The War of the Worlds Murder

Max Allan Collins

Der abschließende sechste Band der „Desaster” Abenteuer ist inhaltlich der beste Roman dieser Serie. Und gleichzeitig der schwächste Kriminalfall. Er verfügt über die am dreidimensionalsten gezeichneten charismatischen Figuren und lässt eine heute vergessene Ära der Live Radiospiele noch einmal lebendig werden. Es ist die Geschichte eines im Grunde doppelten Schwindels, der rückblickend frech wie Orson Welles „F for Fake“ funktioniert, in welchem der Meister zwar auf seine Radioadaption des „War of the Worlds“ mit angeblich authentischen Material eingegangen ist und doch alles wieder auf den Kopf stellte und subjektiv verfälscht in seinen Kinostreifen integrierte. Es ist ein genialer Roman der Täuschung, der so gut funktioniert, weil Max Allan Collins vor allem die historischen Figuren beginnend mit einem dominanten, ohne Frage schon arroganten, aber am Beginn seiner kurzen erfolgreichen Karriere stehenden Orson Welles so authentisch, so lebendig beschrieben hat, das man sie die „Menschen“ buchstäblich vor sich sieht.

Auch der ermittelnde Detektiv ist geschickt gewählt. Walter Gibson ist der Schöpfer von „The Shadow“, dem berühmten Pulphelden. Minutiös beschreibt aber Max Allan Collins die eigentlichen Zusammenhänge im Grunde hinter den vordergründigen Kulissen. Ohne zu belehren erfährt der Leser, dass das berühmte Lachen eben nicht von Orson Welles stammt, der zwei Jahre lang dem Vigilanten seine Stimme gegeben hat. Wie schwer Walter Gibson unter Druck gestanden hat, 24 „The Shadow“ Abenteuer pro Jahr abzuliefern, bevor er freier schreiben kann. Orson Welles selbst hat Gibson zu sich nach New York eingeladen, um eine Kinoadaption von „The Shadow“ zu besprechen. Der Katalysator der kommenden Ereignisse.

Um den Leser auf diese Zeit vorzubereiten, ist Max Allan Collins zum ersten Mal einen anderen Weg gegangen. Wie er in seinem Nachwort deutlich macht, ist Walter Gibson der einzige der insgesamt fünf schreibenden Hobbydetektive – der fünfte Charakter ist ja der Schöpfer von Tarzan gewesen, der vorher als Polizist auf der Straße gearbeitet hat -, denen Max Allan Collins in den siebziger Jahren auf einem Bouchercon begegnet ist. Er nimmt sich sehr viel Zeit, die Atmosphäre dieses Treffen genauso minutiös zu beschreiben, wie er sich selbst als Autor zweier veröffentlichter „Nolan“ Abenteuer und Verteidiger Mike Hammers / Spillanes in den Plot einbaut. Auch wenn sich nicht alle Ereignisse so wie beschrieben abgespielt haben, verleiht Orson Welles damit seinem Stoff einen Hauch von Authentizität. Wie sein Vorbild Orson Welles, der in „F for Fake“ als Erzähler ebenfalls aufgetreten ist.

 Mit Walter Gibson als Mittler zwischen dem Leser und den Ereignissen verfügt der Roman über eine sympathische wie zugängliche Figur, die aus ihrer subjektiven Perspektive nicht nur die Ausstrahlung der „War of the Worlds“ Radioadaption aus erster Hand verfolgt, sondern informativ, aber auch kompakt einzelne Hintergründe erläutert. Im Mittelpunkt steht wie eingangs erwähnt nicht der „Mord“, der sich genau in der Nacht abspielt, in welcher Orson Welles seinen „War of the Worlds“ über den Äther geschickt hat. Das Opfer ist eine junge Schauspielerin, die eine der zahlreichen Geliebten Welles gewesen sein könnte. Zusätzlich ist sie auch noch mit dem Schwert erstochen worden, mit dem Welles bei seiner Hamlet Adaption auf der Bühne seinen Mitspieler verletzt hat, weil der Amerikaner möglichst alles realistisch und dramaturgisch eindrucksvoll abwickeln wollte. Um Orson Welles schwer zu belasten, steht quasi auch sein Name auf der Tatwaffe. Während Welles sich um die Ausstrahlung seines „War of the Worlds“ kümmert und aufgrund der Liveausstrahlung die Polizei auch noch nicht gerufen worden ist, ermittelt Walter Gibson in diesem Fall und kommt abschließend zu einem überraschenden Ergebnis, das vor allem den auch durch die Reaktionen auf seine Radiosendung schon eingeschüchterten Orson Welles noch mehr schockiert.

Vielleicht hat sich Max Allan Collins ein wenig zu stark von David Finchers „The Game“ inspirieren lassen und vielleicht überschlagen sich auf den letzten Seiten zum letzten, aber leider nicht zum ersten Mal die Ereignisse, aber zur Ehrenrettung des Autors kann der Leser den im Nachwort noch einmal expliziert zusammengestellten Gedankengängen durchaus folgen und das Ergebnis einschätzen. Auch wenn Gibson sich vor allem um seine „The Shadow“ Stoffe gekümmert hat, ist er weniger ein routinierter Ermittler als ein konsequenter Beobachter, so dass er die Zusammenhänge deutlich vor dem Leser erkennen kann. Max Allan Collins gibt hier auch zu wenige Informationen Preis. Aber „The War of the Worlds Murder“ funktioniert eben trotz dieses schwachen Kriminalfalls vor allem als ein Portrait der dreißiger Jahre mit einer Welt, die mehr und mehr auf den Zweiten Weltkrieg zusteuerte. Die Paranoia an diesem Halloween Abend des Jahres 1938 ist förmlich greifbar, so dass der Fokus auf der historischen Ausstrahlung der Radioshow liegt und mehr als befriedigt.

 Mit einem Auge für die Details zeigt Max Allan Collins von der ersten Sekunde hat, wie das Chaos und die Leidenschaft die Arbeiten des von Orson Welles gegründeten und dominierten Mercury Theatres fest im Griff hatten. Die intensive Zusammenarbeit zwischen Howard Koch als Drehbuchautor und John Houseman, die Orson Welles förmlich erdrückte. Während die beiden Männer unterschiedliche Karrieren hinlegten, scheiterte Orson Wells später in der Maschinerie Hollywoods an seinem eigenen Ego. Trotzdem bildeten sie zusammen mit dem eher widerwilligen Bernhard Hermann – viele vergessen, dass er auch die Tanzmusikeinladen dieser Radioausstrahlung absichtlich auf einem niedrigen Niveau inszenieren musste und deswegen kurze Zeit Orson Welles böse gewesen ist – eine künstlerische Familie, die trotz Welles Unzuverlässigkeit und Unpünktlichkeit funktionierte. Bis zum legendären Abend der Ausstrahlung beschreibt Max Allan Collins viele Klippen, die beginnend von den internen Kontrollorganen umschifft werden mussten. Die Umwandlung dieses im Grunde altbackenen Stoffes in eine perfekte Paranoiashow und dann den Abend der Ausstrahlung selbst.

Hier spaltet sich die Handlung ausgesprochen zufrieden stellend auf. Auf der einen Seite beschreibt Max Allan Collins aus der Perspektive Walter Gibsons den Ablauf der Liveproduktion mit zahlreichen Zitaten und einem perfekt agierenden Orson Welles. Auf der anderen Seite blendet der Autor immer wieder zu den zahlreichen potentiellen „Opfern“ um, die an diesem Abend mehr und mehr vergessen, dass sie im Grunde einen fiktiven Stoff hören. Wunderschön macht der Autor deutlich, das ausgerechnet die Jugendlichen die Radioshow als Fiktion erkennen, während ihre Väter und Großväter durch die Felder und Wälder der Gegend bewaffnet streifen, um den Marsianern den Gar auszumachen. Auch wenn der Leser durch die vergangene Zeit viele der Vorgänge dieser Nacht im Groben kennt, gehört es zu den feinsten Leistungen des Autoren, diese Nacht wirklich lebendig und glaubwürdig zu machen. Der Leser wird förmlich wie Walter Gibson in das Geschehen hinein gezogen und wacht erst auf, als wie im Buch die Polizisten natürlich dramaturgisch etwas übertrieben heraus gearbeitet an die Scheibe des Sendestudios klopfen und Orson Welles wegen Aufruhr und Panikmache verhaften wollen.

Es ist der perfekte Abschluss einer intensiven Szene, die besser nicht im Film oder Fernsehen hätte adaptiert werden können.  Ausführlich, aber nicht dem Originalmanuskript folgend zitiert Max Allan Collins aus „The War of the Worlds“ und baut diese fiktiven Reportagen in seine Beschreibung der Nacht ein. Mehr und mehr schwindet der Verstand und das logische Denken bei den Amerikanern, bis sie nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden können. In seinem Nachwort macht Max Allan Collins aber auch deutlich, das die intensiven Reaktionen auf diese Ausstrahlung Teil der Legendenbildung sind, die er in dieser übertriebenen Form für seinen Roman übernommen hat. In dreifacher Hinsicht schließt sich ein Kreis, während Orson Welles sich wie ein kleines Kind über seinen gelungenen Zaubertrick freut, dessen Folgen er zumindest kurzzeitig gar nicht ahnen kann. Es sind diese Dominoeffekte, die schließlich in dem nicht unbedingt melancholischen, aber viele „Fakten“ wieder relativieren Epilog gipfeln, in dem Max Allan Collins seine Leser und im metaphorischen Sinne auch sich selbst wieder abholt, um diese Nacht der Panik abzuschließen.

Es ist unglaublich, mit welcher Intensität und selbst dem unterschätzten „Radio Days“ überlegen der Amerikaner diese Pionierzeit des Hörfunks, der Hörspiele und schließlich auch der Pervertierung des Radios als Propagandamedium in einem kompakten wie packenden Roman beschreibt. Wer sich nicht für Krimis interessiert, sollte „The War of the Worlds“ Murders“ vor allem in Kombination mit den im Nachwort erwähnten sehr guten sekundärliterarischen Quellen als Zeitgeschichte mit fiktiven Exzessen lesen und sich wie Orson Welles kindisch, aber nicht kindlich über die hervorgerufenen Reaktionen freuen. Es ist wie erwähnt der schwächste Krimi, aber mit großem Abstand der beste Roman dieser sechsteiligen Reihe.         

  • Mass Market Paperback: 256 pages
  • Publisher: Berkley; First Thus edition (July 5, 2005)
  • Language: English
  • ISBN-10: 0425204014
  • ISBN-13: 978-0425204016
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