The Pearl Harbor Murders

Max Allan Collins

“The Pearl Harbor Murders” ist der dritte Band der “Desaster” Serie aus der Feder Max Allan Collins. Nicht jeder der insgesamt sechs Romane bezieht sich auf eine einzelne Katastrophe. Der fünfte Band wird während der deutschen Luftangriffe auf London spielen, der sechste und abschließende Roman greift die Hysterie nach der Ausstrahlung von Orson Welles „War of the Worlds“ auf.

Auch in einer anderen Hinsicht unterscheidet sich der vorliegende Roman von seinen Vorgängern. Zum ersten Mal steht nicht ein Kriminalschriftsteller im Mittelpunkt des Geschehens, sondern mit Edgar Rice Burroughs der Vater von „Tarzan“. In seinem Nachwort weißt Max Allan Collins zwar darauf hin, dass Burroughs auch einige Mysterygeschichten verfasst hat, aber in erster Linie ist er als klassischer Abenteuerschriftsteller und als eine der ersten sich selbst vermarktenden „Inc“ bekannt geworden.

Zusammen mit seinem Sohn hat sich Burroughs in den Tagen des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor auf Hawaii aufgehalten. Wahrscheinlich wollte er tatsächlich am Sonntag Morgen mit einem Tennisspiel anfangen, als die ersten Bomben auf die Schiffe im Hafen fielen. Aber Burroughs hat während seines langen Lebens vor der Schriftstellerei in vielen Job gearbeitet. Unter anderem auch als Polizist, was ihm einen Vorteil gegenüber den Hobbydetektiven der anderen „Desaster“ Bände beschert.

Während im Auftaktroman „The Titanic Murders“ die Kriminalfälle nichts mit der eigentlichen Katastrophe zu tun haben, verbinden sie sich vor allem in den Spionage/ Sabotagegeschichten auf der „Hindenburg“ und im vierten Band „The Lusitania Murder“ sehr viel enger mit den eigentlichen Katastrophen. Auch „The Pearl Harbor Murders“ nutzt diese Prämisse weidlich aus, selbst wenn der Autor insbesondere im ersten Drittel des Buches absichtlich nicht nur die Leser, sondern auch die ermittelnden Detektive immer wieder in Richtung einer Beziehungstat stößt, bevor auf den letzten Seiten während die Bomben fallen, der Plot einmal um die eigene Achse gedreht und politisiert wird.

Im Mittelpunkt steht am Vorabend des Angriffs der Mord an einer attraktiven Nachtclubsängerin. Sie wird mit einem Stein am Strand erschlagen. Eines der Mitglieder aus der Band wird über sie gebeugt mit dem Stein in der Hand von Burroughs in flagranti festgenommen. Die Sängerin hat mit mehreren Soldaten geflittert. Ihre beiden „Freunde“ haben als Väter einflussreiche Männer... einen General und einen Politiker. Ein deutscher Geschäftsmann ist Zeuge der Tat, doch seine Beschreibung der Vorgänge weckt in Burroughs den Verdacht, das ein Sündenbock gesucht wird. Das Mädchen hat am gleichen Abend unmittelbar vor dem Mord Burroughs aufgesucht, damit er einen Termin mit dem Vater ihres Freundes arrangiert.

Die Stärke dieses Mordfalls liegt in der Tatsache begründet, dass sowohl die Idee einer Beziehungstag als auch später der Hinweis auf Spionagetätigkeiten im Vorfeld des Angriffs möglich sind. Geschickt hält Max Allan Collins die Balance. Die emotionale Ebene mit allen Vorurteilen und der Arroganz der Amerikaner gegenüber den Einheimischen und Mischlingen wird solide extrapoliert. Diese seltsame, fast morbide erscheinende Atmosphäre am Vorabend des von allen Seiten erwarteten Zweiten Weltkriegs zeichnet der Autor mit sehr vielen Details unglaublich dreidimensional und selbst im direkten Vergleich zum ersten, in dieser Hinsicht bislang besten  Bands der Serie noch lebendiger nach.

Vor allem die Nebenfiguren beginnend mit dem einzigartigen, in erster Linie im Hintergrund agierenden einheimischen Detektiv über die verschiedenen sozialen Strömungen bis zum arroganten, aber auch geheimnisvollen Deutschen sind überzeugend gezeichnet. Ohne die Aufmerksamkeit des Lesers direkt auf sich zu lenken, muss Burroughs in erster Linie aus Gesprächen nicht nur die Fakten herausfiltern, sondern sie zusammensetzen. Das die entscheidenden Puzzlestücke erst während des Angriffs bzw. kurze Zeit danach zusammenpassen, ist eine weitere Stärke des Buches.

Im Gegensatz zu den schreibenden Hobbyermittlern der anderen Bücher arbeitet Burroughs eng mit der Polizei zusammen, die weniger naiv oder blind agiert als es für die militärische Hierarchie den Eindruck macht. Rückblickend funktioniert – eine Seltenheit bei vielen Krimis – der Plot auch sehr gut. Die einzelnen Aspekte machen bis auf den „zweiten“ besten Freund als Mittler der finalen Informationen sogar Sinn. Auch diese Version hält einer kritischen Berichterstattung stand, wobei ein deutlich umfangreicheres Öffnen der Sängerin gegenüber dem hilfsbereiten Burroughs die beiden Morde überflüssig gemacht hätten. Auf der anderen Seite kritisch gesprochen greift Max Allan Collins aber in seinem Handlungsfluss auch auf bekannte Muster zurück. Der ersten Tat folgt immer ein zweiter Mord, der schließlich das Spektrum erweitert und damit den Weg zum eigentlichen Täter und im vorliegenden Roman wie bei „The Hindenburg Murders“ auch auf die in erster Linie politischen Motive weist. Das die zweite Leiche so schnell gefunden worden ist, wirkt eher wie ein konstruierter Zufall und macht angesichts der Größe der Insel und den zahllosen Verstecken selbst bei der Idee, eine weitere Beziehungstat zu konstruieren, sehr wenig Sinn.

Burroughs demonstriert zwar an einigen Stellen, dass er auf seine Erfahrungen als in erster Linie Streifenpolizist und weniger Mordermittler zurückgreifen kann, aber das Interesse ist die Auseinandersetzung mit dieser Figur. Max Allan Collins geht in die Details und beschreibt Burroughs vor allem als eine dominante Figur, die ihre erfolgreiche Schriftstellerei eher als Handwerk ansieht. Noch mehr als bei den anderen historischen Protagonisten geht der Autor auf die Besonderheiten seines bisherigen Lebens ein. Eine schließlich sich zu Tode trinkende Ehefrau, eine junge Geliebte, das solide Verhältnis zu einem seiner Söhne; die Etablierung des Familienclans Burroughs mit dem die Comics schreibenden Sohns und schließlich seinem Lebensstil, der weit über die vorhandenen finanziellen Verhältnisse hinausreicht. Burroughs ist weder ein unsympathischer  eitler arroganter Mann noch eine mit Fehlern ausschließlich behaftete Figur. Er agiert als Vater und gleichzeitig als Mittler zwischen den Welten. Interessant ist, dass er im Vergleich zu den auf Hawaii stationierten Militärs keine rassistischen Vorurteile heckt und vor allem sehr viel Verständnis für die einheimische Bevölkerung und ihre pervertierte und kommerzielle Lebensweise aufbringt.

Es sind aber auch die historischen Ereignisse, welche im vorliegenden Buch sehr gut in die laufende Handlung eingebaut worden sind. Der verliebte Marineoffizier, auf der „Arizona“ stationiert, wäre ein treffendes Beispiel. Der Leser weiß im Gegensatz zu den Charakteren, dass ausgerechnet die „Arizona“ viele ihrer Besatzungsmitglieder in den Tod reißen wird. Wenn er sich beeilt, während des Angriffs zurück zu seinem Schiff zu kommen, beinhaltet diese rasante Fahrt eine ausreichende Note an Tragik, auch wenn Collins schicksalhaft noch eine anderen Pfeil im Köcher hat. Oder der kleine Junge, der seiner Mutter sagt, dass ein Mann ihn gerettet hat. Einen Augenblick später finden sie die Leiche des Soldaten, der sich in die Schussbahn der japanischen Flugzeuge geworfen und den Jungen zur Seite geschleudert hat. Der Angriff auf Pearl Harbor wird von Max Allan Collins aus japanischer Sicht so distanziert und strategisch authentisch wie es der Kriminalplot zulässt, erzählt. Dagegen stellt er die naiven und unzureichenden, fast arrogant jegliche Sicherheit vernachlässigenden Bemühungen der Amerikaner, die impliziert bis zu einer absichtlichen Zurückhaltung von Informationen reichen. Zumindest deutet Max Allan Collins an, dass Pearl Harbor da willige Opfer für einen Kriegseintritt der USA gewesen sein könnte. Wie beim Untergang der Titanic oder dem Absturz der Hindenburg konzentriert sich Collins in dem ausbrechenden Chaos auf Einzelschicksale und versucht so dem Leser die Dramatik und vor allem auch Dynamik dieser Augenblicke greifbar vor Augen zu halten. Dadurch gewinnt der Roman nicht nur an Authentizität, noch stärker als in Michael Bays auch manipulierenden Actionstreifen wird die geschockte Überraschung der Bevölkerung wie auch der Militärs dargestellt.

Am Ende laufen die persönlichen Ermittlungen – ob diese fiktiven Informationen wirklich relevant sind oder nicht klärt der Roman nicht mehr auf – mit den Augenblicken des hinterhältigen Angriffs zusammen und runden einen über weite Strecken auch dank der überzeugenden Figuren kompakt geschriebenen historischen Krimi sehr zufrieden stellend ab.

  • Series: Disaster Series
  • Paperback: 230 pages
  • Publisher: Thomas & Mercer; Unabridged edition (December 11, 2012)
  • Language: English
  • ISBN-10: 1612185193
  • ISBN-13: 978-1612185194
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