V wie Vendetta

Originaltitel: 
V for Vendetta
Land: 
USA / GB / DE
Laufzeit: 
132 min
Regie: 
James McTeigue
Drehbuch: 
Andy Wachowski, Lana Wachowski
Darsteller: 
Natalie Portman, Hugo Weaving, Stephen Rea, Stephen Fry, John Hurt, Tim Pigott-Smith
zusätzliche Infos: 
nach einer Vorlage von Alan Moore und David Lloyd
Kinostart: 
16.03.06

In einer fiktiven Zukunft wird das Vereinte Königreich von einem totalitären Regime kontrolliert. Menschen, die anders denken oder sich nicht gemäß der von der Regierung vorgeschriebenen Norm verhalten, werden weggefangen und weggesperrt. Wen es besonders schlecht erwischt, der darf sich auf sein Dasein als Versuchskaninchen im Gefängnis freuen. Einer dieser Gefangenen war V…


Filmkritik:
von Falk Puschmann & Susi Feistel (für SF-Radio.net)

Remember, remember
The Fifth of November
The gunpowder treason and plot
I know of no reason why the gunpowder treason
Should ever be forgot


In einer fiktiven Zukunft wird das Vereinte Königreich von einem totalitären Regime kontrolliert. Menschen, die anders denken oder sich nicht gemäß der von der Regierung vorgeschriebenen Norm verhalten, werden weggefangen und weggesperrt. Wen es besonders schlecht erwischt, der darf sich auf sein Dasein als Versuchskaninchen im Gefängnis freuen. Einer dieser Gefangenen war V…

Was auf den ersten Blick wie die n-te amerikanische Comicverfilmung scheint, entpuppt sich beim Kinobesuch als unterhaltsamer Mix aus Comic, Filmklassikern und ein wenig britischer Geschichte. James McTeigue, früher Werbefilmer und Regieassistent („Matrix“, „Star Wars II“, „Moulin Rouge“), hat eine ordentliche erste Regiearbeit abgeliefert. Kein Meisterwerk wohlgemerkt, aber der Film kann auch nicht als langweilig bezeichnet werden.

Schaut man noch genauer hin, findet man heraus, dass es sich um eine britisch-deutsche Koproduktion handelt – gedreht in den Filmstudios von Babelsberg. So sah der Film wirklich nicht aus. Großes Lob! Der britische Anteil der Produktion zeigt sich unter anderem in der Schauspielerriege, die große Namen wie John Hurt und Stephen Fry umfasst.

John Hurt wechselt nach „1984“ die Seiten und ist fast durchweg nur über Bildschirme zu sehen. Auch in der Rolle des fanatischen Diktators macht er sich ausgesprochen gut. Stephen Fry, den man im Kino schon seit einer Weile vermisst hatte, hat eine überraschend große Rolle und ist liebenswert, wie immer.

Die Hauptrolle des Films wurde von dem Australier Hugo Weaving übernommen. Bis 1999 war er meist nur im Fernsehen oder in Nebenrollen zu sehen. Doch dann folgten die „Matrix“ und der „Herr der Ringe“ und seitdem kennt man ihn nur noch als Mr. Smith oder Elrond. In „V for Vendetta“ setzt er die Maske nicht ein einziges Mal ab (Das hatten wir das letzte mal bei Edward Norton in „Königreich der Himmel“). Ob das der Weg aus der Schublade ist? Auf alle Fälle macht er seine Sache gut. Obwohl man sein Gesicht nicht sieht, kann er mit seiner Gestik viel aussagen. Übrigens ist Weaving nur die zweite Besetzung. Ursprünglich sollte der Britte Jame Purefoy die Rolle übernehmen, stieg aber aus dem Projekt aus. Im Nachhinein betrachtet ist aber Weaving sicherlich die bessere Besetzung.

Die Besetzung wird durch Stephen Rea und Natalie Portman komplettiert. Der Nordire Rea gibt den Detective, der einen irgendwie an „Tatort“ erinnert. Souverän und ohne Schnörkel untersucht er die Machenschaften Vs und der Regierung aufzuklären.
Natalie Portman, die ihren Durchbruch mit „Léon, der Profi“ hatte, sah man zuletzt als Amidala in „Star Wars“. Hier hat sie viel zu weinen, Haare zu lassen und arbeitet für den Zuschauer als Identifikationsfigur.

Es lohnt sich bestimmt, den Film im englischen Original zu hören, da viel zitiert wird, und hier bei der Deutschen Synchro zwangsweise vieles Verloren geht. Außerdem tun die britischen Charaktermimen ihr übriges.

Der Buchstabe „V“ wird oft als Symbol oder Politisches Statement verwenden. Das „V“-Zeichen kennen wir vor allem als Ausdruck von Sieg oder Triumph (im englischen Victory). Hier steht das „V“ für Rache, bzw. einen Rachefeldzug (Vendetta) auch wenn die Aussage des Films deutlich weiter reicht als blanke Selbstjustiz. Wir sehen ein Totalitäres Regime, dass seine Bürger mit Angst kontroliert. Dabei dienen einmal mehr die Medien als Transportmittel der Propaganda. Es ist offensichtlich in welche Richtung hier geschossen wird. Gerade in unserer Heutigen Zeit ist das Thema aktueller denn je. Kaum zu glauben, dass die Story von „V wie Vendetta“ auf einer Comicreihe aus dem Jahre 1981 von Alan Moore und David Lloyd basiert, die damals vor allem gegen die Thatcher-Administration schossen. Daher auch der Bezug auf die Schießpulververschwörung von 1605, bei der der Verschwörer Guy Fawkes das britische Parlament in die Luft sprengen wollte.

Um seine Botschaft zu unterstreichen bedient der Film sich einer starken visuellen Bildsprache, die sowohl die Brutalität des Staatsapparates (unter anderem Motive bekannter Uto- und Dystopien wie „1984“ oder „Fahrenheit 451“) zeigt, als auch mit Bildzitaten an den Holocaust arbeitet. Es gibt reichlich Action und rechtzeitig zum großen Showdown bekommt man auch eine Zeitlupen Kampfsequenz, die ein wenig an gute alte „Matrix“-Zeiten erinnert. Ja und das kommt nicht von ungefähr, denn das Skript stammt von niemand geringeren als den Wachowski-Brüdern Larry und Andy, die schon lange vor ihrem großen Erfolg an einer Umsetzung von „V“ arbeiteten. Dass dann auch hier fleißig vor allem von V, unserem einsamen Rächer, Literatur und Filme zitiert werden, was das Zeug hält, wundert dann auch wenig. Und es sind gerade diese Zitate, die Zwischendurch auch mal für den einen oder anderen Schmunzler im Publikum sorgen.

Auffallend ist bei „V wie Vendetta“ der gezielte Einsatz von Product-Placement, der – anders als bei Filmen wie „I, Robot“ – sehr Dezent von statten geht. Dennoch sieht man bei praktisch jedem LCD-Display – und derer gibt es viele - und jedem Computer deutlich sichtbar dessen Hersteller.

Als letztes sollte unbedingt noch die Musik erwähnt werden, die einen wichtigen Teil der Atmosphäre ausmacht. So stammt die sehr gute orchestrale, emotionale Score von Dario Marianelli, dessen Arbeit man auch zuletzt in „Stolz und Vorurteil“ oder „Die Gebrüder Grimm“ hören konnte. Abwechselnd werden aber auch bekannte Pop- und Rocksongs u.a. von den Stones eingespielt.

Fazit: Ein kurzweiliger, unterhaltsamer Actionritt, mit politischer Fußnote, der sich weigert, sich einem konkreten Genre zuordnen zu lassen. Fans englischer Sprache und guten Zitaten, sollten auf die englische Fassung zurückgreifen, der Rest kann aber ohne schlechtes Gewissen zuschauen. Und vergesst nie, Big Brother is watching you, bzw. der nächste 9.11 kommt bestimmt…


Die Comic-Vorlage:
von Thomas Dräger (für SF-Radio.net)

Comics verbinden viele Menschen mit der lustige Micky Maus, oder zumindest mit zeitvertreibenden Superheldengeschichten. "V wie Vendetta" ist weder lustig noch ein Zeitvertreib. Es ist ein Meisterwerk der Comic-Kunst und ein politisches Manifest. Vielleicht ist es auch mehr Letzteres und wird dadurch eben zu Ersterem. Klingt nicht ganz einfach? Ist es auch nicht. Besonders das Lesen macht eigentlich keinen Spaß. V will sicher auch keinen Spaß machen, dazu ist es einfach zu ernst.

Es handelt sich um eine postapokalyptische Vision eines Englands nach einem dritten Weltkrieg oder zumindest nach einer fast alles vernichtenden Explosion. Die wenigen Überlebenden versuchen das alte Leben zu führen, müssen sich aber den neuen Bedingungen anpassen. Verdorbene Ernte da die Felder überflutet wurden, der Zusammenbruch der Infrastruktur - das Ende der Welt wie wir sie kennen. Eine gewisse Sicherheit vor den plündernden Banden bieten Schutzvereine, aber nicht für lange. An Stelle der lokalen Zusammenschlüsse tritt schließlich ein England beherrschendes faschistisches Regime. Andersdenkende werden verfolgt und kaserniert. Es sieht sehr nach einer nur negativen Version des Deutschlands unter dem Dritten Reich aus. Nur negativ? „Es war ja nicht alles schlecht“ heißt aktuell in der realen Welt die Parole, da kommen Comics wie dieses vielleicht gerade recht.

In dem fiktiven England des Comics häufen sich plötzlich Morde an hochgestellten Funktionären der Partei. Und die Bombardierung eines Regierungsgebäudes wird von einem den Nachthimmel erhellenden Feuerwerk begleitet, das ein feuriges V an den Himmel malt.

Der Leser begleitet die sechzehnjährige Evey Hammond. Sie arbeitet in einer Munitionsfabrik, doch das Geld reicht nicht zum Leben. Also versucht sie ihren Körper zu verkaufen, gerät aber an einen Polizisten, der sie mit seinen Kollegen vergewaltigen will. Sie wird von einem Maskierten gerettet. Er steckt hinter den Morden und den Anschlägen. Aber warum begeht dieser Mann diese Terrorakte? Klar, das verraten wir hier natürlich nicht.

Formal ist der fast dreihundertseitige Band in drei Abschnitte unterteilt. Die ersten knapp hundert Seiten sind ordentliches Polit-Comic, recht vorhersehbar und tendenziös, aber Sprechblasen mit gewollt politischem Inhalt gibt es ja leider eher selten. Hier erkennt man die Intention sofort. Die Kritik an der alles erduldenden Gesellschaft, die sich eher gerne bevormunden lässt, ist nicht neu, aber leider immer wieder richtig. Dieses Kapitel werden leider nur die hartgesottenen Linken mit Genuss lesen können, der Rest der interessierten Comicfreunde könnten sich nach dem Ende von Teil eins schon von dieser Geschichte zurückziehen, wäre da nicht der Preis von 24 EURO gewesen. Wer so viel bezahlt hat (viel Geld aber sein Geld wert und V gab's auch schon teurer), möchte für sein Geld auch etwas geboten bekommen. Und das mit Recht, scheint sich auch Autor Alan Moore gedacht zu haben. Denn in Teil zwei wird er härter, reduziert sich auf die Befreiung von Evey und macht das in einer schonungslosen Weise. Hier wird Moore psychologisch und erbarmungslos. Kaum Blut und gar keine Gedärme, aber unter die Haut gehende Folter. Und ein kleiner Exkurs in die Philosophie. Wie schon in unsäglichen Kriegs- (von mir aus auch Anti-Kriegs-) Filmen ist es der Folterknecht, der in die Metaphysik abdriftet. Doch hier nicht nur um dem Voyeur die Zeit des Geniessens zu verlängern, sondern um grundsätzliche Fragen nach dem Selbstverständnis des eigenen Handelns zu erörtern. Heftig im Anspruch und auch nicht leicht zu lesen. Trotzdem voll empfehlenswert, denn an Gewalt kommt man in unserer Welt leider nicht vorbei. Dann doch lieber mit dem Zwang darüber nachzudenken als nur zur puren Zersteuung wie zum Beispiel in Prügelspielen.

In Teil drei bricht dann alles zusammen. Die faschistische Ordnung, die persönlichen Intrigen, die Welt im Allgemeinen und natürlich auch der Held. „This is the end my friend“ um es mit einem musikalischem Zitat zu sagen, von denen es etliche in diesem Comic gibt. Nach den letzten Seiten einer Geschichte ist man entweder gut unterhalten oder irgendwie in einem emotionalen Loch. Da Moore wohl nicht unterhalten wollte, bleibt nur noch die tiefe Depression im Herzen des fühlenden Leser zurück. So ist man fast dankbar um die beschwichtigenden und emotionslosenen Zeilen des Aufsatzes „Hinter der Maske“ in der Moore selber etwas zur Entstehungsgeschichte von "V für Vendetta" schreibt.

Über die Zeichnungen haben wir noch nicht viel gesagt. Sie sind zweckmäßig und englisch. Wie Schattenrisse, ohne Grautöne und schonungslos. Die Seitenaufteilung ist in klassischen Quadraten ohne Denkblasen und Soundwords. Schlicht und schnörkellos, scharf und gemein. Die nicht umrahmten Sprechblasen zerschneiden oft die Bilder und zerstören die Panels und machen einige Bilder nur schwer erkennbar. Ein weiteres treffendes Adjektiv ist noch düster.

Bei "V für Vendetta" haben zwei Meister ihre Vorhaben, ein verstörendes Stück politischen Comics zu produzieren, fast zu gut realisiert. Die Aussage ist vordergründig sehr platt und somit einer Vorverurteilung als billiges Pamphlet schutzlos ausgeliefert. Doch hinter der revolutionären Maske steckt eine die Person des Lesers angreifende Erzählung. Wichtig und gut, über die Wirksamkeit solcher eher nur von Gleichgesinnten konsumierter Unterhaltung lässt sich streiten. Ebenso politisch aber wesentlich hinterhältiger das oft verkannte DK2, welches unterhaltsamer daherkommt aber inhaltlich differenzierter das selbe Manko des Menschen anprangert: Die Bequemlichkeit.

Erschienen 11/2003
SPEED Comics im Verlag Thomas Tilsner, Bad Tölz
288 Seiten / EURO 24,-