Phoenix

Richard Cowper

Ende der sechziger Jahre entbrannte mehr und mehr die Kritik am gesättigten Establishment. Die jungen Wilden konnten zwar auch nicht neue Gesellschaftsmodelle entwickeln, der Grundgedanke war, alles anderes zu machen. Diese gesellschaftlichen Strömungen haben sicherlich Einfluss auf diesen Roman gehabt. Im Gegensatz zu späteren Romanen – Proteus und ich und den Zyklus um den Sänger am Tor der Dämmerung- wird hier nicht in der Manier Edmund Coopers die ganze Gesellschaft demontiert, sondern der Tradition H.G. Wells folgend gerät ein elitärer Einzelgänger aus der ihm vertrauten und nicht akzeptierten Umgebung durch einen Unfall in eine ferne Zukunft und erkennt, dass er dort trotz härterer Bedingungen   ein Zuhause gefunden hat.

 

Der junge Bard Cecil fühlt sich als Außenseiter. Die Frau, die er liebt, die aber mit einem anderen Mann verheiratet ist, hat sich vom ihm getrennt. In romantischer Tradition möchte er auf sie warten. Sie kehrt aber erst in drei Jahren von ihrem Flug ins All zurück. Also lässt er sich einfrieren und wacht mehrere hundert Jahre später in einer in die Barbarei zurückgefallenen monarchistischen Gesellschaft wieder auf. Die Fremden begegnen ihm mit Misstrauen .Bard fehlt es schwer, die einzelnen opponierenden Gruppen auseinander zuhalten. Doch je größer die Gefahr und ja mehr er sich auch innerlich von seiner geborgenen Heimat entfernt,  desto aufregender wird sein Leben. Das Versetzten eines atypischen Gesellschaftsmitglied in eine neue Umgebung, die ihm besser zu Gesicht steht, ist eines der immer wiederkehrenden Motive der Science Fiction aber in erster Linie der Heroic Fantasy. Schon Robert E. Howard hätte lieber im gleichen Zeitalter wie sein literarisches Alter Ego Conan gelebt. L.Sprague de Camp und Fletcher Pratt spielten in ihrer Serie um die Mathemagie mit dieser Thematik ebenso wie Leigh Bracket in ihren John Stark Romanen. Im Bereich der klassischen Science Fiction ist schon auf Die Zeitmaschine von H.G. Wells hingewiesen worden. Später werden ähnliche Motive in Robert A. Heinleins Die Tür in die Zukunft genauso zu finden sein wie in einer Reihe von Romanen, die nach dem Holocaust spielen . Der zivilisierte Mann wird zum Barbaren.   Das Gegenbeispiel ist Connie Willes Doomdays Book, in dem eine junge Frau sicher detailliert auf die Epoche vorbereitet, in die geschickt werden soll. Durch einen Fehler landet sie in wenige Jahre früher, als die Pest Europa überzogen hat. Trotz ihrer intensiven Vorbereitung erkennt sie, dass die Reise durch die  Zeit keinen echten wissenschaftlichen Fortschritt bringt , sondern nur Kummer bereitet. 

In diesem Roman erinnert der Protagonist Bart auf den ersten Blick an den Schwerenöter Werther aus der Feder Goethes. Der letzte Romantiker – wie er sich selbst bezeichnet- ist nicht mehr in der Lage, nach seiner gescheiterten und idealisierten Beziehung sein Studium zu Ende zu bringen. Im Gegensatz zu Werther sucht er nicht den Ausweg im Freitod, sondern lässt sich einfrieren. Richard Cowper hat sich bemüht, seinen Charakter dreidimensional und vielschichtig anzulegen. Leider fehlt ihm an manchen Stellen das Verständnis für seine Figur und die Handlung verläuft zu glatt und kontrolliert. Der Leser wünscht sich mehr Zusammenstöße zwischen der sauberen und inhumanen Gesellschaft, die in der hier vorliegenden Beschreibung Jahre später in dem George Lucas Film THX 1138 eine Reinkarnation erleben könnte, und dem verschrobenen, reichen Querkopf. Das gleiche Bild bietet sich in der fernen Zukunft. Mit einer Mischung aus Ritterroman und Frauenliebesgeschichte ist Richard Cowpers Zukunft wilder und brutaler angelegt, doch oft verzettelt sich der Autor in einer Reihe von Klischees. Die holde Maid muss gerettet werden , es werden Bruderschaften geschlossen und wieder aufgelöst und schließlich reiten alle dem Sonnenuntergang entgegen. Die Zukunft ist düster, doch unser Licht das brennt. Auch der Titel als Synonym für den Phoenix aus der Asche ist treffend, aber da keiner von Cowpers Figuren hohe Sympathiewerte in der Bewertungsskala der Leser erringen kann, wirkt der gesamte Text steif, altbacken und hoffnungslos überkonstruiert und unterentwickelt. Viel zu schnell erkennt Bard die Chancen und Möglichkeiten dieser fremden Zukunft. Es stellt sich ihm keinen Augenblick die Frage, wie es alles passieren konnte, sondern er nimmt diese Situation als Wink des Schicksals an und findet sich zu schnell in der Rolle des zwar nicht strahlenden, doch zumindest scheinenden Helden zurecht. Wie in der ersten Hälfte des Buches wirkt der Kontrast zwischen Umgebung und Helden befremdlich. Der Autor gibt dem Leser nicht die Möglichkeit, mit seinen Figuren zu leiden und die Umgebung zu erobern. Außerdem finden sich eine Reihe von Schwächen im Aufbau der Handlung. Das entscheidende Zerwürfnis zwischen Bart und seiner Geliebten wird in einem Nebensatz abgehandelt, unterstrichen von den bösen Kommentaren einer Verwandten. Es ist schade, dass wir diese wichtige Person nicht kennen lernen. Richard Cowper vergibt hier die Chance, Bard zwischen zwei Frauen unterschiedlicher Epochen zu beschreiben. Eine Kombination von Charakterzügen oder zwei Extreme hätten dem Roman die Ecken und Kanten gegeben, die der Leser bei dieser glatten, oberflächlichen, technisch perfekt inszenierten und ohne Herz aufgeführten Zukunftsvision vermisst.      

  • Broschiert: 152 Seiten
  • Verlag: Goldmann; Auflage: Ungekürzte Ausg. (1969)
  • ASIN: B0000BQF1K