James Bond: Black Box

Splitter, James Bond, Black Box
Benjamin Percy & Rapha Lobosco

Die dritte “James Bond” Miniserie – der Exkurs “Felix Leiter” ist absichtlich nicht mitgezählt worden – aus der Feder Benjamin Percys und mit den erstaunlich knalligen, an die sechziger Jahre erinnernden Zeichnungen Rapha Loboscos ist ein fast perfektes Verbindungsglied zwischen den klassischen Abenteuern inklusiv eines Hinweises auf „Dr. No“ mit seinen übernatürlichen Gegnern, welche mit ihren überdrehten Plänen, deren Ziel entweder die klassische Weltbeherrschung oder die Destabilisierung der inzwischen über ein Gleichgewicht des Schreckens der beiden Supermächte hinausgehenden Parität zwischen verschiedenen Nationen und einer modernen Interpretation des Mythos der Tötungsmaschine.

 Beginnend mit einem fehlgeschlagenen Attentat in den französischen Alpen – James Bond Ziel wird quasi vor seinem Fadenkreuz von jemand anders eliminiert – und endend unter einem der gefährlichsten Punkte der Welt zeichnet das Abenteuer ein hohes Tempo, eine visuell durch unterschiedliche Formate fast erdrückende Präsenz und schließlich den angesprochenen klassischen Plot aus. Nur ist die Bedrohung globaler. Im Zuge des digitalen Zeitalters ist eine Black Box mit geheimen Daten verschwunden. Mit diesen Daten werden alle Menschen in verantwortlichen Positionen erpressbar oder ihre Geheimnisse offensichtlich. Der britische Geheimdienst möchte diese Black Box haben. Die Spuren der Hacker führen nach Tokio, wo James Bond in „Casino Royale“ Manier seinem asiatischen Gegenspieler mit einer Visorbrille, die ihn kontinuierlich online bleiben lässt, an einem Spieltisch begegnet.

 Die Auflösung der ganzen Sequenz ist allerdings nur bedingt originell und bedient sich bekannter Actionelemente. Es ist nicht die einzige Kopie oder Hommage an Actionthriller wie zum Beispiel auch Michael Douglas „Black Rain“. Sehr nahe an den erkennbaren Originalen und doch um Eigenständigkeit bemüht schwächt Benjamin Percy sein James Bond Abenteuer teilweise unverständlich auf der wichtigsten inhaltlichen Ebene. Viele dieser visuell trotzdem ansprechenden, aber auch ein wenig zu einfach gestalteten Sequenzen gleichen Autor und Zeichner durch faszinierende Hintergründe wie den Wald der Selbstmörder oder das Finale an dem angesprochen tödlichsten Ort der Erde wieder aus. 

 An James Bond Seite und zumindest zu Beginn auch sein Rettungsengel, als er sich ein wenig naiv in die Höhle des Löwen begibt, ist eine junge attraktive und genauso mörderische Frau. Sie hat für eine Geheimorganisation des britischen Militärs die ganz schmutzigen Aufträge übernommen und gilt offiziell als tot. Sie ist auch die eiskalte Killerin in der Auftaktsequenz gewesen, die James Bond die schmutzige Arbeit abgenommen hat.

 Nicht nur das gegenseitige Belauern, aber auch Helfen trotz unterschiedlicher Ziele zieht sich wie ein roter Faden durch die insgesamt sechs Comichefte, welche der Splitterverlag wieder in einem attraktiven Hardcover zusammengefasst hat. Es geht um Masken und Scheinidentitäten, den Unterschied zwischen äußerlichen Narben und einer stoischen, folgsamen Art im Inneren. Es geht wie im Internet um Schein und Sein. Benjamin Percy konzentriert sich dabei auf Kleinigkeiten, welche sich kontinuierlich zu einem vielschichtigen, wie es sich aber auch für Asien gehört im Grunde undurchsichtigen Bild zusammensetzen. Da wäre die überdimensionale Killer, der gerne aus den Gesichtern seiner Opfer Totenmasken macht und diese auch bei seinen Aufträgen trägt. Erstaunlich ist, dass diese skurrile Überfigur sowohl von Bond als auch dem blonden Engel an seiner Seite mehrfach auf die leichte Schulter genommen wird. Ohne diesen kontinuierlichen Hang zum Leichtsinn hätten sie es leichter gehabt, den inzwischen zu einem Selbstläufer gewordenen Auftrag auszuführen.

 Um Gesicht wahren geht es auch in mehrfacher Hinsicht beim Oberschurken. Eine virtuelle Superbrille gleicht dessen fortschreitende Blindheit aus. Sie dient als sein zweites Gesicht. Die Ehre seiner japanischen Familie muss auch wieder hergestellt werden. Und schließlich handelt es vor allem auf eine interessante, globale Art und Weise mit Informationen, welche die Betroffenen am Liebsten unter den Teppich kehren, um ihr Gesicht zu wahren. Es ist keine Überraschung, dass Benjamin Percy während des finalen Showdowns schließlich pragmatisch agiert. James Bond schaltet wie zu erwarten den Handlanger des Schurken auf die einzige nachvollziehbare Art und Weise aus. Der Schurke muss vor seinem unvermeintlichen Ende der Geisel einen Vortrag über seine Pläne halten, den James Bond im Hintergrund pointiert wie treffend kommentiert.

 Noch eine weitere bekannte Figur ist interessant.  Felix Leiter. Bei seiner Zeichnung greifen Benjamin Percy und Rapha Lobosco auf Elemente zurück, die James Robinson in seiner Miniserie „Felix Leiter“ aus der einen Perspektive definiert, aus einer globaleren Sicht aber auch negiert hat. Felix Leiter arbeitet anscheinend wieder für die CIA. Nicht alleine, wie das tragische brutale, aber auch visuell einzigartig gezeigte Ende seines jungen Kollegen zeigt. Das die Interessen der CIA nicht mehr mit dem britischen Geheimdienst im Allgemeinen und James Bond im Besonderen in einem Zusammenhang stehen, zeigen die vielen kleinen Tricks, mit denen sich Leiter und Bond immer wieder hereinlegen. Sie haben aber nicht mehr das kameradschaftliche Foppen eines Paul Newman  oder Robert Redford in Filmen wie „Der Clou“, sondern unterschwellig wird ein dunkler Tom impliziert. Ihren jeweiligen Chefs verpflichtet stellen sie die nationalen Interessen über ihre langjährige Kameradschaft/ Freundschaft. Vor allem Amerikas Geheimdienst scheint keine Verbündeten mehr zu kennen.  

 So ist das Ende des Abenteuers auch kein Durchschlagen des gordischen Knotens, ein Handschlag von zeitweiligen Kontrahenten, sondern ein ironisch übersteigerter Pyrrhussieg und vielleicht das Ende der von Beginn dieses Sechsteiler an brüchigen Freundschaft.

 Nicht nur durch die neue digitale Bedrohung, die allerdings hinsichtlich ihrer Komplexität und globalen Wirkung wie eine Art „MacGuffin“ erscheint und zu wenig nachhaltig extrapoliert worden ist, zeigt, dass James Bond in der Gegenwart angekommen ist. Auch die Nachrüstung des Agenten mit der Lizenz zu Töten im direkten Vergleich zur ehemaligen Agentin mit der Entschlossenheit, Killer auszuschalten und damit auch Brief/ Siegel James Bond Aufgaben ohne Missionsprotokoll zu übernehmen, ist modern wie archaisch zu gleich. Eine fahrende Waffenstation, ein neuer Wagen nicht mehr mit kugelsicherer Verkleidung, aber Maschinengewehren, ein Allzweckspielzeug am Handgelenk und ein Handy, das zu einem eigenen Datenmagneten wird, zeigen, das die Zeit der Agentenabenteuer im Grunde vorbei ist. Die Männer mit oder ohne Uniform werden in erster Linie nur noch benötigt, um hinter den digitalen Kriegern aufzuräumen und die groben Spuren zu beseitigen.

 Zusammengefasst ist „Black Box“ ein wie eingangs erwähnt stringentes James Bond Abenteuer aus klassischen, vielleicht auch ein wenig klischeehaften Wurzeln zusammengesetzt und mit einem hohen Tempo erzählt. Dieser James Bond scheint über seine Aufgaben, seine Emotionslosigkeit und vor allem seine fast auf das Niveau einer Maschine herunter strukturierte Vorgehensweise nachzudenken. Aber viele dieser Ansätze bleiben an der Oberfläche.

 Interessant ist, dass James Bond zum erfolgreichen Abschluss seiner Mission nicht nur Hilfe braucht, sondern auch hilft. In einem sehr engen Rahmen ist Benjamin Percys Agent mit der Lizenz zum Töten zu einem dualen Player, aber keinem Teamplayer geworden. Ein erster Schritt, um die Abenteuer entgegen der bisherigen Leitplanken, „realistischer“ und weniger egoistisch fokussiert erzählen zu können.   

 Rapha Loboscos eindrucksvoller, aber auch ein wenig selbst verliebter Zeichenstil mit den angesprochenen grellen, nicht realistischen Farbtönen und seinem Hang, aus der Struktur eines James Bond Abenteuers immer wieder ein Comic mit verschobenen Perspektiven, überzogener Mimik und schwereloser Action zu machen übertüncht einige James Bond Fans zu sehr vertraute Versatzstücke, wobei die Grundidee ausgesprochen modern erscheint und die Ausführung liebevoll humorlos und mit nur wenigen Augenzwinkern nostalgisch angehaucht erscheint. 

 

  • Gebundene Ausgabe: 152 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1., (6. Dezember 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3962190619
  • ISBN-13: 978-3962190613
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