Die vergessenen Welten

Die vergessenen Welten, Titelbild, Rezension
D. Nolan Clark

„Die vergessenen Welten“ ist weniger eine Fortsetzung der Military Space Opera aus der Feder David Wellingtons/ D. Nolan Clarks, sondern der zweite Teil eines gigantischen Romans mit mehr als eintausendvierhundert Seiten. Es wichtig herauszustellen, dass trotz einiger weniger Rückblicke und Hinweise es elementar ist, den ersten Teil „Der verratene Planet“ gelesen zu haben.

Während der Plot in „Der verratene Planet“ mit seiner Mischung aus „Die sieben Samurai“/ „Die glorreichen Sieben“ direkt auf eine finale Konfrontation mit einer künstlichen Intelligenz durchaus in der Tradition der ersten „Star Trek“ Serie zusteuerte, spannt D. Nolan Clark den Bogen in der Fortsetzung ein weniger breiter. Allerdings greift der Autor auf die gleichen Versatzstücke zurück wie beim ersten Buch, so dass die inhaltliche Ähnlichkeit vor allem bei einer chronologischen Lektüre innerhalb eines kurzen Zeitraums auch ein wenig frustriert.

 Im ersten Band ging es „nur“ um die Konfrontation auf einem abgeschiedenen, von einer Religionsgemeinschaft besiedelten Planeten. Wie angedeutet ist das Szenario breiter. Durch einen mehr oder minder gesteuerten Zufall erfahren die Menschen von gigantischen Flotten abseits des bisherigen Ortungsraums. Sie steuern die von Menschen besiedelten Welten an. Anscheinend sind diese Roboterdrohnen ausgesandt worden, alles intelligente Leben zu zerstören, während der First Contact im ersten Buch teilweise noch auf einem Missverständnis basiert. Erschwerend kommt hinzu, dass die Menschen von einer unbekannten Macht eine fast freche Botschaft erhalten. Dort wird auf der einen Seite auf die Bedrohung hingewiesen, auf der anderen Seite aber auch Hilfe angeboten. Preis oder Gegenleitung unbekannt.

 Während die Außerirdischen sich unterlichtschnell durchs All bewegen und somit der Menschheit viel Zeit für eine mögliche Verteidigung einräumen, verfügen die Menschen über die Technologie, durch Wurmlöcher zu springen und sich dadurch überlichtschnell durchs All zu bewegen. Am besten liegen die Wurmlöcher auch in den richtigen Bahnen, wobei die Menschen zumindest im vorliegenden zweiten Teil der Serie sogar in der Lage sind, Wurmlöcher künstlich als Ausgangspunkte zu erzeugen.

 Im Mittelpunkt des vorliegenden Buches steht Lanoes zweite Mission. Er soll mit einem Raumschiff nach der Ursprungsquelle der seltsamen Hilfsbotschaft suchen und herausfinden, ob die Worte ehrlich gemeint sind.

 Im Gegensatz zu seinen Vorgesetzten hat Lanoe Angst, das sich an Bord des Raumschiffs Spione der fremden Roboterrasse befinden. Aus dem ersten Buch gibt es keinen entsprechenden Hinweis, dass die fremde Maschinenintelligenz mit ihrer Königin derartig menschlich handelt. Diese Vorgehensweise macht auch keinen Sinn, denn entweder haben sie mit ihrer überlegenen Technik das Signal auch aufgefangen und fürchten sich nicht vor den Fremden oder sie suchen direkte Wege, um zuerst an der Quelle zu sein. Zu diesem Weg wäre es sinnvoll, die Wurmlochtechnologie entweder zu stehlen oder aufgrund der vorhandnen Informationen für die eigenen Raumschiffe zu adaptieren.

 Die Angst vor Spionen scheint eher eine Ausrede zu sein, dass Lanoe die alte Besatzung gegen vertrauenswürdige Kameraden austauscht. Ein Vorgehen, das nicht gänzlich zufrieden stellend im ersten Buch funktioniert hat. Nach und nach besucht Lanoe die aus „Der verratene Planet“ bekannten Protagonisten und heuert sie für diese zweite, noch verzweifeltere Mission an.

 Diese Rekrutierung nimmt einen breiten Bogen im vorliegenden Buch ein: Im ersten Roman verfolgte der Leser faszinierend, welche exzentrischen Protagonisten sich mutig und dem alten Admiral verbunden in die Tiefen des Alls gereist sind, um den Fremden gegen alle Chancen ordentlich in den Arsch zu treten. Dabei hielt D. Nolan Clark manchmal auch ein wenig am Rande des Klischees sehr viele Überraschungen für den Leser auf der zwischenmenschlichen Ebene bereit. Dieses Überraschungselement funktioniert im vorliegenden Buch nicht mehr so gut. Einige der Figuren sind gefallen, andere dem Leser schon bekannt.

 Es wäre sinnvoller gewesen, die Exposition deutlich zu verkürzen und mit der Mission relativ schnell zu beginne. Der Spannungsbogen hätte effektiver gestaltet werden können. Mit Auster Maggs tritt sogar einer der am klischeehaftesten gezeichneten Protagonisten wieder auf. Nach seinem Verrat und seiner Niederlage wieder auf dem Weg nach oben stellt er sich Lanoe in den Weg und versucht ihm gegenüber zu Punkten. Das Problem bei dieser Figur ist, dass D. Nolan Clark anscheinend unbedingt einen menschlichen Protagonisten haben wollte, aber grundsätzlich nichts mit ihm anfangen konnte. Ein erfahrener Mann wie Lanoe fällt wieder zu schnell und zu oberflächlich auf ihn rein, während Maggs trotz oder wegen allen Misstrauens ihm gegenüber schalten und walten kann, wie er möchte.

 Das wirkt nicht nur unrealistisch, sondern wie einige andere Stellen des Romans leider sehr stark konstruiert. Am Ende von „Der verratene Planet“ hatte sich schon angedeutet, dass Tannis Valk nicht der schwerstverwundenete Mensch im Anzug ist. Die dahinter stehende Idee ist faszinierend und wirft beim Leser auch einige Fragen auf. Aber Schmerz ist subjektiv und vor allem für Roboter/ künstliche Intelligenzen eine relative Erfahrung.  An dieser Oberfläche bleibt D. Nolan Clark buchstäblich stehen. Wie alle anderen Figuren des vorliegenden zweiten Teils entwickelt sich Valk nicht weiter, obwohl gerade er über das größte Potential der ganzen Serie verfügt. Aber schon David Wellingtons Horror Romane zeigten Schwäche auf der Charakterebene.

 Zu den Stärken der beiden Romane gehören ohne Frage die Actionszenen. In „Die vergessenen Welten“ spielen Wurmlöcher eine aktive Rolle. Neben der Jagd durch ein seltsames Wurmloch mit entsprechenden Auswirkungen auf die sich jagenden Raumschiffe ist es die militärische Auseinandersetzung direkt in einem Wurmloch, welche einen Höhepunkt des vorliegenden Buches bildet. D. Nolan Clark hat ein sichtliches Vergnügen, einen seltsamen Hintergrund mit schrägen physikalischen Auswirkungen zu beschreiben, bevor die Action hart und packend eintritt.

 Am Ende des vorliegenden Buches kommt es wieder zu einer Begegnung mit einer fremden Intelligenz. Sie wirkt durchdachter und vor allem origineller geschrieben als das zu sehr an eine „Star Trek“ Folge erinnernde Ende des Auftaktbuches. Bis zu dieser finalen Begegnung muss der Leser aber sehr viel Geduld haben. Die Balance des Romans stimmt nicht. Zu viele zu lange und im Grunde ereignislose Passagen werden umgehend von schnellen, rasanten und sogar gut geschriebenen Actionszenen umrahmt.

 Der Aufbau des Buches erinnert grundsätzlich zu sehr an den ersten Roman, so dass bis auf die vielen kleinen Details die zugrunde liegende Struktur wie eine Art Lehrbuchkorsett wirkt, an dem sich der Autor orientiert. Grundsätzlich ähneln sich viele Military Science Fiction Bucher, aber von einem anderen Autoren, der eigenhändig sowohl das Vampir wie auch das Zombie Genre zu neuem Leben erweckt hat, erwartet der dessen Werk kennende Leser einfach den entscheidenden Schritt mehr.

 So bilden die Romane leider nur eine solide, stellenweise sogar originelle, aber grundsätzlich zu mechanisch ablaufende Unterhaltung und hätten umfangtechnisch durchaus um dreißig bis vierzig Prozent gekürzt werden können.