Das Haus Zamis 52 "Und ewig währt die Nacht"

Das Haus Zamis 52, Titelbild, Rezension
Michael Marcus Thurner, Logan Dee, Uwe Voehl

Aus den vorangegangenen Romanen wird nicht nur Junas Lebensgeschichte übernommen, sondern in Logan Dees Teilband “Und ewig währt die Nacht“ der Handlungsbogen um die Testamentseröffnung der Fürstin Bredica auf der Temenschburg abgeschlossen.

 Schon im einundfünzigsten Band der Serie haben die Autoren unter der Führung des Expokraten Uwe Voehl angedeutet, dass die Anzahl der potentiellen Erben durch im Hintergrund agierende Kräfte deutlich vor der Verlesung des letzten Willens reduziert wird. Diese Idee ist nicht unbedingt neu und auch der Abschluss dieses in der Gegenwart spielenden Handlungsbogen zeigt, dass er in erster Linie als eine Art Versatzstücke gedient hat, um die deutlich interessanteren, dreidimensionalen und hinsichtlich ihrer Grundidee sowie grotesken Szenen in der Vergangenheit spielenden Abschnitte miteinander zu verbinden.

 Fast aus dem Nichts heraus arbeiten schließen Juna, Coco und das Ehepaar Zamis zusammen, um den Plan hinsichtlich der Testamentsvollstreckung zu verhindern und den Täter im allgemeinen Sinne zu stellen. Auch hier erinnert vieles an eine dämonische Version von „Eine Leiche zum Dessert“, allerdings ohne die Anspielungen auf die großartigen Detektive, den irgendwo zwischen kindlich und subtil angelegten Humor und vor allem die entsprechende Exzentrik.

 Anstatt die Gegenwartshandlungsebene trotz oder gerade wegen der auch plottechnisch eingeschränkten Möglichkeiten bis zum finsteren Ende durchzuspielen und vor allem noch einige originelle Wendungen hinzuzufügen, ist der Leser vollkommen überrascht, als plötzlich alles zu Ende ist und die Zamis zusammen mit dem ebenfalls derangierten Toth nach Haus fahren können. Die zweite Hälfte des Buches spielt dann in dem von Michael Marcus Thurner wieder dreidimensional dämonisch zum Leben erweckten Wien.

 Aber Logan Dees Romanteil verfügt auch über einige eindrucksvolle Szenen, die in ihrer Grausamkeit, ihren grotesken sprachlichen Bildern und vor allem hinsichtlich ihrer Handlungsführung zu den alptraumhaftesten Szenen gehören, die Logan Dee im Rahmen der langen Mitarbeit an „Das Haus Zamis“ zu Papier gebracht hat.

 Juna war zuerst in der Zeit versteckt worden. Eine Idee, die wie die Mörderjagd der Gegenwart nicht zufrieden stellend ausgespielt, sondern nur angedeutet wird. Anschließend hat man sie in ein Irrenhaus gesteckt, das einen ersten Eindruck hinsichtlich ihrer Zeit in Graustadt geben sollte. In Graustedt leben nicht nur besonders grausame Dämonen, die gigantischen Schlachthöfe – ihre Beute sind natürlich nicht nur Tiere, sondern verwunschene Mitleid erregende Kreaturen – bleiben lange im Gedächtnis. Logan Dee zelebriert eine Reihe von Grausamkeiten und explizierten Beschreibungen, die wahrscheinlich einige Leser endgültig zum Vegetarier machen. Neben den schlachttechnischen Obszönitäten sind es die Übergriffe der Dämonen, gegen die sich Juna mehr und mehr durch den Einsatz ihrer noch unkoordinierten, nicht selten Wechselwirkungen habenden Fähigkeiten wehren muss.

 Diese ambivalenten Fähigkeiten zwingen sie zu einem vorsichtigen Einsatz ihrer Fähigkeiten, aber vor allem zu einigen Kompromissen. Neben den Passagen direkt in den Schlachthäusern gehört die potentielle Flucht mittels eines Zugs in einem unheimlichen Bahnhof zu den besten Passagen dieses langen Rückblicks.

 Mit diesen atmosphärisch fast surrealistisch erscheinenden Passagen kann Logan Dee die Schwächen der Gegenwartshandlung sehr gut ausgleichen, so dass der qualitative Unterschied zu Michael Marcus Thurners nächster Wien Passage relativiert wird.

 Juna schließt sich in „Die Kuckucksbrüder“ einem dämonischen Wanderzirkus an. Natürlich gerät sie auf eine Art und Weise abschließend sogar in doppelter Hinsicht vom Regen in die Traufe. Auf dem engen Raum des Zirkus kann sie ihre Fähigkeiten noch weniger einsetzen.

 In Wien gelingt ihr eine bedingt Flucht. Die österreichische Hauptstadt leidet unter den Angriffen von seltsamen Vampiren, welche sogar dein Einfluss der alten dämonischen Vampiren gefährden.

 Das Thema Vampire ist nicht unbedingt neu. Aber wie Michael Marcus Thurner diese Idee mit dem Schellackvampiren entwickelt ist wirklich überzeugend. Der Leser ahnt vor Juna, dass der „Mann“, bei dem sie Zuflucht gesucht hat, ein Geheimnis hat.

 In seinen alten Schellackplatten steckt eine dämonische Beschwörungsformel, die anscheinend erst beim zweiten Anhören wirkt. Bis dahin sind diese alten Platten mit besonderen Aufnahmen akustische Drogen, welche ihre Zuhörer in den Bann ziehen.

 Die erste Hälfte seines Teilromans besteht aus einem kontinuierliche, überzeugenden Aufbau von einer bedrohlichen Atmosphäre. Die Balance zwischen Wiener Geschichte, die immer fast beiläufig präsentiert wird, und dem aktuellen Handlungsverlauf hat inzwischen einen mehr als überzeugenden Grat der Perfektion erreicht.         

 Auch wenn der finale Showdown ein wenig hektisch erscheint und die Falle insbesondere einem verschlagenen Dämonen wie dem Herren der Schellack Vampire offensichtlich erscheinen muss, wirkt diese Auseinandersetzung sehr viel überzeugender als Logan Dees Ende in der Temeschburg. Michael Marcus Thurner hat vielleicht auch den Vorteil, dass er Junas weitere Geschichte deutlich besser in einem Strang erzählen kann und nicht so sehr auf den Handlungsfluss in dieser Konstellation eher störende Sprünge in die jeweilige Gegenwart zurückgreifen muss.

 Zumindest hat der Schellack Dämon aus seiner Sicht mit dem Kuckucksbruder des Titels noch ein As im Ärmel. Juna kann zusammen mit ihren Verbündeten – natürlich hat auch ein Zamis seine Finger im Spiel – in letzter Sekunde das Blatt natürlich drehen. Aber bis dahin gehören die Ideen hinsichtlich der Kreation der Vampire, der Wechselwirkung in der fragilen dämonischen Balance und der Konflikt zwischen den Familien inklusiv der weiteren Exkursion in die schon angesprochene Wiener Geschichte zu den besten Passagen der ganzen Serie.

 Grotesker wirken die Szenen in den Schlachthäusern von Graustedt. Dabei überschreitet Logan Dee ohne Frage seine Leser auch provozierend wollen absichtlich die Grenzen des guten Geschmacks und fügt nicht zum ersten Mal Element des reinen Splatterpunks der Serie hinzu. Es geht zwar bei Michael Marcus Thurner auch nicht unblutig zu, er ist aber eine andere Art von Erzähler, der sehr viel Wert auf eine stimmige Atmosphäre, gut strukturierte und über den Handlungsbogen verteilte Schockeffekte und schließlich noch dreidimensionaler gezeichnete Figuren Wert legt.

 Junas Lebens- und Leidensgeschichte entschädigt ohne Frage vor allem in der vorliegenden Kombination für die Schwächen der Gegenwartshandlung und zeigt überdeutlich auf, dass mit neuen Figuren der Spektrum der Serie effektiv und für den Leser jederzeit spannend gruselig erweitert werden kann.

www.zaubermond.de

Taschenbuch, 202 Seiten

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