Robbie´s Wife

Hard Case Crime, Robbies Wife, Titelbild, Rezension
Russell Hill

Russell Hill hat in seiner langen Karriere eine Reihe von Krimis geschrieben. Mit über neunzig Jahren versuchte er sich bei „Robbies Wife“ an einer art Kammerspiel, weniger basierend auf James Cains „The Postman rings twice“, sondern den nuancierter Psychospielen einer Patricia Highsmith mit einem Unschuldigen, der plötzlich zum Verbrecher wird.

 Auch Patricia Highsmith agiert in ihren zahlreichen Büchern abseits der Tom Ripley Serie nicht selten subtil und nimmt absichtlich das Tempo aus dem sich abzeichnenden Drama, um auf den letzten Seite Geschwindigkeit aufzunehmen und manchmal sogar den zugrunde liegenden Plot auf den Kopf zu stellen.

 Es empfiehlt sich, Geduld mit „Robbie´s Wife“ zu haben, wobei die abschließende Auflösung rückblickend betrachtet eine ganze Reihe von Fragen aufwirft und die Paukenschlag Pointe sogar unterminiert. Ohne zu viel zu verraten ist das klassische Szenario mit Opfer und Täter in dieser Form nicht gänzlich aufrechtzuerhalten und das vermeintliche Happy End müsste zumindest von behördlichen Seite noch einmal hinterfragt werden. Auch wenn das Täter in seinem Fatalismus, seiner Opferhaltung eine Veränderung des Status Quo wahrscheinlich nicht akzeptieren würde.

 Jack Stone ist sechzig Jahre alt geworden. Er ist Drehbuchautor in Hollywood. Kein erfolgreicher. Inzwischen leidet er unter einer Schreibblockade. Er entschließt sich, nach England zu fahren, sich in eine einsame Hütte einzuschließen und ein Drehbuch zu verfassen. Russell Hill nimmt sich sehr viel Zeit und strapaziert auch die Geduld seine Leser, um diese Figur zu entwickeln. Jack Stone ist vielleicht kein Jammerlappen, stellt sich aber sehr in den Vordergrund. Diese fast devote Haltung, diese störrische Ignoranz der gegenwärtigen Realität gegenüber und schließlich seine emotionale Instabilität machen ihn zu einem perfekten Täteropfer.

 In der angemieteten Hütte hält er es nicht aus. Er beginnt weiter ins ländliche England hinein zu fahren und findet in der Hütte des Schaffarmers Robbie Unterkunft. Dort trifft er auf Robbies Frau und ihr gemeinsames Kind. Robbie ist ein ehemaliger Student, der schließlich die Farm seiner Eltern übernommen hat. Russell Hill schildert ihn vielleicht ein wenig zu simpel. Er ist nicht unbedingt brutal, trinkt zwar gerne, ist aber kein Alkoholiker. Er arbeitet viel auf der Farm, um sie am Laufen zu halten. Als dann auch noch eine Viehseuche seine Existenz bedroht, ist er am Verzweifeln.

 Robbies Frau ist eine attraktive ehemalige Tänzerin, die anscheinend ihren Sohn und ihnen Mann liebt. Sie ist intelligent, weiß sich zu bewegen und findet Jack Stone attraktiv. Auch er kann seine Augen nicht von Robbie lassen. Aber Robbie kann und will nicht ihren Mann verlassen.

 Es folgen die bekannten Muster von schnellen Sex, kurzen Berührungen, Sehnsüchten und schließlich der Erkenntnis, dass sie nicht zusammenleben können, da es die kleine Familie zerstören würde.

 Dieser Tanz der sexuellen Anziehung zieht sich bis weit über die Mitte des Buches hin. Wie eingangs erwähnt wird die Geduld der Leser arg strapaziert, da sich anscheinend Jack Stone und die knapp vierzigjährige Maggie fast selbst im Wege stehen. Aber diese absichtliche Entschleunigung des Plots ist wichtig. Jack Stone schreibt diese „Liebesgeschichte“ in Form von fragmentarischen Drehbuchszenen nieder und führt sie schließlich fort.

 Dieser Übergang erscheint wie ein schockierender Bruch. Der Verbrechen scheint aus dem Nichts heraus zu kommen. Der Leser kann nicht unterscheiden, ob es sich weiterhin um die Fiktion des Drehbuchs oder die Realität handelt. Wie bei Patricia Highsmith ist die Planung des Mordes perfekt, die Realität aber gänzlich anders.

 Im letzten Viertel des Buches wird der Plot ein wenig auf den Kopf gestellt. Es ist nicht nur so, dass der Täter an den Ort seines Verbrechens wie magisch trotz aller Fehler in dieser fatalen Nacht zurück gezogen wird, daraus entwickelt sich im Grunde erst ein Spinnennetz, in das er sich aus eigenem Antrieb und schlechten Gewissen verfängt und damit die losen Behauptungen unzuverlässiger Zeugen unterstreicht.

 Hinzu kommt, das die Überführung schließlich wirklich nur durch eine Reihe von Zufällen ausgelöst durch eine harmlose Besucherin und eine Zufallsbegegnung erfolgt. Aber auch hier hält Russell Hill insbesondere für Jack Stone eine zynische Überraschung bereit.

 Es ist selten, dass sich im Bereich des Thrillers ein Täter selbst nach der begangenen Tat und der Erkenntnis, welche Folgen sie hatte, zu bestrafen sucht, in dem er auf eine fast zynische Art und Weise um Vergebung bittet. Diese Szenen gehen unter die Haut und machen Jack Stone zugänglicher als in der ersten Hälfte, in welcher er sich vielleicht nicht gänzlich zufrieden stellend für einen Mann seiner Erfahrung und seines Alters in die Ehe von Robbie und Maggie nicht unbedingt widerwillig zu drängen scheint.

 Natürlich manipuliert Russell Hill auch seine Leser. In dem er Robbie auch unsympathisch und arrogant zeichnet. Hinzu kommt, dass Hard Case Crime auf dem Titelbild durch ein langes Zitat einen Schlüsselmoment des Romans verraten hat. Wäre Robbie deutlich dreidimensionaler, weniger schematisch und vor allem für den Plot pragmatisch gezeichnet worden, hätte es sich bei „Robbie´s Wife“   um ein psychologisches Meisterwerk gehandelt.

 In der vorliegenden Form geht es weniger um die eigentliche Tat, sondern um die jeweilige Reaktion der Beteiligten in diesem Kammerspiel. Da Russell Hill aber den entscheidenden Faktor im letzten Viertel des Buches aus dem Spiel nimmt, wirkt es fast naiv, dass Jack Stone keine einzige Sekunde auf den Gedanken kommt, vielleicht benutzt worden zu sein und nicht aktiv in das Geschehen eingegriffen zu haben. Wie der Text aufgebaut ist, kann der Leser diese Zusammenhänge auf Augenhöhe mit Jack Stone erst während des Epilogs erkennen, in dem der Protagonist fatalistisch schließlich sein Schicksal akzeptiert.

 Zusammengefasst funktioniert „Robbie´s Wife“ vor allem über die Figuren. Trotz ihrer teilweisen Sperrigkeit muss der Leser sie akzeptieren, vor allem in Jack Stones selbst gemacht unruhige Welt eintauchen, um seine anfänglich fast nervigen Reise folgen zu können. Es dauert sehr lange, bis der Leser Sympathie für diese getriebenen Charakter empfindet, der hinsichtlich seiner Drehbücher ja nicht nur von den eigenen Ideen, sondern wie anfänglich erwähnt auch den Launen einer jugendlichen Produzentengeneration abhängig ist, die weniger Originalität als Fortsetzungen produzieren wollen.

 Passt sich der Leser dem Tempo des ganzen Buches an, dann entwickelt sich ein zumindest phasenweise sehr interessantes Kammerspiel, bei dem Hills Hauptfigur ein Getriebener bleibt, der von der Spinne in ein Netz gelockt worden ist, aus dem er von der ersten Begegnung an – sie basiert allerdings auf einem Zufall – nicht mehr entkommen kann.       

  • Paperback: 256 pages
  • Publisher: Dorchester Publishing; Reprint edition (1 Mar. 2007)
  • Language: English
  • ISBN-10: 0843957697
  • ISBN-13: 978-0843957693
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