Sun Koh 3- Piraten an Bord

Paul Alfred Müller

„Piraten an Bord“ ist der dritte Sammelband der „Sun Koh“ Heftromanreihe. Er umfasst die Ausgaben 33 bis 48 inklusiv einer überarbeiteten zweiten Auflage der Nummer 36. Neben dem Besuch in „Lemuria“ – eine Idee, die es in den Nachauflagen in dieser Deutlichkeit nicht mehr gegeben hat – besucht Sun Koh Ägypten, Asien und schließlich auch die Osterinseln, bevor es mit einem offenen Ende in die Eiswüsten Alaskas inklusiv einer wohnlichen Oase geht. Einen breiten Block nimmt die Auseinandersetzung mit Juan Garcia ein, die von einer phantasievollen Gehirnwäsche – ebenfalls in der Zweitauflage nicht mehr vorhanden – bis zu einem Ende mit May´schen Dimensionen (siehe „Der Schatz im Silbersee“) reicht. Ob es wirklich das Ende des Erzschurken ist, muss noch abgewartet werden.

Die beiden Herausgeber Dieter von Reeken und Heinz J. Galle distanzieren sich berechtigt von den rassistischen Exkursen Müllers, die er angeblich ohne Not und noch ohne den Druck der Zensurbehörde verfasst hat. Natürlich sind diese Texte/ Verunglimpfungen und vor allem auch der nur vordergründig nachvollziehbare Stammbaum der Atalanter als reine Arier insbesondere auch heutiger Sicht nur zu verdammen, aber zu der Zeit, als Müller diese Serie verfasste, herrschte schon die Schere im Kopf und die Bücherverbrennungen fanden seit Mai 1933 statt. Die hier versammelten Texte erschienen 1934, als die Zensur noch nicht so stark, aber die Ausrichtung der Literatur durch Beeinflussung nicht von ganz oben, aber der mittleren Ebene schon stärker fortgeschritten gewesen ist als es viele wahrhaben möchte. Einige der Intellektuellen hatten Deutschland aktiv oder passiv verlassen, weil ihre Texte nicht mehr genehm waren. Der heutige Leser hat das Gefühl, als habe Müller auch in Bezug auf seine weitere schriftstellerische Tätigkeit einen goldenen, aber zwecklosen Mittelweg gesucht, in dem der den Herrschenden aus innerer Not und weniger Überzeugung nach dem Maule geschrieben hat. Insbesondere in diesem Sammelband bekommen ja nicht nur die nicht arischen Völker ihr Fett weg, die Engländer und ihre Besitzung Honkong werden – ebenfalls politisch nicht gewollt – wohlwollend behandelt. Paul Alfred Müller überspitzt den Bogen, wenn er alle Farbigen zu bloßen Befehlsempfängern macht und ihnen jegliche Kreativität abspricht. Die Popularität der „Sun Koh“ Romane dürfte wie schon angesprochen anfänglich die kritische Aufmerksamkeit der sich damals mehr und mehr ausbildenden Behörden erregt haben. Mit seinen verbalen Exzessen – in erster Linie sind es Monologe, die der Übermensch „Sun Koh“ als von Beginn überzogen arische Schöpfung hält – hat Müller ohne Frage einige Beamte besänftigt, sich aber gleichzeitig auf eine Stufe mit Hans Dominik oder anderen utopischen Schriftstellern gestellt, welche den deutschen Ingenieursgeist mit Scheuklappen gegenüber den Aufrüstung bejubelt, die Ausländer verteufelt haben. Heinz J. Galle geht in seinem ausführlichen Nachwort mehrfach auf die Veränderungen ein, die Müller in seinen Texten bei den Neuauflagen vornehmen musste, wobei dem Zeitgeist geschuldet die meisten „schlimmen“ Passagen schon in den Erstauflagen vorhanden gewesen und mit dem nötigen Abstand der Herausgeber hier notwendigerweise präsentiert werden und intakt geblieben sind.      

 

"Eine Spritze Tollwut" beendet den im zweiten Band "Der lachende Teufel des Wassers" angefangenen Zyklus. Im Gegensatz zu den Erwartungen konzentriert sich Paul Alfred Müller nicht auf eine klischeehafte Abenteuergeschichte mit Schurken - diese kommen in Form von fünf Amerikanern auch vor, spielen aber keine entscheidende Rolle- , sondern beschreibt mit Ryken eine Art geläuterten Kapitän Nemo der dreißiger Jahre. Begleitet von einem niederländischen Arzt mit dem Hang zur Flasche hat Ryker nicht nur ein modernes Tauchboot entwickelt und nutzt es heimlich in den unterirdischen Flüssen der miteinander verbundenen Wüsten, er hat vor allem einen hochmodernen Windpark - es steht zwar nur ein Mast mit einem riesigen Rotor, die Anlage ist aber ausbaufähig - entwickelt, der die herkömmlichen Brennstoffe obsolet erscheinen lässt. Diese Erfindung will Ryker der Menschheit kostenlos nach der Testphase zur Verfügung stellen. Diese Idee lässt den Roman ausgesprochen modern erscheinen. Auf der anderen Seite wirkt der Aufbau der Anlage in einem Seuchengebiet - die Krankheitserreger kommen von den unterirdischen Wassergebieten - spannungstechnisch ein wenig weit hergeholt. Zusammen mit den allerdings inhaltlich kaum verbundenen folgenden Abenteuern "Die Schlangenfalle"/ "Die Gefangenen der Pharaonen" geht es Sun Koh darum, die Reichweite seiner Vorfahren zu testen. Die Bewohner seiner untergegangenen "Heimat" haben sich nicht nur in Südamerika niedergelassen, sondern im Ägyptischen gibt es auch Anspielungen auf den Atlantis Mythos. Dabei kombiniert Paul Alfred Müller bestehende Fakten sehr gut mit der Legende. Im vorliegenden Roman "Eine Spritze Tollwut" werden sie in erster Linie angedeutet, während im folgenden Doppelband allerdings unter einer Reihe handlungstechnischer Klischee tiefer auf sie eingegangen wird. Als alleinstehender Roman ist "Eine Spritze Tollwut" vor allem interessant, weil Paul Alfred Müller mit dem Erfinder Ryken einen vielschichtigen und dreidimensionalen Charakter eingeführt hat, der sich wohltuend von den nicht selten eher einfachen Beschreibungen der Nebenfiguren abhebt.  

Dagegen bestehen "Die Schlangenfalle" und "Die Gefangenen der Pharaonen" aus einer Reihe von Klischees. Durch einen Zufall erfahren Nimba und Hal, das eine junge attraktive Engländerin zur Ehe gezwungen werden soll, da ihr Vater inzwischen bankrott gegangen ist. der Wissenschaftler hat sich mehr um seine Ausgrabungen als seine Finanzen gekümmert. Der potentielle Verehrer hat inzwischen alle Wechsel aufgekauft und sucht so die Hand der Frau, die ihn ablehnt. Sie greifen aktiv ein und Sun Koh bietet anschließend auch an, die Wechsel aufzukaufen. Die Geschichte endet in einem Tod durch Schlangenbiss und der Entführung der Frau durch zwei Araber, die mit ihr in die tiefste Wüste aufbrechen. Während der zugrundeliegende Plot eher schematisch abläuft und auch über wenig innere Spannung verfügt, sind andere Aspekte des Romans auch in Hinblick auf die Gesamtserie interessanter. So wird Sun Koh ein neues Flugzeug - ein Senkrechtstarter - aus der Ideenschmiede in den lateinamerikanischen Bergen fast in James Bond Manier geliefert. Oder weitere Informationen sowohl über die Verbindung der ägyptischen Götter zu Atlantis als auch aufgrund der Fundes einer zehntausend Jahre alten Leiche ins alte Europa werden mit einer Mischung aus leicht gebogenen Fakten und Phantasie präsentiert. Auch wenn Paul Alfred Müllers teilweise belehrende Exzesse - nicht selten ist Hal die Identifikationsfigur des Lesers, welche mit Informationen förmlich überschüttet wird - in seine ansonsten stringenten Abenteuer eingebaut hat, die für die Neuauflagen in Leihbuchform gekürzt oder ganz weggestrichen worden sind, vermitteln sie den hier neu veröffentlichten Ur "Sun Koh" Abenteuern eine heute im Zeitalter des Internets schwer nachvollziehbare Authentizität.  Während die Nachfolgerserie fast ausschließlich auf Technologie gesetzt hat und der Mythos "Thule" eher in die arische Zeit gepasst hat, ist die Balance zwischen technologischer Innovation und globalen Mythen bei "Sun Koh" deutlich ausgeglichener. In dieser Hinsicht überzeugt der Doppelband trotz der viel zu abrupten und zu leichten Endes in hintergrundtechnischer Hinsicht und bildet ein Fundament für die noch kommende "Lemuria" Miniserie, die ebenfalls in diesem dritten Sammelband vorhanden ist.  

Das 36. Abenteuer „Die künstliche Seele“ alias „Juan Garcia entflieht“ ist zweimal vorhanden. Müller musste es für die Neuauflage hinsichtlich der inneren Reinigung des Schurken Juan Garcia in das Gefangenschaft Sun Kohs umschreiben. Da „Juan Garcia entflieht“ im Anhang komplett nachgedruckt worden ist, lassen sich die Plot Abläufe sehr gut miteinander vergleichen. Die Erstausgabe verfügt zusätzlich über einige kuriose Szenen. So findet sich auf der Seite 92 der Neuauflage wieder ein rassistischer Exkurs, in dem Paul Alfred Müller auf das unwerte Leben eingeht. Auf der gleichen Seite weiter oben schreibt er allerdings auch, dass inzwischen dank der modernsten Nachrichtentechnik eine Massenbeeinflussung der Völker von „oben“ möglich ist. Müller belobigt die Menschen verachtende Politik der Nationalsozialisten und entlarvt gleichzeitig die wichtigen Eckpfeifer ihrer Machtergreifung und ihres Machterhalts sowie die Verführung der Jugend von „Kindesbeinen“ an durch eine kontinuierliche Zensur und propagandistische Sendungen/Filme in allen Massenmedien.  Ansonsten ist der in verschiedener Hinsicht fragwürdige Roman das Sprungbrett für einen abenteuerlichen Mehrteiler, in dem Sun Koh Garcia bis in den Dschungel Kambodschas folgt. Ausgangspunkt ist der Versuch, Garcia mittels eines Gedankenexperiments – der künstlichen Seele – in einen Gutmenschen nach Vorbild seines Bruders zu machen. Garcia in der einen Zelle, ein unschuldiger bis naiver Pfarrer daneben. Mittels eines Gedankennetzes soll Garcia dessen Sanftmütigkeit und Persönlichkeit annehmen. Diese Manipulation gipfelt in der Konfrontation mit dem Original. Die Naivität von Suh Kohs Helfern und vor allem Garcias Bruder ist unglaubwürdig. Nach wenigen Wochen der Behandlung sind sie überzeugt, dass dieser Prozess nicht mehr umkehrbar ist. Kaum hat sich diese Erkenntnis verfestigt, als Garcia flieht und dabei Joan Martini entführt.  Die kann sich mit einem Sprung in die Fluten aus dem Boot retten, der herbei eilende Sun Koh kann sie aber nicht retten.  Diese erfolgt wahrscheinlich in einem späteren Roman. „Die künstliche Seele“ ist die technokratische, aber deswegen moralisch weiterhin fragwürdige eine Seite der Münze. In der zweiten Auflage „Juan Garcia entflieht“ soll alleine das Zusammenleben mit einem biederen Menschen Garcia heilen.  Da Paul Alfred Müller von dieser inhaltlichen Änderung nicht überzeugt gewesen ist, leidet die im Anhang nachgedruckte Zweitauflage neben der unglaubwürdigen Prämisse unter jeglicher Dynamik. Das Original mit der zweifelhaften Methode – selbst die technische Umsetzung bleibt oberflächlich – ist insbesondere aus dem Zeitgeist heraus ambivalent und mit politischen Abstrichen lesenswert. Die Grundidee einer derartig tiefen Gehirnwäsche – in den späteren Abenteuern wird sich zeigen, dass Garcia jetzt zu einer gespaltenen Persönlichkeit geworden ist – ist später vom amerikanischen Paranoia Kino vertieft worden. Im Vergleich zu den später realisierten „technischen“ Erfindungen wirkt sie utopisch. Aber noch ein anderer Faktor ist fragwürdig. Garcias Bruder löst das gesamte Vermögen des Verbrechers auf und spendet es wohltätigen Organisationen. Die Reaktion erfolgt im anschließenden Abenteuer „Der mordende Schall“, wenn Juan Garcia sich mit einer erpresserischen Mordserie unter Nutzung einer dafür natürlich nicht gedachten Erfindung wieder Betriebskapital besorgt. Ein schlechtes Gewissen hat in Sun Kohs Organisation niemand. Immerhin sind sie indirekt für diesen Abschnitt von Juan Garcias Taten mit verantwortlich. 

Die Grundidee des "modernden Schalls" - das Gerät ist in einer Kamera versteckt und die falsche Identität des Journalisten ermöglicht es Garcia, nicht nur an den Tatorten unauffällig zu gegen zu sein, sondern über die Taten noch gesondert zu berichten - wird solide extrapoliert, während die grundlegende Handlung sehr einfach strukturiert worden ist. Sun Koh und seine Mitarbeiter kommen sehr schnell der falschen Identität nach einem Umweg über die örtliche Polizei mit tödlichen Folgen auf die Spur. Am Ende kann Garcia sich in Richtung Asiens absetzen. "Irrlichter über Saigon" ist in dieser Hinsicht eine Art Reiseroman. So sehr ein Zwischenband, dass selbst Lady Houston auf einer Expedition aus dem Meer gerettet und dann handlungstechnisch wieder abgesetzt werden kann. Saigon ist der Ausgangspunkt der Expedition in den Dschungel. Garcia sucht die Krone der Khmer - "Der Tiger von Angkor" und "Die Krone der Khmer" hat Müller zusammen mit " zusammen mit "Irrlichter über Saigon" zu einem nach dem Krieg veröffentlichten Leihbuch zusammengefasst - und damit deren Schätze, um seine Kassen wieder aufzufüllen. Sun Koh ist ihm mehr oder weniger dicht auf den Spuren. Neben den ausführlichen exotischen Beschreibungen finden sich eine Reihe von Actionszenen, aber auch ein rassistischer Exkurs, der aus heutiger Sicht traurig belustigend ist. Wenn Sun Koh behauptet, die kreative zur Weltherrschaft bestimmte Rasse der Arier ist die direkte Nachfolgelinie der Atlanter, dann ist die Argumentation schon fragwürdig. Hinzu kommt, das die Farbigen nur zur Kopie fähig sind und keine eigenständigen Entwicklungen zu Wege gebracht haben. Daher leben die Europäer trotz der Tendenz, das eigene arische Blut durch Rassenvermischung immer wieder zu schwächen, sozial auf einem höheren Niveau, obwohl ihre Kultur deutlich jünger als viele arabische Stämme ist. Nimba nickt diese These ab. Interessant ist, dass Müller diese verbale Entgleisung textlich nicht belegt und statt dessen immer wieder die vorhandenen Reste der asiatischen Kultur - die Tempelanlagen sowohl in Angkor als auch das Versteckt der Krone der Khmers im tiefsten Dschungel - mit entsprechender Ehrfurcht beschreibt. Asiaten sind also keine Kopisten der atlantischen Kultur. Dieses globale Urvolk, von dem Sun Koh abstammt und das er wieder beleben soll, ist ein Aspekt der Serie, der insbesondere im ersten Drittel als Basis allen Forschens genommen wird. Kritisch betrachtet ist es allerdings Juan Garcia, der nicht selten Sun Koh als Verfolger und Schatten zu diesen Orten bringt und ihn dann formelhaft mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert. Inhaltlich macht Paul Alfred Müller zu viele Fehler. Sun Koh kann trotz seines Zorns Garcia nicht töten, weil er wieder in seine friedliche Persönlichkeit geschlüpft ist. Garcias Wesen auszulöschen ist deutlich einfacher. Auf der anderen Seite macht es sich der Erzschurke nicht leicht, seinen Feind auch in deutlich überlegenen Situationen nicht zu töten. Statt eine Kugel werden in einer der interessanten Szenen Tiger bemüht und das Ergebis nicht einmal kontrolliert. Dann verlässt er sich auf ein halbes Dutzend Chinesen, die natürlich Sun Koh nicht besiegen können und ist von seiner erneuten Niederlage überrascht. Die Formelhaftigkeit dieser Jagd steht in einem sehr starken Kontrast zu den exotischen Handlungsorten, von denen Saigon mystisch und märchenhaft, gefährlich und wunderschön beschrieben worden ist. Auch stilistisch hat sich Paul Alfred Müller in diesen Romanen auf eine zu oft wiederholte Formel eingeschossen. Er suggeriert, dass Sunk Koh - mindestens zweimal - und Garcia - mindestens einmal - einen Fehler machen, der ihre folgenden Handlungen beeinflussen wird. Mit diesen Andeutungen, die nur selten von der Handel bestätigt werden, versucht der Autor nicht nur Spannung zu erzeugen, sondern die Mauer zwischen Protagonisten, Erzähler und Leser zu durchbrechen. In der geballten Form der Sammelbände fällt diese sich wiederholende Handlungsweise zu stark auf, zumal der in Asien spielende Mehrteiler aus zu vielen, teilweise stereotypen Verfolgungsjagden bestimmt und das Ende in der "Königskammer" zu leicht vorauszusehen ist. Diesem Mehrteiler fehlen auch die interessanten Nebenfiguren, mit denen Paul Alfred Müller manchen Roman geradezu bevölkert hat.  

In „Die gestreifte Nase“ – in der Zweitauflage hieß der Roman „Die Spur des Chinesen“ kommt eine weitere politisch nicht unumstrittene Komponente hinzu: das Jammern über die Ungerechtigkeit des Versailles Vertrages, die Abspaltung der Randzonen des Deutschen Reiches in Richtung Frankreich und Polen und die Idee, das nur der Starke die Macht über die Erde oder zumindest Europa haben darf. In Person des angetrunkenen Kapitäns Krothoff schaut Paul Alfred Müller dem Volk aufs Maul. Krothoff hat auch an der Rettungsexpedition der „Delphin“ zusammen mit Lady Houston teilgenommen. Während die Lady von Sun Koh aus dem Wasser und in ein Krankenhaus in Hongkong geschafft worden ist, glaubt niemand bis auf Sun Koh dem Kapitän, dass er eine unbekannte Insel mit einem weiß leuchtenden Turm gefunden hat, welche den Bug der „Delphin“ zusammenschmolz. Sun Koh tippt relativ schnell auf Radium- er ist allerdings auch nicht der einzige. Krothoff wird in diesem kurzweilig zu lesenden Auftaktband welch eine Überraschung entführt. Einmal von einem Chinesen, der perfide Experimente mit Hunden – eine künstliche Maschine ersetzt das Herz – durchführt und jetzt ein menschliches Opfer braucht. Und  gegen Ende des Heftromans, als Krothoff laut verkündigt, dass er mit dem richtigen Schiff – von Sun Koh – und den richtigen Geldmitteln – ebenfalls vom Sohn Atlantis – diese unbekannte Insel wieder finden kann, verschwindet ein weiterer potentieller Helfer, dessen Lebensgeschichte abschnittweise den Auftakt des folgenden Romans bildet. . Neben dem angesprochen politischen Exkurs ist die Prämisse einer geheimnisvollen Kraft und einer wie aus dem Nichts aufgetauchten Insel interessant genug, um den Leser in ihren Bann zu ziehen. Die Actionhandlung ist im Vergleich zu einigen anderen „Sun Koh“ Romanen deutlich einfacher gestrickt, aber der patriotische und trottelige Krothoff ist eine dreidimensionale, aber auch teilweise überzeichnete Nebenfigur, die einen starken Kontrast zum Asketen Koh bildet.  In den verschiedenen Buchausgaben ist „Dynamit unter Hongkong“ zum Teil ausgelassen worden, weil die Handlung auf der einen Seite gänzlich eigenständig ist, auf der anderen Seite die handelnden „Personen“ in Position für die Suche nach der geheimnisvollen, strahlenden Insel geschoben werden müssen. Der Plot von „Dynamit unter Hongkong“ zerfällt in die kitschige Liebesgeschichte über die englischen Standesschranken hinweg und den Aufstand der Chinesen gegen die Engländer, der minutiös geplant worden ist. Sun Koh sind bei der Befreiung Krothoffs in „Die gestreifte Nase“ die Pläne der Aufständler in die Hände gefallen. Er informiert den britischen Gouverneur, der auch noch der Vater der in einen jungen, britischen Kapitän verliebten und inzwischen entführten jungen Dame ist, die im Mittelpunkt der schon angesprochenen kitschigen und von Paul Alfred Müller überzogen beschriebenen Liebesgeschichte ist. Die Niederschlagung des Aufstandes geht relativ zügig vonstatten und am Ende des stringenten Abenteuers ist zumindest Krothoff bereit, Sun Koh zu „seiner“ in der Nähe der Osterinseln befindlichen Insel zu führen. Atmosphärisch bewegt sich Paul Alfred Müller insbesondere gegenüber den Chinesen immer am Rande des Klischees, stellt im Gegensatz zu den ansonsten vaterländisch martialischen Tönen die britischen Kolonialherren als antiquiert, naiv, dickköpfig, aber erträglich und für die Region förderlich da. Das Attentat auf den britischen Armeestützpunkt ist allerdings gut durchdacht und wird spannend inszeniert. Am Ende greift der Autor allerdings zu sehr auf bekannte Handlungsschemata zurück und lässt die Oberschurken zu schnell über die sinnbildliche Klinge springen. Interessanterweise geht der folgende „Reiseroman“ „Das verrückte Schiff“ in eine gänzlich andere Richtung. Sun Koh kauft eine gebrauchte Jacht für seine Expedition, deren Eigentümer auf dem Weg nach Hongkong gestorben sind. Kurze Zeit später bemerken insbesondere Hal und Nimba Geistererscheinungen unter Deck. Die ganze Episode wirkt atypisch für die Serie und ragt inhaltlich eher negativ aus dem begonnenen Mehrteiler mit seinen exotischen Schauplätzen und der geheimnisvollen Insel heraus. Die Erklärungen sind abschließend eher technisch verspielter Natur und zeigen die Exzentrik des bisherigen Eigentümers. In „Piraten an Bord“ – drei Ausgaben später – nutzt Hal die im Wellentunnel versteckte Technik zur Erzeugung von Geistererscheinungen, um sich gegen die Gruppe von grausamen und skrupellosen Piraten zu wehren, die das Schiff entführt haben, um dem gerade geborgenen Schatz in ihre Gewalt zu nehmen. Heinz J. Galle geht auf die signifikanten Änderungen der Titelbilder dieser Ausgabe in seinem Nachwort ein. Ansonsten ist das geradlinige Abenteuer in erster Linie interessant, weil Sun Koh sich an den Schurken rächt, in dem er sie per Standgericht beim kleinsten Zeichen von Widerstand zum Tode verurteilt, um sich an den vier von ihnen über Bord geworfenen Mitglieder seiner Crew zu rächen. Wie in einigen anderen „Sun Koh“ Romanen greift der Überheld erst spät in die Handlung an. Ungleich anderen Abenteuern ist Hal aber mehr als der Pausenclown und wehrt sich fast alleine aus dem Wellentunnel mit den zur Verfügung stehenden Tricks intelligent und pointiert gegen die von der Zahl her übermächtigen Schurken.    

 

Zusammen mit  „Götter der Einsamkeit“ – später in der Zweitauflage „Menschen der Einsamkeit“ -  zeigt dieser Teil der Serie auch eine Kleinigkeit auf, die Sun Koh nicht lösen/ erklären kann. Beim Besuch auf den Osterinseln und den geheimnisvollen Statuen kann der Erbe von Atlantis die Schrift unter den Statuen nicht entziffern. Trotzdem ist es faszinierend, wenn auch stellenweise deutlich arisch rassistisch angelegt, wie Paul Alfred Müller alle Hochkulturen quasi auf die Atlanter zurückführt, die im Umkehrschluss das idealisierte und verklärte Sinnbild des Germanen sein könnten. Alleine im vorliegenden Sammelband hat Müller verschiedene Kulturen – von den Mayas oder den Ägyptern über die Osterinseln bis zu seinem fiktiven „Lemuria“ – gestreift und auf Linie gebracht. Mit den Augen der damals jugendlichen Leser befriedigte Sun Koh das Fernweh, auch wenn der Autor immer Wert darauf gelegt hat, das zumindest wie in „Götter der Einsamkeit“ irgendwo ein Europäer im Hintergrund „vorhanden“ sein muss. „Götter der Einsamkeit“ und „Die Faust der Erde“ stellen einen inhaltlichen Höhepunkt dieser Serie da. Dabei lehnt sich Paul Alfred Müller ein wenig an eine exotische Variation der Lateinamerikaabenteuer Karl Mays an. Kaum ist die Insel mit dem seltsamen Turm gefunden worden, fliegt Sun Koh allein hin und lässt sein Schiff in sicherem Abstand eine gewisse Zeit kreuzen. Auf der Insel wird er von zwei Eingeborenen erwartet, die in sehr unterschiedlich behandeln. Der Ältere schlägt ihn auf seinem Weg zum Turm nieder und will ihn wie alle Besucher töten, der Jüngere englischer Abstammung namens Alk will ihn retten. Passend findet sich auch ein Liebesinteresse bei den gestrandeten Amerikanern auf der Nachbarinsel, die Kapitän Krothoff schon bei seiner ersten Expedition retten wollte. Über die beiden „Götter der Einsamkeit“ erfährt der Leser frustrierend wenig. Fanatismus und Aufklärung – allerdings erst nach Sun Kohs Anstoß und durch die verschütteten europäischen Wurzeln begünstigt – stehen sich unvereinbar gegenüber. Der Turm als Allzweckwaffe, der während Sun Kohs Aufenthalt ein weiteres Schiff durch Auflösen des Metalls in die Tiefe schickt, bleibt dabei zu Lasten zu langer und ausführlicher Dialoge im Hintergrund. Da die Einsamkeit wie die Sinnlosigkeit ihrer Aufgabe im Vordergrund steht, wirkt Müllers Hang zur Fokussierung – großartige Hintergründe verbinden sich mit der Perspektive weniger Individuen und vor allem relativ stringenter, klassischer Abenteuerhandlungen  - unterstützend. Mit dem teilweise ausgeschalteten und später gänzlich isolierten sowie emotionaler als sonst reagierenden Sun Koh – er wird niedergeschlagen und muss nicht zum ersten Mal insbesondere in diesem Sammelband von Dritten befreit werden – verfügt der Mann über einen zugänglichen „Helden“, der mit einem Phänomen in technischer wie auch menschlicher Hinsicht konfrontiert wird. Paul Alfred Müller hat auf der zwischenmenschlichen Ebene sehr viele Vorlagen – wie angesprochen Karl May oder „Der letzte der Mohikaner“ sowie wie aus dem nächsten Band ersichtlich auch „Robinson Crusoe“ – in sein Garn integriert. Es ist keine große Überraschung, dass „Die Faust der Erde“ als dritter aufeinanderfolgender Band mit einem langen Rückblick beginnt. Müller beschreibt das Schicksal der auf der Nachbarinsel gestrandeten vier Europäer, die vom jungen Alk mehrfach besucht werden. Neben der Romanze zwischen der einzigen Frau und dem edlen Wilden Alk ist bemerkenswert, dass Paul Alfred Müller in dieser aussichtslosen Situation – Sun Koh landet auf der Insel, sein Flugzeug wird allerdings vom zornigen Älteren, der den Turm mit den Radiumstrahlen immer wieder auf zu nahe herbeifahrende Schiffe richtet – auf ein Naturereignis zurückgreift, um die Situation zu retten. Als Abschluss ist „Die Faust der Erde“ allerdings lesenswert. Neben einigen überzogenen Exkursen in die Entwicklung untergegangener Völker, deren Blutauffrischung durch vor Jahrhunderten gestrandete Europäer von kurzer Dauer gewesen ist, ist es die Mischung aus einer archaischen Kultur und dem prähistorischen Element allerdings dann moderner Vernichtung – der Turm erinnert an die Strahlenkanonen späterer Pulpabenteuer -, die einen besonderen Reiz ausübt. Die finale Konfrontation wirkt ein wenig überstürzt und das Alk den Schatz eines Volkes bergen kann, das ihn nur aufgenommen hat, wirkt wie ein seltsamer Kompromiss, aber zumindest führt der Autor auf Son Kohs Seite weitere interessante Helfer – neben Alk noch den waghalsigen, natürlich deutschstämmigen Piloten Ritter in einem der Folgeromane – ein und lässt sie vor allem deutlich autarker auf das große Ziel – der Aufstieg Atlantis – und als interessanter Zwischenton – dessen Verteidigung gegen alle neidischen Elemente – mit hinarbeiten.

Der letzte Handlungsbogen schlägt den Bogen zurück auf die von Garcia entführte stille Liebe Sun Koh Joan Martini. Sie wurde vom angesprochenen Ritter in „Die Rache der Verschmähten“ (in der Zweitauflage erotisch entschärft „Die Verschwundene“ betitelt) auf einem einsamen Landstrich gefunden und zu den Ärzten nach San Franzisco gebracht. Hier trifft auch die von Sun Koh gerettete Lady Houston ein. Sun Koh lehnt ein weiteres Mal ihre Annäherungsversuche ab, so dass die Lady die an Gedächtnisschwund leidende Joan aus dem Krankenhaus lockt und sie an einen der Goldgräber in Alaska verkauft, damit sie dort als Gespielin – impliziert eher zur Prostitution gezwungene Frau – ihre Anziehungskraft auf Sun Koh verliert. Sun Koh macht sich auf die Jagd nach dem Entführer und landet schließlich im letzten Roman dieses Sammelbandes in „Die weiße Hölle“. Dabei bewegt sich Paul Alfred Müller auf einem sehr schmalen Grad. Sein Lesepublikum sind in erster Jugendliche, denen er die sexuelle Ausbeutung von hübschen wie hilflosen Frauen nur andeuten kann. So nimmt sie aus dem wildesten Goldgräberlager der Region einer der Männer – angeblich ihr „Vater“ !!! – mit auf die Suche nach einem seltenen Claim. Viel Interesse scheint er an ihr in körperliche Hinsicht nicht zu haben, denn jederzeit würde er sie zurücklassen, sobald sie ihm zur Last fält. Ein Jüngling eilt voller Liebe ihr hinterher. Die Zwischentöne, dass Joan Martini ja auch Sun Kohs platonische wie stille Liebe ist, ignoriert der Autor und konzentriert sich in der zweiten Hälfte dieses nicht abgeschlossenen Mehrteilers auf die unwirtlichen Klimaverhältnisse in Alaska, die in ihren Beschreibungen Jack London in nichts nachstehen. Das phantastische Element – in „Die weiße Hölle“ noch nicht weiter erläutert – ist die grüne Insel, in die sich schließlich die Helden retten können und die Johnny Bruck in einer der späteren Leihbuchneuauflagen aufs Titelbild „gebrannt“ hat. Während die Handlung aus verschiedenen, von Müller dieses Mal zu oft verwandten Versatzstücken wie der zehnten Entführung Opfern beiderlei Geschlechts in knapp fünfzehn Romanen getrieben wird, sind es die Beschreibungen inklusiv des kaum sich beherrschenden Sun Kohs, die den Leser auf den abschließenden Roman neugierig machen. Mit Juan Garcia, Lady Houston und schließlich dem mehrfach durch den Kakao gezogenen friedlichen Bruders, der sich allerdings rächt, treten alle relevanten Antagonisten und ihr Anhang in den Romanen mehr oder minder in Gastrollen auf. Es ist erstaunlich, dass insbesondere die krankhafte Eifersucht von Lady Houston eher wie eine Art Running Gag behandelt wird und das Son Koh nach seinen negativen Erfahrungen sogar noch eine Einladung annehmen würde. Diese zwischenmenschlich eher sperrigen Szenen stehen in einem starken Kontrast zu den vielen, sehr unterschiedlichen exotischen Schauplätzen, welche die „Sun Koh“ damals wie heute im Vergleich zu den teilweise sehr belehrend vorgetragenen mystischen Elementen und unabhängig von den immer zahlreicher werdenden rassistischen Entgleisungen lesenswert machen.

Abgeschlossen wird der dritte Sammelband durch die entsprechenden „Jiu Jitsu“ Anleitungen der Hefte und vor allem durch Heinz J. Galle ausführlichen Artikel, in dem er wieder auf die Vorlagen der hier gesammelten Romane genauso eingeht wie auf die technischen Erfindungen, die Müller entweder extrapoliert hat oder die auf andere Autoren als Inspiration gewirkt haben. Neben den inhaltlichen Hinweisen ist die Integration der einzelnen originalen „Sun Koh“ Hefte in spätere, bearbeitete Neuauflagen sowie im vorliegenden Fall der sechzehn Ausgaben weniger andere Arbeiten Paul Alfred Müllers interessant. Dabei geht Galle nicht nur auf den möglichen Zensureinfluss – extern, aber seltener im Hinterkopf – ein, sowie die Umarbeitung der einzelnen Stoffe sowie andere Science Fiction Arbeiten, die teilweise ähnliche Themen auf gänzlich andere Art und Weise behandelt haben. Wie bei allen Ausgaben dieser empfehlenswerten Sammleredition sind die einzelnen Titelbilder der verschiedenen Auflagen sowie weiteres Bildmaterial sehr gut wiedergegeben worden.                     

 

Band 3: Piraten an Bord (Hefte 33–48, Nachauflage der Nr. 36 als Anhang, 481 S., 72 Abb.) — 27,50 € — ISBN 978-3-940679-75-8
Inhalt: 33 Eine Spritze Tollwut | 34 Die Schlangenfalle | 35 Die Gefangene der Pharaonen | 36 Die künstliche Seele [Nachauflage „Juan Garcia entflieht“; im Anhang enthalten] | 37 Der mordende Schall | 38 Irrlichter über Saigon | 39 Der Tiger von Angkor | 40 Die Krone der Khmer | 41 Die gestreifte Nase | 42 Dynamit unter Hongkong | 43 Das verrückte Schiff | 44 Götter der Einsamkeit | 45 Die Faust der Erde | 46 Piraten an Bord | 47 Die Rache der Verschmähten | 48 Die weiße Hölle

Anhang 1: Jiu-Jitsu-Anleitungen 33–48
Anhang 2: Dokumentation zu den Sun-Koh-Heften 33–48
Anhang 3: Juan Garcia entflieht (Neufassung des Heftes 36 ab der 2. Auflage)
Anhang 4: Sun-Koh-Heft-Titelverzeichnis 1–150
Anhang 5: Sun-Koh-Leihbuch-Titelverzeichnis 1–37
Anhang 6: Sun-Koh-Taschenbuch-Titelverzeichnis 1–37