The Magazine of Fantasy and Science Fiction November/ December 2016

The Magazine of Fantasy and Science Fiction November/ December 2016, Titelbild
C.C. Finlay (Hrsg)

Die Titelgeschichte mit einem schönen passenden Cover stammt von Esther M. Friesner. „The Cat Bell“ ist eine dieser moralisierenden Fabeln, deren Ende relativ schnell zu erkennen ist. Der Haushalt eines berühmten Schauspielers besteht aus dem Personal und neunzehn Katzen. Er warnt seine Hilfe, eine bestimmte weitere Katze aufzunehmen. Natürlich hält sie sich nicht an die Regel und die Folgen sind wie eingangs erwähnt schnell erkennbar.

Es ist eine stilistisch sehr gut geschriebene, von überzeugenden Figuren – Menschen und zumindest ein Kater – bevölkerte Geschichte, deren Ende pragmatisch konsequent, aber eben nicht überraschend ist.

 Lilliam Rivera präsentiert mit „Between Going and Staying“ eine der besten Geschichten nicht nur dieser Ausgabe. Vor dem realistischen wie traurigen Hintergrund der von einer mexikanischen Schule verschwundenen Schüler und Lehrer – wie es aussieht, alle Opfer der Drogenkartelle – entwickelt sie eine melancholische, traurig stimmende Geschichte um Wehmut, Heimweh und schließlich auch dem verzweifelten Bemühen, seinen Wurzeln zu entkommen. Mit der auf Trauerfeiern tanzenden Protagonisten – in Mexiko eine Art Superstar – verfügt die emotional sehr intensive Geschichte über eine dreidimensionale Protagonisten, wobei die übernatürlichen Aspekte wie die mögliche Geistererscheinung ihrer ehemaligen Geliebten, die zu den in dieser Geschichte dreizehn verschwunden Menschen gehört, im Grunde den Plot bereichern, aber nicht notwendig sind.

 In diesen mystischen Bereich fällt auch Gardner Dozois „The Places of Bones“. Aufgrund seiner langjährigen Herausgeberschaft von „Isaac Asimov´s Science Fiction Magazine“ ist wahrscheinlich in Vergessenheit geraten, dass Dozois in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts einer der talentiertesten Kurzgeschichtenautoren des Genres gewesen ist. „The Places of Bones“ ist vielleicht nicht seine beste Arbeit, aber die Intensität der Suche nach einem Mythos auch unter der Opferung des eigenen Lebens, diese Besessenheit, welche seine Protagonisten befällt und nie mehr loslässt in Form eines der Nachwelt, sprich dem Leser überlieferten Berichts unterhält trotzdem ausgesprochen solide.  

 Albert E. Cowdrey präsentiert mit „The Farmboy“ eine der schwächsten Storys dieser Ausgabe. Der Plot wirkt unnötig verschlungen. Ein Siedlerraumschiff landet auf einer fernen Welt. Es wird Gold gefunden. Vier Besatzungsmitglieder verbünden sich, das Gold zur Erde zu transportieren und die Siedlung im Stich zu lassen. Natürlich kommt es zu Streitigkeiten innerhalb der kleinen Gruppe, bis einer der Siedler das Problem in die Hand nimmt. Sehr geradlinig geschrieben mit einem Plot, der in dieser Form eher zu einem Western passt, wirkt die Story leider unnötig schwach entwickelt, wobei zumindest die unsympathischen Protagonisten gut gezeichnet worden sind.

 Matthew Hughes schließt mit „The Vindicator“ seine Serie um Raffalon, den Dieb ab. Wie alle bisherigen Texte zerfällt die grundsätzlich unterhaltsame Story in zwei sehr unterschiedliche Teile. Der Beginn ist perfekt. Raffalon wird das Opfer eines Attentäters, die sich für den Tod ihrer Mutter durch dessen Verschulden rächen will. Nur sind die Unterlagen im Haus der Gilde gefälscht. Natürlich muss nach dem Rechten gesehen werden und hier endet die Glaubwürdigkeit des Plots. Wieder wird der Leser zusammen mit den überfordert erscheinenden Protagonisten dank einer „Deus Ex Machina“ Lösung aus der Handlung förmlich herausgerissen. Nach einigem Schulterklopfen ist Raffalon wieder bereit, nach neuen Abenteuern zu schauen. In einem Punkt unterscheidet sich allerdings die Geschichte von den bisherigen Arbeiten. Raffalon agiert fast ausschließlich als dümmlicher, naiver und leicht zu manipulierender Trottel.

 Neben Robert Reeds Geschichte „Passelande“ ist „Lord Elgin of the Acropolis“ eine zweite phantastische Detektivgeschichte. Ein Direktor der örtlichen Kunstgalerie scheint den Verstand verloren zu haben. Erst behauptet er, nur ein Gemälde in seiner Galerie ist gegen die Meinung aller Experten eine Fälschung, anschließend ist er davon überzeugt, dass „jemand“ alle Bilder ausgetauscht hat. Natürlich muss er seinen Posten räumen. Der Kriminalfall wird aber quasi aus dem Off erzählt. Ein Detektiv trifft seine schriftstellernde Freundin und sie unterhalten sich über den Fall. Minsoo Kang weigert sich, irgendwelche Antworten zu geben und die Auflösung könnte in alle Richtungen deuten, so dass sich ein wenig Enttäuschung breit macht, wenn der interessante Fall nicht einmal in Ansätzen untersucht, geschweige denn gelöst wird.

Im direkten Vergleich versucht Robert Reed mit „Passelande“ zu viel. Es ist eine Welt, in welcher gespeicherte, vielleicht sogar künstlich erzeugte Persönlichkeiten den Umständen entsprechend ein eigenes Leben beginnen. Eine dieser Persönlichkeiten – es gibt Anspielungen auf Vampire- sucht ihre Besitzerin und der Detektiv soll sogar einen Menschen ermorden. Der Plot entwickelt sich ausgesprochen mechanisch. Robert Reed scheint viele Ideen einbauen zu wollen, ohne diese nachhaltig genug zu extrapolieren, so dass zusammen mit dem schematischen Ende die Geschichte unfertig erscheint.  

 Aus dem Bereich des Horrors stammt “Special Collections“ von Kurt Fawver. Wie Minsoo Kang weigert sich der Autor, irgendwelche Antworten zu präsentieren. In Berichtsform wird von den Versuchen geschrieben, in einem abgesonderten Raum der Universitätsbibliothek verschiedene Phänomene zu untersuchen. Die Vorgehensweise der Studenten ist teilweise bizarr, aber am Ende möchte der Leser wenigstens einen Hinweis erhalten. Diese Verweigerung negiert die vielleicht vorhandenen Ansätze. Auf das Kino übertragen könnte man von einer Art „Lost Footage Found“ Geschichte sprechen.

 Charlotte Ashley liebt Duelle. In ihren bisherigen zwei Geschichten in „The Magazine of Fantasy and Science Fiction“ hat sie immer wieder nach alternativen Welten geschaut, die auf Alexandre Dumas Arbeiten basieren könnten. Auch „A Fine Balance“ folgt mit einem stärkeren Fantasy Hintergrund dieser Prämisse. In ihrer Welt sind Duelle nach strengen Regeln fast heilig. Zwei weibliche Duellanten haben kontinuierlich ihre Preisgelder erhöht und drohen die Balance zu zerstören. Also greifen andere Kräfte ein. Sehr gut erzählt mit einer zufriedenstellenden Pointe und gut  gezeichneten tragischen Figuren gehört „A Fine Balance“ zu den besten Arbeiten einer eher durchschnittlichen Ausgabe.

 Die letzten beiden Geschichten dieser Ausgabe sind jeweils auf ihre Art ungewöhnlich. In „The Rhyme Man“ von James Beamon geht es wieder um einen Musiker, der Sehnsucht nach seinen alten Erfolgen hat. Er ist inzwischen alt geworden. Natürlich muss er nur den richtigen Mann treffen, um den Rhythmus wieder zu finden. Die Grundidee ist alt. Schon Walter Hills „Crossroads“ hat das meiste aus diesem Thema herausgeholt. Zumindest ist die Geschichte kurzweilig zu lesen und stilistisch ansprechend.

 Eine November/ Dezember Ausgabe muss natürlich auch eine Weihnachtsgeschichte beinhalten. „Merry Christmas from All of Us to All of You“ der Debütantin Sandra McDonald ist eine zynische Abrechnung auf den Konsumterror zu Weihnachten aus der Sicht von Santas Beschäftigten in seinen Fabriken. Die Arbeitsbedingungen werden immer schlechter und die ersten Gewerkschaften werden gegründet. Eine überspitzte Karikatur gegenwärtiger Zustände in weiten Teilen der Industrie, nur auf die Festtage geschoben. Die Dialoge sind pointiert, die Protagonisten sehr gut gezeichnet, so dass beim Leser eine ungewöhnliche Weihnachtsstimmung aufkommt. 

 David J. Skal setzt sich in seiner Filmkolumne intensiv vor allem mit der Ballard Adaption „High Rise“ auseinander, wobei er auch auf die anderen in erster Linie Mainstream Versuche eingeht, das Werk des Engländers zu adaptieren. Allerdings verliert Skal im Rahmen seines Essays irgendwann den roten Faden und kann sich zu keinem abschließenden Urteil über „High Rise“ entschließen. Charles de Lint windet sich, den abschließenden Band der „Mr. Mercedes“ Trilogie von Stephen King wirklich gut zu finden. Es ist erstaunlich, wie er sich bemüht, sein Missfallen nicht in Worte zu fassen. Chris Moriarty hat es bei der Vorstellung drei sehr unterschiedlichen Bücher von Andy Weir, Kim Stanley Robinson und schließlich auch Neal Stephenson deutlich leichter, wobei „The Martian“ bei der Betrachtung aus dem Rahmen fällt und eher wie Füllmaterial erscheint. Abgeschlossen werden die Büchervorstellungen durch „The Morlocks“; eine inzwischen vergessene politische Parabel, welche H.G. Wells Kreaturen nur als Inspiration nimmt.  

 Die letzte Ausgabe des Jahres 2016 präsentiert sich eher unauffällig durchschnittlich. Von den zehn Geschichten können nur wenige nachhaltig überzeugen, auch wenn die Themenauswahl absichtlich sehr breit gehalten worden ist. Selbst einige Katzen auf dem Titelbild wirken irgendwie unnatürlich verkrampft. Ob das Absicht oder Zufall ist, lässt sich angesichts der folgenden Geschichte nicht erkennen, aber es zeigt, dass C.C. Finlay wahrscheinlich zu viel mit dieser Abschlussausgabe wollte und zu wenig erreicht hat.

Paperback, 256 Seiten

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