The Girl with the Deep Blue Eyes

Lawrence Block

“The Girl with deep blue Eyes”  ist ein neuer von Lawrence Block geschriebener Thriller, der wie einige andere seiner Arbeiten – siehe “Steaming Off” – Sex/ Crime und einen dem Film Noir entsprechenden Plot miteinander verbindet. Dabei ist der Autor sich seiner Wurzeln durchaus bewusst, denn sein ambivalenter Held schaut sich immer wieder auf Turner Classic Movies Streifen wie „The Postman rings twice“ und vor allem „Double Indemnity“ an.  Je länger er die alten Filme sich anzieht, desto mehr wird ihm bewusst, dass er in eine vergleichbare Situation geschlittert ist. Aber lakonisch bis zynisch stellen die Figuren am leider zu abrupten Ende fest, dass sie nicht wie in einem Film agieren, sondern ihr Leben meistern müssen. Diese offenherzige, aber auch ehrliche Bemerkung schließt einen anfänglich sich eher in Richtung Sexphantasien eines alten Mannes orientierenden Romans zufriedenstellend ab. 

Sein Protagonist Doak Miller ist ein ehemaliger Polizist. 25 Jahre hat er in New York Dienst gemacht. Nicht immer glänzend. Eine Rückblende zeigt, dass er einen Frauenschläger, der ihn provoziert hat, eiskalt erschossen hat.  Mit der Scheidung hat er erkannt, dass Big Apple keine Zukunft für ihn mehr hat. Er ist nach Florida gezogen und hat dort eine Privatdetektiv Lizenz beantragt. Ab und zu arbeitet er für den örtlichen Sheriff, wenn er Geld braucht. In der erotisch graphischen Szene hat er seine Maklerin, die ihm das Haus verkauft hat, gleich ins Bett geschleift und „echten“ Analsex mit ihr praktiziert. Obwohl sie verheiratet ist, will sie unbedingt ein Verhältnis mit diesem Übermann haben.  Diese Mischung aus einem starken Trieb und einer verschlagenen Intelligenz wird sich durch den Roman ziehen.

Sex und Gewalt sind immer untrennbar miteinander verbunden. Interessant ist, dass sich Sex in zwei Formen äußert. Zum einen die verschiedenen Verhältnisse, die Doak Miller absichtlich nebeneinander unterhält. Einige Frauen wissen von ihren potentiellen Nebenbuhlerinnen und wollen absichtlich echte oder erfundene erotische Geschichten hören. Höhepunkt je nach Geschmack ist der Sex mit einer schwangeren Frau, den Lawrence Block fast unangenehm detailliert beschreibt. Aber diese erotische Bande sind auch für den Kriminalfall wichtig, der sich wie eingangs erwähnt an James M. Cains „The Postman rings Twice“ orientiert und doch aufgrund des vorhandenen Wissens auch anders entwickelt.   

Der Sherif hat einen besonders heiklen „Fall“ für ihn. Eine reiche Ehefrau – inzwischen jobbt sie auch wieder in ihrer alten Animierbar, obwohl sie weiterhin mit ihrem Mann verheiratet ist – sucht einen Killer. Ihr Ziel ist es, nach dessen Vermögen zu greifen. Lawrence Block macht dieses Motiv unabhängig von einer unangenehmen Vergewaltigungsszene in ihrer Vergangenheit so offensichtlich, dass das Ausgangsszenario des angesprochenen Film Noir Streifens im Grunde negiert wird. Der Sherif möchte verhindern, dass sie auf einen wirklichen Killer trifft und schickt im Gegensatz zu seinen ortsbekannten Deputies Miller. Er soll das Gespräch aufzeichnen, so dass man die Ehefrau belangen kann. Die große Überraschung ist, dass das Gespräch ganz anders verläuft als erwartet und der Sherif beruhigt sein kann. 

Es ist auch der Augenblick, in dem Lawrence Block zum ersten Mal den Leser im Regen stehen lässt und eine ausführlich beschriebene Szene als Fiktion entlarvt. Ohne in die Details zu gehen beginnt sich Miller für die attraktive Frau und ihre Geschichte zu interessieren.     

Doak Miller ist dabei kein klassischer Verlierer, der wie die meisten Film Noir Antihelden von Ängsten oder wirtschaftlichem Druck getrieben oder wie der Hardboiled Detektiv in einem Fall ermittelt, in dem er nur verlieren kann. Finanziell nicht unbedingt auf Rosen gebettet, aber zumindest wirtschaftlich solide ist eher der Trieb, der Nervenkitzel die Herausforderung. Er lässt sich nicht nur mit der attraktiven und wie alle weiblichen Charaktere sexuell sehr erfahrenen, experimentierfreudigen Frau ein, er sucht eine perfekte Lösung für ihrer beider Probleme. Er weiß, dass er im Grunde kaum eine Chance hat, diesen Coup perfekt zu inszenieren. Immer wieder zieht Block auch Vergleich zu einem der dunkelsten Film Noir Streifen „D.O.A.“, in dem ja der sterbende Protagonist von dem Mord an sich selbst der Polizei und damit stellvertretend auch dem Zuschauer berichtet.  Miller hat Gewissensbisse. Auf der anderen Seite arrangiert er das im Mittelpunkt stehende, aber von Lawrence Block fast zu stark ans Ende des Romans geschobene perfekte Verbrechen mit einer Detailbesessenheit, die an eine Obsession erinnert. Miller ist kein sympathischer Charakter. Selbst bei den Rückblicken auf seine Vergangenheit als Polizist bleiben sehr viele Fragen offen. Er hat nur bedingt ein schlechtes Gewissen, wobei der Autor diese Tür auch im Vergleich zu den Film Noirs unnötig geöffnet hat. Ohne dieses potentielle zusätzliche Motiv wäre der vorliegende Roman noch dunkler, noch zynischer und nihilistischer erschienen.

Auf der anderen Seite wirken die Frauen zu frustriert von ihren Männern. Sowohl die Maklerin als Sexbombe wie auch die reiche Ehefrau, die als Voyeurin Miller alle erotische Geschichten abnimmt oder die frustrierte schwangere Mutter erscheinen ein wenig zu eindimensional gezeichnet. Sie geben immer die richtigen Signale und warten auf den eher „harten“ ohne in sadomasochistische Bereiche abschweifenden Sex, den anscheinend nur ein ehemaliger Polizist anbieten kann. Über den ganzen Roman verteilt ermüdet diese Häufung von reinen erotischen Beschreibungen interessanterweise nicht nur den Leser, sondern auch verbal den Protagonisten. Sie dienen nicht als reines Füllmaterial, obwohl die zugrundeliegende Krimihandlung kritisch besprochen auch reichlich dünn erscheint, aber als Motivation der beiden wichtigsten Charaktere wirken ihre Vorgehensweisen auch zu pragmatisch herausgearbeitet als fundamental bis ins Letzte geplant.   

Alleine die Kleinstadtatmosphäre im Gegensatz zu den einsamen Großstädten, in denen die meisten Film Noirs spielen, baut zusätzliche Spannung auf, da jeder jeden förmlich kennt und normalerweise die Art des Verbrechens aufgrund der Vorgeschichte auffallen sollte. Aber auch für diesen Punkt hat Lawrence Block mit dem zu offenen Ende eine eher profane als nachhaltig überzeugende Antwort parat, so dass „The Girl with the deep blue Eyes“ nicht unbedingt zu seinen besten Arbeiten gezählt werden muss, aber für einen Mann mit mehr als einhundert Romanveröffentlichungen und eine schriftstellerischen Karriere, die über fünfzig Jahre umfasst, immer noch einen starken und kurzweilig zu lesenden Roman darstellt, der die Wurzeln des Film Noirs aufnimmt, ein wenig der Gegenwart anpasst und trotzdem beim Verbrechen zu den Urmotiven Hass und Gier zurückkehrt.

Das extra für die Hardcase Ausgabe angefertigte Titelbild ist ohne Frage ein Augenfänger und gehört eher in die fünfziger/ sechziger Jahre, in denen Lawrence Block mit einer Vielzahl von Romanen sein Publikum immer wieder provozierte wie unterhielt.   

 

  • Hardcover: 240 pages
  • Publisher: Hard Case Crime; First Edition edition (September 22, 2015)
  • Language: English
  • ISBN-10: 1783297506
  • ISBN-13: 978-1783297504
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