Hexer Stanley Band III

H.J. Müggenburg

Im dritten Band der Komplettausgabe um den 11. Earl of Depford Stanley, seine Gattin Anne Rose und das Factotum/ den Butler George McLowrie findet sich mit "Satans Hoflieferanten" der zweite unveröffentlichte "Hexer Stanley" Roman. Vielleicht hat der Autor bei "Satans Hoflieferanten" auch die Geduld seines Verlags über strapaziert, wenn er mitten im Handlungsfluss die vierte Wand zum Leser durchbricht und ihn darauf hinweist, dass um die Spannung noch einige Seiten zu erhalten, der laufende Spannungsbogen abgebrochen wird, um eine andere Nebenhandlung wieder aufzugreifen. In der heutigen Zeit ein gängiges Stilmittel muss es in den siebziger Jahren für manche Leser wie ein kleiner Schlag ins Gesicht gewirkt haben. So erschienen nur Abenteuer in der "Silber- Grusel- Krimi"  Reihe des Zaubermond Verlages zwischen 1974 und 1978. Zwei Manuskripte blieben unberücksichtigt. Das erste ist im ersten Sammelband als chronologisch frühste Story veröffentlicht worden. Wie mehrfach vom Herausgeber Peter Emmerich dargestellt, erscheinen die neun Heftromane nicht in der ursprünglichen Veröffentlichungsreihenfolge des Zaubermond Verlages, sondern sind auf die in den Originalmanuskripten erwähnten und genannten Handlungszeiträume ausgerichtet. 

Dabei werden einzelne Abenteuer auch zurück betitelt. So heißt der fünfte als Silber Grusel Krimi 103 publizierte Heftroman nicht mehr "...und die Mumie umarmte ihn" , sondern wieder "Die Pyramide von Meidum".  Wie der Originaltitel suggeriert, handelt es sich beim fünften „Hexer Stanley“ Roman um einen Mumienthriller, der aber weniger auf Boris Karloffs Klassiker zurückgreift, sondern phasenweise die große tricktechnische perfekte Unterhaltungstrilogie „Die Mumie“ vorwegnimmt. Aus einem der vorangegangenen Romane ist die Idee des amerikanischen Serienkillers übernommen worden, der seinen italienischen Aufraggeber rächen möchte. Nur Engländer und impliziert Einheimische dürfen mit einem zugekniffenen Auge der Behörden in Ägypten getötet wird. Unglaubwürdig erscheint, dass Sir Stanley und sein Butler nicht schneller die Handschrift des Profis erkennen, der aber im Vergleich zu seinem ersten Auftreten auf eher gängige Tricks wie eine nicht funktionierende Bremse setzt. Dieser Nebenarm der Handlung wird allerdings auch relativ schnell abgeschlossen. Er dient ein wenig als Füllmaterial, obwohl die Haupthandlung beginnend mit der eindrucksvollen Expedition bis zum feurigen, aber auch wieder abrupten Ende ausreichend Stoff für mehr als einen normalen Heftroman in sich trägt.

Wie es sich für diese Art der Abenteuer gehört, beginnt alles zeitlich mit einer Expedition in das Innere einer der Pyramiden, bei dem ein furchtloser wie „Indiana Jones“ in nichts nachstehender, aber natürlich britischer Archäologe schnell entdeckt, dass Tut Anch Amun im britischen Museum nicht das Original ist. Diese These wird auch später von Sir Stanley bestätigt. Es stellen sich anschließend zwei Fragen. Gibt es wirklich einen Fluch der Mumie oder wo befindet sich das Original. Da der Autor aber sich positiv weigert, seine Geschichte chronologisch zu erzählen, greift er auf einen Husarenstreich in der Tradition einer Reihe von Abenteuergeschichten zurück. Der britische Archäologe soll für den Tod seines Grabungsmannschaft mit dem Galgen bestraft werden. Der Leser erfährt wie Sir Stanley die Zusammenhänge erst später, was einen gewissen Reiz ausmacht, spannungstechnisch den Plot teilweise aber auch an einer entscheidenden Stelle zum Stillstand bringt. Die Hinrichtung funktioniert perfekt, nur hat Sir Stanley rechtzeitig eingegriffen. Mit einer Reihe von Tricks und Kniffen wird schließlich der Leichnam in der für das Duo bekannten ordnungstechnisch sauberen Manier nach England transportiert, wo er dann seine Frau wieder in Empfang nehmen und untertauchen kann. Mit soliden Humor, aber nicht den bekannten später in die Handlung eingebauten pointierten bis aus Kalauern bestehenden Dialogen baut Müggenburg den Spannungsbogen sehr flott aus. Sir Stanley und sein Butler werden allerdings ohne die holde Gattin wieder nach Ägypten geschickt, wo sich allerdings der Plot bis auf die angesprochenen Anschläge auch ein wenig mechanisch entwickelt. Das Finale ist hektisch, aber effektiv. Warum insbesondere ein weiterer bekannter Experte – er schließt mit seinem Rückblick die letzten inhaltlichen Lücken und schlägt den Bogen aus den siebziger Jahren bis in die Dreißiger zurück – nicht auf den effektiven wie einfachen Gedanken gekommen ist, um den Widersacher für immer zu beseitigen, ist eine der Schwächen des Buches.

Bis dahin reihen sich aber eine Reihe von sehr unterhaltsamen, selbstironisch überdrehten Szenen aneinander.  Dabei ist sich Müggenburg seiner Vorlagen genauso bewusst wie den Mechanismen des klassisch- klischeehaften Grusel. Es haben sich einige Mechanismen wie die Wunderwaffe „Hut“ etabliert, die inzwischen fast parodistisch eingesetzt werden. Deutlich besser strukturiert als einige der ersten „Sir Stanley“ Abenteuer unterhält die Jagd nach der echten Mumie so gut, dass der Leser dem Autoren auch verzeiht, wenn er das einzige übernatürliche Element der ganzen Geschichte gar nicht erklärt, sondern achselzuckend als unerklärlich zur Seite schiebt. Für einen Gruselroman ein genauso freches Vorgehen wie bei einigen seiner mit liebevoll spitzer Feder gezeichneten Protagonisten.

 Der zweite unveröffentlicht gebliebene Roman gehört zu den besten Arbeiten der „Hexer Stanley“ Serie. Das liegt nicht nur daran, dass der Bogen zum Abenteuer mit dem letzten fliegenden Teppich sowie auch die ebenfalls hier gesammelte Geschichte um die Pyramide von Meidum wieder aufgegriffen sowie die beiden Erzschurken Battaglia und Clatsco – beide tot – eingebaut werden, sondern vor allem weil der Autor noch mehr mit den Erwartungen nicht nur der Leser, sondern auch Hexer Stanleys hinsichtlich einer klassischen Gruselgeschichte spielt.

Gleich zu Beginn wird in einer Geisterbahn auf einem kleinen Jahrmarkt in Bangor, Irland ein Magier ermordet. Müggenburg macht sich einen Spaß daraus, das Geschehen anfänglich auf marktschreierische Art ins Übertriebene, Lächerliche zu ziehen, um dann einen kleinen Paukenschlag zu setzen. Sir Stanley und sein Faktotum machen sich auf die Suche nach den Tätern. Ihr Verdacht fällt auf einen örtlichen Sargbauer, der eine seiner Arbeiten als Ersatz zur Verfügung stellen musste, als das Original in der Geisterbahn beim Transport seinen Geist aufgegeben hat. Anscheinend handelt es sich bei der rumänischen Familie um Vampire. Wie die Mumie im letzten Abenteuer baut der Autor auch bei den Vampiren alle Klischees ein, welche der Leser für eine durchschnittliche Gruselgeschichte erwarten kann. Ein abgeschieden gelegenes Haus, Särge im Schlafzimmer und schließlich eine morbide Atmosphäre. Spätestens ab dem Augenblick, in dem sich vier Vampire – Vater und die Söhne – aus einem Sarg kommend erst buchstäblich entknoten müssen, hält der Autor seinen Lesern und den verblüfften Protagonisten den Eulenspiegel ins Gesicht und entwickelt die Handlung in eine gänzlich andere Richtung. Es handelt sich von der ersten Seite, als dem ersten Mord an, buchstäblich um einen komplizierten wie komplexen Plan, um Sir Stanley endgültig aus dem Weg zu schaffen und lukrative Rache zu nehmen.

 Der Plot entwickelt sich relativ schnell vom wie beim ersten Roman eher latenten Horror zu einer absurden Farce, in welcher vor allem auch die Ganovenfilme amerikanischer Machart mit dem Paten und dem mächtigen, aber während der direkten Konfrontation wieder ohnmächtigen Oligarchie einer eher ambivalent beschriebenen Organisation auf die Schippe genommen werden. Ein Running Gag ist der plötzlich Tod inklusiv der entsprechenden Wideraufstehung Sir Stanleys. Besonders geeignet ist dafür natürlich auch die Leichenhalle eines Beerdigungsinstituts. Um die überguten Helden herum hat der Autor einige Parodien auf die Schurken gestellt, die mit ihrer Mischung aus gespieltem Vampirismus mit einem bierernsten Unterton,  den rumänischen Wurzeln und parodistisch überzogenen Monologen natürlich keine Bedrohung darstellen. So wird die Jagd nach den Schurken zu einer Farce, immer zynisch verschiedene Genre parodierend, aber inhaltlich beginnend mit dem zu komplizierten und deswegen niemals ernstzunehmenden Plan und endend während eines kurzweiligen, aber auch zu kurzen Showdowns.  

  Zusammenfassend durchbrechen die beiden hier zusammengefassten Romane die sich bildenden ein wenig stereotypen Muster und unterhalten vor allem als Parodien auf die Klischees des Gruselgenres unter Nutzung bekannter Aspekte ausgesprochen kurzweilig, zeitlos und gut.

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1424 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 245 Seiten
  • Gleichzeitige Verwendung von Geräten: Keine Einschränkung
  • Verlag: EMMERICH Books & Media, Konstanz (31. Oktober 2016)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B01M319OL9
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