Zu viele Köche

Zu viele Köche, Titelbild, Rezension
Rex Stout

Der Klett Cotta Verlag fängt seine neu übersetzte Rex Stout/ Nero Wolfe Ausgabe nicht mit dem ersten Band "Fer-de- Lance", sondern dem fünften Buch "Too many Cooks" an, was in einem Punkt passend, bei vielen anderen Aspekten aber untypisch ist. Passend ist, dass die Geschichte indirekt vom Essen handelt. Fünfzehn Meisterköche und Nero  Wolfge  als Gast tragen alle sechs Jahre eine Art Kochwettbewerb aus und dieses Mal  soll Nero Wolfe die Abschlussrede halten. Das Essen, der Genuß spielt in allen Romanen eine mehr oder minder gewichtige Rolle.  Dabei zelebriert Rex Stout mit Fortschreiten der Serie immer mehr die Kunst des  Kochens. Im Falle von Nero Wolfe natürlich des passiven Kochens, denn er hat ja einen exzellenten Koch in seinem Haus angestellt. Daher stellt ein Mord unter fünfzehn Meisterköchen nur eine thematische Extrapolation bekannter Hintergrundideen da. 

Kritisch gesprochen könnte ein oberflächlicher Leser bei einem derartigen Einstiegsroman auch auf die Idee kommen, Rex Stout wolle vor  allem Agatha Christie imitieren, die immer wieder die Idee des Mordes in einem eng begrenzten Kreis  von beruflich oder privat miteinander verbundenen Personen in den Mittelpunkt ihrer  Bücher gestellt hat. Auf den ersten Blick ein leider nicht von der Hand zu weisender Gedanke. 

 In einem Punkt ist aber "Zu viele Köche" auch ein unglücklicher Einstieg in diese Serie. Nero Wolfe muss sich auf Reisen begeben. In den meisten der mehr als dreißig Romane und Kurzgeschichten verlässt der gewichtige Detektiv sein Haus in New York nicht. Er löst seine Fälle aus dem Sessel heraus, während der Ich-  Erzähler und "Laufbursche" Godwin die eigentliche Arbeit meistens nicht  nur hinsichtlich der Recherche,  sondern auch nicht einzubestellenden Zeugen erledigt.  "Zu viele  Köche" beginnt mit einer Bahnfahrt.  Wer  Nero Wolfe noch nicht entweder durch die populäre Fernsehserie oder die anderen Romane und Kurzgeschichten kennengelernt hat, kann sich nur schwerlich in den gewichtigen Mann und seine paranoide Angst vor Reisen hinein versetzen.  Fans der Serie werden an dessen Unbehagen Vergnügen finden. Dieses Heraufbeschwören von Katastrophen - bei einem Bahnunglück sind in der Nacht nach der Ankunft mehrere hundert Schweine ums Leben gekommen -  bestimmt die ersten vierzig oder fünfzig Seiten des Buches und zeigt eine andere, vielleicht ein wenig zu affektierte Seite des Detektivs.  

Ein weiterer  roter Faden und relativ schnell als wichtiger Aspekt zu erkennen ist das Geheimrezept,  mit welcher einer der  Köche Wurst herstellt. Nero Wolfe wollte das Rezept  während der Hinfahrt nur für den privaten Gebrauch käuflich erwerben und ist ungewohnt für ihn abgeblitzt. Jetzt hat er nach dem Mord an einem der unbeliebtesten Mitglieder des Zirkels in der Lage, das Rezept  als ungewöhnliches Honorar zu fordern, nachdem er den Fall geklärt und den potentiell Verdächtigen entlastet hat.

 Die Grundausrichtung des Romans ist daher klassisch. Als Täter kommen im Grunde neben einem Großteil der Köche auch in der Theorie Nero Wolfe und die Angestellten des Hotels in Frage, da das Opfer während eines Geschmackwettstreits in dem genutzten Saal umgebracht worden ist.  Jeder  hat dort einige Zeit alleine verbracht, während das Opfer sich anscheinend hinter dem Diwan versteckte und zuschaute, wie die einzelnen Köche sein Rezept probierten und die jeweils fehlende Zutat zu erraten suchten. 

 Aber nur nicht in der Praxis sind sehr viele Personen als Täter in Frage gekommen. Wie es sich für diese Art von Krimis gehört, haben die meisten auch ein Motiv.  Das Mordopfer hat ihre Gerichte gestohlen oder in seinem eigenen Restaurant ihre Stilrichtungen imitiert. Er hat die anderen Meister ihres Fachs provoziert oder ihr bestes Personal  abgeworben.  Ohne das der Leser allerdings das Opfer wirklich kennengelernt hat, färbt Rex Stout das negative Bild durch Nero Wolfes eigentlichen Auftraggeber, dessen exzentrisches Verhalten und seine affektierte Art zumindest in der Theorie der überforderten Polizei jeglichen Verdacht auf sich lenkt.    

 Das Finale mit allen Verdächtigen und einem referierenden Nero Wolfe gehört nicht immer zu den Strukturen der Buchserie, ist aber für die Fernsehfolgen zu einem Markenzeichen geworden. Interessant und abweichend ist, dass Nero Wolfe im Grunde den Fall aufnimmt, dann wieder mit einigen Hinweisen an die örtliche Polizei abgibt und schließlich nach einem Anschlag auf sein eigenes Leben zum Abschluss führt. Die Vorgehensweise ist mechanisch, Archie Godwin erfüllt seine Botengänge, Nero Wolfe delegiert ein wenig theatralisch.

 Auffällig ist der von Rex Stout expliziert kritisierte Rassismus. Der Mörder färbt seine Haut und versucht als Farbiger durchzugehen. Die angestellten Farbigen dienen dem offen mit ihnen sprechenden Nero Wolfe als wichtige Zeugen, während die Polizei sie drangsaliert, mit Schutzhaft bedroht und dadurch sich wenige Informationen verbaut. Selbst später muss Nero Wolfe diese Zeugen vor der Polizei mit einer sehr komplexen Vereinbarung schützen, in deren Mittelpunkt seine pünktliche Abreise nach Hause steht. Der Autor selbst baut aber während des Handlungsverlaufes kein zusätzliches Tempo auf, so dass dieses Zeitlimit eher theoretischer, aber für den exzentrischen wie wehleidigen Nero Wolfe von existenzieller Natur ist.

 Der Autor rollt während des Finales den unterhaltsamen, sehr komplexen Fall mit potentiell vielen, abschließend erstaunlich wenigen Verdächtigen noch einmal komplett auf. Durch diese direkte Art der Zusammenfassung können alle Verdächtigen noch einmal reagieren und damit die Spannung erhöhen.

Es bleibt aber ein in erster Linie durch Nero Wolfes Thesen gelöster Fall, dem strukturell ein wenig eine innere Dynamik fehlt, während die Gourmetexzesse den notwendigen, aber auch sehr breiten Raum einnehmen. Hinsichtlich Nero Wolfes Persönlichkeit gehört „Zu viele Köche“ ohne Frage zu den frühen Rex Stout Abenteuern, in denen einige Grundlagen manifestiert, andere wie die aktiv umzusetzende Unlust zum Reisen etabliert werden.

Wer „Nero Wolfe“ einmal so kennenlernen möchte, erhält nicht nur eine gute neue wie ungekürzte Übersetzung inklusiv eines erläuternden Nachwortes mit dieser handlichen und schön gestalteten Hardcoverausgabe, sondern auch einen exemplarischen Fall. Nero Wolfe Fans werden sich ein wenig ärgern, dass Klett Cotta bei ihren Veröffentlichungen die Chronologie der amerikanischen Publikationen auf den Kopf stellt und damit den auch wichtigen jeweils aktuellen historischen Kontext der ganzen Serie ignoriert.

     

 

  • Gebundene Ausgabe: 340 Seiten
  • Verlag: Klett-Cotta; Auflage: 1. Druckaufl. (11. November 2017)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3608981136
  • ISBN-13: 978-3608981131
  • Originaltitel: Too many cooks
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