Clarkesworld 117

Neil Carke

Herausgeber Neil Clarke spricht in seinem Vorwort von der Notwendigkeit, Vorwörter bzw. auch Rezensionen schreiben zu müssen, obwohl er lieber in den Geschichten blättert. Es ist ies zweite sehr seichte Einführung nacheinander. Das Interview von Chris Urie mit dem Fantasy Autoren Guy Gavriel Kay ist nur streckenweise interessant. Der Fragesteller nimmt zu wenig die roten Fäden auf, so dass das grundsätzlich zu kurze Gespräch auch unrund erscheint. Alethea Kontis spricht über die Herausforderungen, Schwierigkeiten, aber auch die Erfolge des Publizierens in ihrem sehr trocknen und viel zu plakativen Essay. Auch der wissenschaftliche Beitrag von Matthew Simmons hinsichtlich der Chancen und wenigen Risiken in der Biom Forschung  erschlägt ein zu breites Feld allerdings sehr detailliert und mit gut verständlich präsentierten Fakten angesät.

Der längere der beiden Nachdrucke ist Nancy Kress Novelle "Pathways".  Nancy Kress bemüht sich unabhängig von einem starken Hang, zu viele im Grunde nebensächliche Informationen in den Plot zu packen, um einen medizinisch realistischen Hintergrund. Die junge Protagonistin leidet an einer in der Familie mehrfach vorhandenen Schlafstörung. Mediziner bieten ihr in Form eines medizinischen Experiments eine kleine Art Kontrolleinheit an, die ins Gehrin eingesetzt, die Störung ausgleicht. Natürlich stellt sich unwillkürlich die Frage, wo die medizinische Versorgung und damit auch eine direkte Hilfe aufhören und die mögliche Manipulation beginnt. Dank des sehr gut herausgearbeiteten familiären Hintergrunds umschifft Nancy Kress mögliche Klischees wie in "Flowers for Algernon" auf der emotionalen Ebene. Sie arbeitet auch den entsprechenden Punkt ambivalent heraus. Beide Seiten können ihre Argumente bringen und am Ende steht der Leser zusammen mit der dreidimensional gezeichneten Protagonisten vor einer schweren, aber auch nicht unmöglichen Entscheidung. 

Im zweiten Nachdruck versucht Michael Flynn einen amoralischen Charakter zu zeichnen, der aber einschränkend die Grundbegriffe nicht gelernt hat. An seine Seite wird ein ambivalenter Wächter gestellt.  In erster Linie wird in dieser Fantasy Geschichte die schwindende Magie nicht nur für die sozialen Veränderungen, sondern die Charakterzüge verantwortlich gemacht. Auch wenn Michael Flynn seine Story mit einem Paukenschlag enden lässt und bis dahin glaubwürdige, nicht tragische Charaktere erschaffen hat, will der Funke nicht gänzlich zufriedenstellend überspringen. 

Sam Millers "Things with Beards"  ist einer der für diese Ausgabe mit der Horrorthematik und der Idee, John Carpenters "The Thing" indirekt fortzusetzenden eher untypischen Kurzgeschichten. Während der emotionale im Hintergrund ablaufende Plot sehr gut gestaltet ist und das "Monster" ohne Frage eine Metapher für das beginnende AIDS Virus zu sein scheint, wirken der zweite Handlungsbogen mit den Aktionen gegen die Polizei genauso wenig überzeugend herausgearbeitet wie die Position der Protagonisten, der mit einer schwarzen Mutter bei den Weißen nicht weiter auffällt. Sam Miller konzentriert sich fast ausschließlich auf das zynische, aber passende Ende und verschenkt im Mittelteil zu viel, um abschließend überzeugen zu können.  Vor allem weil die Grausamkeit der AIDS Krankheit vielleicht durch die in Millers Story im Horrorbereich liegenden Ursprünge zu stark verzerrt wird.

Zu den stärksten Arbeiten gehört ohne Frage "And then, One Day, the Air was Full of Voices" von Margaret Ronald. Die Protagonistin interpretiert seit mehr als dreißig Jahren außerirdische Signale. Die letzte Sendung zeigt überdeutlich auf, dass diese Kontaktaufnahme auch eine Warnung nicht vor den bösen Außerirdischen ist, sondern dem Zerfall einer hochstehenden Zivilisation von ihnen heraus. Die Autorin hat die immer intensiver werdende Dringlichkeit der Signale der familiären Situation zwischen Dr. Kostia und ihrem Sohn Wallace gegenüber gestellt.  Ihr andere Sohn Randall agiert dabei als Stimme der Vernunft, der die Mutter vor einem zu großen Einfluss der Sendungen auf Wallace zu warnen sucht.  Dabei geht die Autorin keine echte Position ein und zeigt die Wecshelwirkungen dieser immer dunkler werdenden Botschaften erstaunlich neutral. Der Leser soll und muss sich selbst Gedanken hinsichtlich der Entwicklung der Zivilisation machen, so dass am Ende das bittersüße Ende deutlich intensiver erscheint als es wahrscheinlich ursprünglich geplant worden ist.  Es ist die Hilflosigkeit der Menschen gegenüber diesem Untergangsszenario, das an die aus den Fugen geratene Welt der Gegenwart erinnert, in welcher bei jeder Katastrophe alle Zuschauer zu Voyeuren werden.

Dagegen ist ".identity" von Catherine Tobler eine der schwächsten Storys der ganzen Ausgabe.  Die Grundidee, das ein Chefingenieur in Zusammenarbeit mit der künstlichen Intelligenz eines sich auf einer Mission in die Tiefen des Alls befindlichen Raumschiffs eine durch einen Virus infizierte zweite künstliche Intelligenz wieder beleben wollen. Leider versucht die Autorin jeglichen technischen Fortschritt als eine Art unerklärbare und damit auch unerklärliche Magie darzustellen, so dass der Leser förmlich wieder aus der Geschichte getrieben wird. Ein Komet, der ebenfalls ohne weitere Hinweise, das Raumschiff begleitet, wird nur als eine Art Füllmaterial betrachtet, während die böse künstliche Intelligenz das Raumschiff zerstören will. Dass es dabei sich selbst "umbringt", wird nur am Rande diskutiert. Je weitere die Geschichte fortschreitet, desto umständlicher werden die Erläuterungen, so dass der Leser am Ende eher verwirrt als unterhalten zurückbleibt.  

Zhang Rans Novelle - mit zwanzigtausend Wörtern auch die längste Geschichte der Ausgabe - "The Snow of Jinyang" kommt mit einer historischen Einführung vor allem für die westlichen Leser. Es ist eine dieser typischen phantastischen Geschichten, die lange Zeit progressiv erscheinen und dann auf den letzten Seiten abbiegen und alles wieder relativieren. Ohne die zugrundeliegende Pointe zu verraten entwickelt Ran vor dem geschichtlich anscheinend authentischen Szenario eine kurzweilige Idee. Es geht um die sehr lange Belagerung und schließlich Eroberung/ Zerstörung der Stadt Jinyang im Jahre 979 vor Christi. Der Protagonist Zhu Dagun hat eine im Grunde unmögliche Aufgabe. Er soll den Prinzen Lu des East City Instituts überzeugen, entweder den Verrätern beizutreten, welche eine bedingungslose Kapitulation anstreben oder Dagun soll ihn ermorden. Anscheinend ist der Prinz Lu aber nicht das, was er vorgibt. Aus dem Nichts eher als Bettler gekommen ist er dank einiger spektakulärer Erfindungen politisch aufgestiegen. Die Erfindungen wird der Leser umgehend erkennen, sie machen aber nicht unbedingt historisch wirklich abschließend Sinn, zumal die Grundlagen eher spekulativ entwickelt als technisch extrapoliert worden sind.   Der Autor zollt der Geschichte ausreichend Respekt. Die Charaktere sind sehr gut entwickelt und die Brutalität der Ära eindrucksvoll, ohne in den Bereich des Sadismus abzugleiten beschrieben worden. 

 Während die Nachdrucke dieses Mal weniger überzeugen können, zeigt die thematische Bandbreite der vier aktuellen Kurzgeschichten das Potential, das noch in Storys oder Novellen liegt. Neil Clarke spricht ja in seinem Vorwort davon, dass die Leser die Kurzgeschichte als Erzählform hecken und pflegen müssen. Die vorliegende "Clarkesworld" Nummer beginnend mit dem optisch schönen Titelbild ist Anlass genug.

 

 

 

 

 

 

 

www.clarkesworldmagazine.com

E- Book, 160 Seiten