Dr. Who "Der kriechende Schrecken"

Mike Tucker

Mit „Der kriechende Schrecken“ legt der Cross Cult Verlag einen Roman um den zwölften Doctor vor, wobei aufgrund der Handlungsführung und dieses klassischen Szenarios eigentliche jede der Inkarnationen einspringen könnte. Mike Tucker hat in den alten Zeiten von 1985 bis 1989 als Visual Effects Assistent an der Serie mitgearbeitet. Bei den neuen Staffel agierte er als Model Unit Supervisor. Als Autor ist er vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Robert Perry bekannt geworden.

 „Der kriechende Schrecken“ ist ein ausgesprochen stringenter Roman, der wahrscheinlich aufgrund der effektiven, sehr cineastischen Ausnutzung von Schrecken durch Monster, ein Geheimnis aus der Vergangenheit und eine fast gänzlich Fokussierung auf den Doctor als Drehbuch sehr gut funktioniert hätte. Im Vergleich dazu ist es für einen Roman sehr viel wichtiger, die einzelnen Figuren nuancierter und dreidimensionaler zu charakterisieren – auch wenn sie durch die Fernsehserie als bekannt vorausgesetzt werden sollten – und die Handlung vielschichtiger, intensiver und vor allem auch origineller aufzubauen. Der Leser ist nicht unbedingt vor dem Doctor im Bilde, es spielt keine Rolle. Auffallend ist, dass Mike Tucker durch Clara akzeptiert, dass der Doctor seine Inkarnation gewechselt hat. Zu Beginn macht Clara mit ihrer offenherzigen und offenen Art deutlich, dass sie die letzte Inkarnation deutlich lieber mochte als den von Peter Capaldi dargestellten Doctor. Er ist weniger exzentrisch und vor allem deutlich humorloser. Anstatt aber aus dieser Idee etwas zu machen und die Zusammenarbeit der Beiden vor individuelle Zerreißproben zu stellen. Stattdessen bleibt es bei einigen anfänglichen Erklärungen durch die gestörten Leylinien, welche die TARDIS zur Erde irgendwo zwischen den siebziger und neunziger Jahren lenken. Ob es sich dabei um einen Zufall handelt, denn es die Zeit, in welche Mike Tucker das erste Mal an der Serie mitgearbeitet hat, kann nicht eruiert werden. Aber bis auf diese Differenzen zwischen diesem Doctor und seiner jungen Begleiterin, die eher opportunistisch und nicht als nachhaltiger Bestandteil des Plots eingesetzt werden, folgt der Handlungsbogen den bekannten und leider auch stellenweise stereotypen Mustern vor allem der alten Serie.

Es hilft auch nicht, dass Mike Tucker einige der Nebenfiguren solide ausgearbeitet hat. Passend zu den achtziger Jahren, in denen die Schurken auch reihenweise in James Bond Manier ihrem nicht immer ewiglichen Schicksal überlassen worden sind, ist der Doctor auch bereit, jemanden in die Ewigkeit auf einer Reise ohne Wiederkehr zu entsenden. Die restlichen Figuren sind in erster Linie typische englische Landbewohner, die störrisch liebenswert, ein wenig distanziert und doch hilfsbereit ihre kleinen Gemeinschaften gegen den potentiell großstädterischen Einfluss verteidigen. Da sie gegen eine solche Gefahr im Grunde machtlos sind, steht auf einem anderen Blatt.

Um diese Gefahr zu manifestieren, spielt der Autor mit der bei vielen Menschen ureigenen Angst vor Insekten. Vor allem überdimensionalen Insekten. Der Plot beginnt mit einer so typischen, aber auch effektiv geschriebenen Szenen, in denen die Charaktere wie auch der Leser zum ersten Mal dieser außer Kontrolle geratenen Natur begegnen. Dabei ist der Tunnel mit dem riesigen Spinnennetz und dem ausgesaugten Mann auch ein Klischee des Horrorgenres, das seit den fünfziger Jahren immer wieder gerne genommen wird. Auch viele SF Filme der Atomparanoiaära haben ja mit allen möglichen riesigen Insekten von Ameisen bis zu Tarantula gespielt. Neu sind in diesem Roman gigantische Weberknechte und schließlich auch Mücken. Mike Tucker gelingt es allerdings unabhängig von den vorhandenen Klischees diese Bedrohungen plastisch zu beschreiben, in dem er die ganze Tastatur des Schreckens spielt und immer wieder eine bedrohliche, sogar effektiv aufgelöste Atmosphäre erschafft. Vieles wirkt dabei eher mechanisch als emotional herausgearbeitet, aber mit ein wenig Phantasie kann sich der Leser sehr gut vorstellen, wie diese natürlich in der Nacht und im Dunkeln spielenden Szenen auf den heimischen Bildschirmen der vordigitalen Ära  gewirkt hätten.

 Die Ursachen dieser tierischen Anomalien liegen in einem seltsamen, nahe dem Dorf gelegenen Steinkreis. Aber hier schlägt Tucker den Bogen bis in das Jahr 1944 und verschiedenen sowohl auf deutscher wie auch britischer Seite durchgeführten Experimente mit den ultimativen Waffen. Diesen Handlungsaspekt braucht die Folge auch, um auf mystische Auflösungen wie bei einigen anderen modernen Serien zu verzichten und zumindest eine latent technokratische und damit auch leichter zu bekämpfende Ursache zu entwickeln. Mit dieser Vorgehensweise folgt Tucker ebenfalls den achtziger Jahren, in denen sich „Dr. Who“ mehr und mehr zu einer „Monster-der-Woche“ Serie für ein jugendliches Publikum entwickelt hat. Es ist schade, dass der Autor diese Prämissen nicht weiter extrapoliert und vor allem einige neue Ideen hinzugefügt hat. Selbst die Suche nach der Geheimwaffe läuft relativ stringent und ohne große Überraschungen ab. Der Doctor verfügt aus dem Nichts heraus über das entsprechende Wissen. Da helfen auch einige Hinweise auf seine Begegnung mit Churchill nicht sonderlich weiter. Ein effektives Ende schließt einen ausgesprochen geradlinigen „Dr. Who“ Roman ab, der viele gegenwärtige Fans der Serie angesichts der dortigen sehr interessanten Entwicklungen eher befremdlich zurücklässt. So bleibt auch die Frage offen, warum plötzlich ein Fuchs sich wie ein Wolf verhält inklusiv des entsprechenden Heulens, während Mike Tucker und auch die Übersetzerin Susanne Döpke bis auf den Namen einen Wolf beschreiben. Ein guter Autor hätte entweder besser recherchiert oder diese bizarre Idee als Sprungbrett für weitere Ideen genommen. Im vorliegenden Buch bleibt der Leser eher negativ überrascht zurück.

 Zusammengefasst gehört „Der kriechende Schrecken“ zu den schwächsten Romanen der bisher im Cross Cult veröffentlichten Reihe.  Zu einfach, zu durchschaubar und vor allem auf der emotional charakterlichen Ebene viel zu distanziert angelegt.   

 

 

 

  • Broschiert: 261 Seiten
  • Verlag: Cross Cult; Auflage: 1 (8. Februar 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3864258049
  • ISBN-13: 978-3864258046