Cotton Reloaded 16- die Stimme des Zorns

Alfred Bekker

Alfred Bekker nimmt in seinem zweiten „Cotton Reloaded“ Roman eine sich gerade entwickelnde Hintergrundhandlung auf. Aufgrund seines Traumas, das laut Mr. High seine Aggressivität und seinen Leichtsinn unabhängig von seiner einhundertprozentigen Aufklärungsquote während der einzelnen Fällen verursacht hat, schließt er sich einer Selbsthilfegruppe der wegen der Anschläge am „11. September“ Traumatisierten an. Anstatt mit dem Thema ein weniger respektvoller umzugehen, baut Bekker diese Grundlage nicht nur in die Handlung ein, sondern dank der oberflächlichen Ausführung des ganzen Romans kann der Leser deutlich vor den Agenten erkennen, wer ihm Grunde nur als Täter in Frage kommt. Diese Schwäche zieht sich schon durch eine Reihe von „Cotton“ Romanen. Insbesondere im Vergleich zu den auch heute noch nachgedruckten „Klassikern“ oder der teilweise gut strukturierten in der Erstauflage erscheinenden Romanen wirkt „Cotton Reloaded“ plottechnisch zu simpel, zu oberflächlich angelegt. Auch in den beiden angesprochenen Druckreihen sind manchmal die Verdächtigen schnell zu erkennen, hier liegt der Spannung des Romans im Weg, den Cotton und Decker beschreiten müssen, um die Täter rechtskräftig zu verhaften. In „Cotton Reloaded“ fließen die Teile zu oberflächlich ineinander und insbesondere „Die Stimme des Zorns“ wird nur aufgrund zweier Zufälle überführt. Ohne das der Leser mehr über den Hintergrund des Täters erfährt. Sein Motiv ist relativ schnell klar, aber als Charakter bleibt er ein Chiffre, was den Roman politisch noch fragwürdiger erscheinen lässt. Vor allem da Bekker jegliche Positionen vermeidet und sich alleine auf eine Mordserie in new York konzentriert, der überwiegend arabischstämmige Geschäftsleute und später auch ein fanatischer Muslimprediger zum Opfer fallen. Die ermittelnden Agenten Jeremiah Cotton und Phillipa Decker mit Hilfe ihres Teams und speziellen Hinweisen des Computergenies, das in den letzten Romanen zur „Deus Ex Machina“ Waffe weiter entwickelt worden ist – er hilft immer, wenn klassische Ermittlungsarbeit keine Ergebnisse an die Oberfläche fördern geschweige denn fördern kann – vermuten erst Schutzgeld, da alle Ermordeten an die Organisation „Hisbulnur“ (Partei des Lichts) gespendet haben, welche mittels Waffenkäufen die radikalen Taliban weltweit unterstützen soll.

Bekker streift einige Positionen in einer nach den Anschlägen des 11. Septembers paranoiden USA. Die Araber trauen den Behörden nicht, bauen aber auch kein eigenes Netzwerk auf, um die Morde aufzuklären. Stoisch ergeben sie sich ihrem Schicksal. Angesichts der weitreichenden Verflechtungen der Partei inklusiv entsprechender Machtmittel eine wenig überzeugende Position. Immerhin werden wichtige Gönner vor ihren Augen und in ihren „Hinterhöfen“ förmlich hingerichtet. Die Idee von internen Machtkämpfen wird nicht weiter extrapoliert, vor allem erhalten Cotton und Decker bei ihren wenigen Befragungen schnell so viele Hinweise, das sie nur getreu dem Serienmotto in eine falsche Richtung weisen können. Mit dem Tod eines Christen zerfließt diese Variante der Ermittlungen wie Butter in der Sonne und es gibt nur noch einen Verdächtigen, den Bekker dem Leser, aber nicht dem anwesenden Agenten vorstellt.    

Die Auflösung des Falls basiert wie schon angesprochen auf einem doppelten Zufall. Nachdem sich Bekker so viel Zeit genommen hat, mögliche falsche Spuren zu legen wirkt das Ende des Romans ausgesprochen abrupt. Wie schon angesprochen macht es sich der Autor hinsichtlich möglicher Motive viel zu einfach und zeichnet den Täter eindimensional. Eine politisch relevante Auseinandersetzung mit dem Thema findet nicht statt. Es wäre vielleicht auch vermessen, das von einem Heftromanthriller zu erwarten, aber derartig eindimensional darf man auch nicht vorgehen. Wenn man dieses Thema vermarkten möchte und dabei gleichzeitig noch einmal Cottons Trauma aufwärmt, dann sollte man ambivalenter und vor allem auch emotional hintergründiger an die Sache herangehen.

Auch die Beziehung zwischen Decker und Cotton drückt das deutlich aus. Decker macht sich mehr Sorgen um die Tatsache, dass die Sitzungen nicht viel bringen. Bedenkt man, wie oft insbesondere sie bei ihren Einsätzen von Cotton inzwischen gerettet worden ist, erstaunt, dass die Figur keine charakterliche Weiterentwicklung durchläuft. Die Zusammenarbeit der beiden unterschiedlichen und doch beruflich auch ähnlichen Protagonisten wird sachlich, distanziert beschrieben und wirkt im Vergleich zu den letzten Romanen eher rückschrittlich. Bekker ist ohne Frage ein routinierter Autor, der immer wieder versucht, Spannung zu erzeugen. Der Aufbau des Romans ist allerdings zu statisch und die Figuren zu eindimensional beschrieben, als das „Die Stimme des Zorns“ dem schwierigen Thema auf einer Ebene würdig erscheint. Schade, hier wird leider nicht zum ersten Mal in der „Cotton Reloaded“ Reihe sehr viel Potential verschenkt. 

Bastei Entertainment
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Ersterscheinung: 09.01.2014
ISBN: 978-3-8387-4120-8

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