sind die Ausflüge über Mays Werke und die Adaptionen hinaus in den Bereich des Merchandisings eine lieb gewonnene Tradition. Peter Badge leitet diese Sektion mit seinen Erinnerungen an die Wundertüte ein, bei der Karl May sowohl in Form von Sammelfiguren als auch Postkarten/ Bilderkartensets immer dabei gewesen ist. Einer der Höhepunkte dieser Ausgabe ist allerdings Hugo Heins Essay „Mein Leben mit der Wundertüte“, in welchem der Produzent der Heinerle Tüten über seine Idee und seine geschäftlichen Tätigkeiten berichtet. Thomas Winkler berichtet in „Von Jägern und Sammlern“ über die Karl May Sammelbilder und deren Alben. Reichhaltig bebildert gibt der eher kompakt als informativ geschriebene Artikel einen Überblick über die diversen Produktion, wobei leider eine kritische Reflektion fehlt. In erster Linie für die Jäger und Sammler lesenswert, die sich einen Überblick über die noch fehlenden Schmuckstücke erschaffen wollen.

Abgeschlossen werden die „Karl May Welten“ von Peter Krauskopf Rezension der DVD Veröffentlichung des „Vermächtnis der Inkas“ – ausführlich und informativ – sowie zu kurzen und teilweise zu oberflächlichen Buchrezensionen. Zwei Nachrufe auf Gerhard F. Hummel und Manfred Barthel – zwei der wichtigsten Gründungsväter der Karl May Filmreihe – begleiten den eher allgemeinen Teil.

Zusammengefasst sind die Artikel in der dritten „Karl May Welten“ thematisch wieder breit gestreut und fundiert kritisch geschrieben. Stilistisch ansprechender als im zweiten Band etablieren sich feste Eckpfeiler – die Reisen zu den Drehorten, das Heben von bislang unbekannteren Karl May- Texten, eine Reflektion der Veränderungen innerhalb des Werkes vom geschriebenen Wort hin zu anderen Medien -, welche den Blick des Karl May Fans über die Buchveröffentlichungen hinaus hebt. Der Klappentext spricht von einem beliebten Forum der Karl May Fans und dieser Aussage braucht im Grunde bis auf das wieder ansprechende Layout, die gute Papierwahl und den Anhang mit zahlreichen schönen Farbfotos von den Dreharbeiten, hinter den Kulissen und schließlich ausgewählten Merchandisingartikeln nichts mehr hinzugefügt werden.

Michael Petzel (Hrsg.): "Karl May Welten III"
Anthologie, Softcover, 241 Seiten
Karl May Verlag 2010

ISBN 9-7837-8023-0270

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