rettungskreuzer Ikarus 51- die verbotene Welt

Irene Salzmann

In mehrfacher Hinsicht beginnt mit Irene Salzmanns “Die verbotene Welt” eine neue Ära beim “Rettungskreuzer Ikarus”. Nachdem das Wanderlustvirus entschärft worden ist, beginnt sich die Galaxis sehr langsam von den Folgen zu erholen. Anstatt weiterhin lange, sich erscheinungstechnisch über mehrere Jahre dahin streckende Geschichten zu erzählen, werden dem Leser in Form von Trilogien oder Vierteilern einzelne Episoden präsentiert, wobei diese nicht nur von einem Autoren - zuerst Irene Salzmann, dann Dirk van den Boom - geschrieben worden sind, sondern effektiv in den farbenprächtigen Hintergrund des Universums integriert worden sind.

Der Rettungskreuzer Phoenix wird durch einen Notruf zu einer für Fremde verbotenen Welt - Gamorrha III - geführt, wo sie im Orbit ein verlassenes Raumschiff finden. Die Aufzeichnungen sind manipuliert und teilweise gelöscht worden. Man findet an Bord die Leiche eines Besatzungsmitgliedes, die Spuren von Kannibalismus aufweist. Nachdem man das Schiff mit Betäubungsgas geflutet hat, findet man einen weiteren Überlebenden, der anscheinend wie es die Warnungen besagen beim Besuch der verbotenen Welt seinen Verstand verloren hat. Die Phoenix macht sich mit dem Überlebenden auf den Rückflug zur nächsten Basis. In der Parallelhandlung erfährt der Leser nicht nur, dass Junius Cornelius einmal auch den Planeten besucht hat. Er ist eine der Wenigen, der die Welt geistig anscheinend gesund verlassen konnte.

Auch bei seiner Expedition sind Menschen ums Leben gekommen. Ohne zu viel vom Geheimnis von Gamorrha III zu verraten, baut die Autorin eine spannende Basis für die folgenden Romane auf. Neben Cornelius Besuch auf der Welt konzentriert sie sich auf den Abenteurer Jason Knight, dessen Besuch auf dem Planeten weniger glimpflich ablief. Im Gegensatz zu Cornelius trug er keinen Schutzanzug und der Blitzstart bewahrte ihn davor, ein Opfer der primitiven Einheimischen und ihrer gigantischen Tiere zu werden.

Irene Salzmann baut ihren Roman ausgesprochen stringent auf. Der Rettungskreuzer Phoenix wird mit einem gefährlichen Phänomen konfrontiert, wobei das an Bord nehmen einer überlebenden Ratte überambitioniert und angesichts der Gefahren, welche die erfahrene Besatzung inklusiv des ausbrechenden Rosenkrieges an Bord erlebt hat, leichtsinnig erscheint.

Die parallele Handlungsebene dient dazu, die von der Phoenix Crew gemachten Entdeckungen zu untermauern. Da vieles bislang angedeutet bleibt, ist es schwierig, den Auftaktroman der Trilogie abschließend zu beurteilen. Neben der Titel gebenden “verbotenen Welt” konzentriert sich die Autorin auf die “Liebesgeschichte” zwischen Cornelius und Packcheon, welche sich während des Wanderlustvirus entwickelt hat. Nicht nur die Integration einer homosexuellen Beziehung ist eine Variation sonstiger Klischee des “Space Opera” Genres, Irene Salzmann impliziert eine gewisse Abhängigkeit Cornelius vom allgegenwärtigen und zu behütenden Packcheon, dessen Motive bislang im Dunkel bleiben. Abschließend präsentiert die Autorin aber noch eine dritte Handlungsebene. Sally McLennane wird von einem Schatten der Vergangenheit - der Fette - bedroht.

Dieser Spannungsbogen gipfelt in einem frustrierenden Cliffhangar, der den Lesern die Wartezeit bis zum nächsten Abenteuer eher “versauern” soll. Negativ dagegen hat man derartige plumpe Spannungsabbrüche schon öfter gelesen und man hofft, dass Irene Salzmann das Ganze solide zu Ende führt und es nicht als eine Art MacGuffin missbraucht.

So weit sich die neue Strukturierung des “Rettungskreuzer Ikarus” in kürze Minizyklen schon bewerten lässt, hat Irene Salzmann positiv einen ausgesprochen kompakten Roman vorgelegt, der spannungstechnisch das Szenario mit einer guten Mischung aus Hintergrundinformationen und potentiellen roten Fäden vor dem Leser ausbreitet. Der Humor ist weniger kindlich oder kindisch, die einzelnen ruhigeren Passagen insbesondere zu Beginn des Romans führen Neuleser ein wenig in diese inzwischen komplexe, aber nicht komplizierte Welt des “Rettungskreuzer Ikarus” ein. Routiniert baut sie im Mittelteil auf der einen Handlungsebene - der Erkundung des havarierten Schiffes im Orbit - in bekannter, aber nicht mechanischer oder klischeehafter Manier Spannung auf.

Die anderen beiden Spannungsbögen dienen dazu, die Vorgänge im Orbit um Gamorrha III zu vertiefen und zu zeigen, dass der Planet nicht nur eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Abenteurer und Schatzsucher ausübt, sondern dass Menschen tatsächlich eine Ladung überlebt haben und nicht dem Wahnsinn verfallen sind. Da die Zyklen sich nicht mehr über ein gutes Dutzend Hefte hinziehen, kann die Autorin im letzten Drittel des vorliegenden Romans das Tempo positiv anziehen und den Leser mitziehen. Stilistisch solide und stellenweise ausgesprochen pointiert erzählt mit einem sehr breiten Spektrum unterschiedlicher Krisenherde sowie einer Liebeskrise, die am Rande des Kitsches entlang schlittert und trotzdem interessant beschrieben worden ist, stellt “Die verbotene Welt” nicht nur einen interessanten Minizyklusauftaktroman, sondern gehört ohne Frage zu den besten “Ikarus” Romanen der letzten drei Jahre.

Titelbild: Lothar Bauer
A5 Paperback, 106 Seiten, ISBN 978-3-86402-092-6.