Die Weissagung des Drachen

Regina Schleheck

Parallel zu der längeren Novelle „Die Weissagung der Drachen“ veröffentlichte Michael Haitels p.machinery auch Regina Schlehecks Miniaturensammlung „Wenn Drachen Sachen machen“, die insgesamt 28 Kurzgeschichten oder besser Märchen enthält. Das Themenspektrum ist breiter als bei der hier vorliegenden Geschichte, aber beide Bände ergänzen sich auch zu einer interessanten, im Gewand von alten Sagen verkleideten modernen Story.

 Der 1959 in Wuppertal geborene Regina Schleheck studierte Germanistik, Sozial- und Sportwissenschaften auf Lehramt in Aachen. Sie arbeitete als Lehrerin in Köln und Leverkusen. Seit 1999 schreibt sie überwiegend Kurzgeschichten, Hörspiele, aber auch Drehbücher und Theaterstücke. Sie gehört der Gruppe der Mörderischen Schwestern an und dem Phantastik-Autoren-Netzwerk PAN.

 „Die Weissagung der Drachen“ hat sie als Märchenerzählung untertitelt. Dabei nutzt sie allerdings eine Reihe von klassischen Motiven der Fantasy. Viele dem Leser vertraute Themen ziehen sich durch diese knapp mehr als einhundert Seiten umfassende Geschichte. Es zeugt von Autorenmut, bestimmte Versatzstücke aufzunehmen und geschickt zu verfremden, zu modernisieren. Durch die Vielzahl der verwendeten Ideen immer auf Augenhöhe der Leser springt diese Vertrautheit mit dem zugrunde liegenden Stoff nicht gleich ins Auge. Die Geschichte wächst dem Leser allerdings vor allem über die Protagonisten ans Herz. Eine Stärke, die nur wenige Fantasy Geschichten ihr Eigen nennen können.

 Die Mutter der beiden „Helden“ wird zusammen mit ihrer kleinen Tochter von Affen entführt. Bis dahin lebte sie in einem kleinen Dorf an einer namenlosen Küste. In der Gemeinschaft der Affen stößt sie auf einen Jungen, ein Baby. Die Anspielung auf Tarzan wird nicht weiter extrapoliert, da die Mutter schließlich mit den beiden Kindern durch eine eher amphibisch wirkende Menschenrasse lebt. Lovecraft könnte grüßen.

 Den Kindern gelingt irgendwann die Flucht und in einer Höhe stoßen sie auf einen schwer verletzten Drachen. Durch ihn erfährt das Mädchen zumindest von dem Dorf, aus dem sie mit ihrer Mutter entführt wird. Gleichzeitig erhalten sie allerdings auch eine Prophezeiung mit auf den Weg. Sie werden irgendwann in der näheren Zukunft ein Volk retten. Damit erfüllt die Autorin relativ früh den Titel der Geschichte.

 Nach der spektakulären Befreiung der Muter machen sich die beiden Jugendlichen an die Erfüllung der Prophezeiung. Auch hier schlägt Regina Schleheck einen weiten, aber für den Leser immer nachvollziehbaren Bogen zum Untergang von Atlantis und den Verantwortlichen.

 Positiv besticht das schon angesprochene hohe Tempo der Geschichte. Regina Schleheck setzt den Handlungsstein auf das Startfeld und lässt ihn mit einem immer höheren Tempo den imaginären Berg der Phantasie mit umgekehrter Bedeutung herunterrollen. Vertraute Motive kann der Leser nicht selten erst erkennen, wenn die jeweiligen Szenarien vorbei sind. Das Problem bei diesem Tempomachen ist der Hintergrund. Hier agiert die Autorin manchmal sehr spärlich und scheint nur handlungstechnisch von einem Höhepunkt zum Nächsten springen zu wollen. Eine überzeugende Atmosphäre und vor allem Bilder dieser vielschichtigen Welt entwickelt sie nicht. Darunter leidet schließlich auch die Gesamtkonzeption der Geschichte. Weniger Action wäre mehr gewesen. Oder andersherum, ein besseres Timing und vor allem auch einige Ruhephasen, um dem Leser nicht nur die Möglichkeit zu geben, Luft zu holen, sondern sich mit der eigenen Welt auseinanderzusetzen, hätten der Geschichte ausgesprochen gut getan. Aus einer gewissen Distanz zur Lektüre wirkt „Die Weissagung der Drachen“ eher unter Druck niedergeschrieben und ideentechnisch eigenständig ein wenig zu karg. Gegen Ende entwickelt die Autorin über das Szenario hinaus weitere Ideen und durchaus auch moderne Ansätze, aber bei dieser Geschichte wäre deutlich mehr Fleisch an den Knochen gut gewesen.

 So konzentriert sie sich auf die Zeichnung der beiden jugendlichen Protagonistin. Alle die Mutter wirkt noch ein wenig dreidimensionaler, auch wenn Regina Schleheck auf einige Klischees zurückgreift. Es ist eine klassische, vielleicht stellenweise auch klischeehafte „Coming of Age“ Geschichte, die zahlreiche Motive der Jugendbuchliteratur wie das Über-sich-Hinauswachsen und den Druck einer ambivalent geäußerten Prophezeiung zu einem Garn zusammen flechtet. Moderne Ansätze wie Emanzipation und vor allem gegenseitige Verantwortung über die eigene Familie hinaus werden angesprochen, positiv bejaht, aber abschließend als gegeben angenommen, damit der Plot weiter zum nächsten Höhepunkt eilen kann.

 Am Ende der Schnitzeljagd präsentiert die Autorin ein zufrieden stellendes Ende und flüchtet sich nicht in die Fortsetzungsmanier. Der Leser kann die Entscheidungen der lange Zeit nur reagierenden jugendlichen Protagonisten nachvollziehen, auch wenn ihnen das enge Korsett der Handlung nur wenig Entscheidungsfreiheit und vor allem die Suche nach originellen Lösungen zugesteht. Der Roman liest sich wie mehrfach erwähnt aufgrund seiner Kürze flott bis hektisch. Neue Ideen führt die Autorin nicht dem Genre zu, aber „Die Weissagung des Drachen“ ist für Fantasyneulinge eine interessante und vor allem auch leicht zu goutierende Lektüre, in welcher auf nicht einmal einhundert Seiten der Bogen von dem angesprochen Tarzan Epigonen bis zu zahlreichen Legenden um den Untergang von Atlantis geschlagen wird. Und Drachen kommen auch in dieser Geschichte vor.              

DIE WEISSAGUNG DES DRACHEN (AdR - Außer der Reihe)

  • Herausgeber ‏ : ‎ p.machinery; 1. Edition (14. Juli 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 112 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3957652928
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3957652928
  • Lesealter ‏ : ‎ Ab 12 Jahren
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