Vigiles 3: Urlaub auf Capri

Dirk van den Boom

"Urlaub auf Capri" ist der dritte und bislang letzte Roman um den Tribun Ackermann und seine neu geschaffene Polizeitruppe- die Vigiles. Der Haupthandlungsfaden um den Kreuzmörder aus der Gegenwart der Saarbrücken mit in die Vergangenheit genommen wird nur quasi auf der letzten Seite nebenher abgewickelt. Im mittleren Roman hat Ackermann viele Besatzungsmitglied der Saarbrücken hinsichtlich ihrer Alibis bei den Morden an jungen Mädchen interviewt. Zum Ende des Romans präsentiert er quasi einen einzigen in Frage kommenden Verdächtigen, ohne das der Fall abschließend kriminaltechnisch aufgeklärt worden ist. Es bleibt abzuwarten, wie Dirk, van den Boom den Handlungsbogen fortführt und ob es zu direkten Ermittlungen gegen den durch Zufall bekannt gewordenen Verdächtigen kommt.

 Bis dahin präsentiert der Autor einen als Ganzes betrachtet er mittelprächtigen Kriminalfall wie einigen Klischees. Aber bis es zum ersten Mord und einer anschließenden den Leser irritierenden Ablenkungstat aus gänzlich anderen Motiven kommt, setzt sich Dirk van den Boom aus der Perspektive des privat ein wenig mit seiner Liebesbeziehung zu intelligenten, selbstbewussten und attraktiven Lucrezia überforderten Ackermanns mit einer anderen Idee auseinander. Urlaub. Ackermann erläutert Lucrezia, das in seiner Zeit Staatsbedienstete acht Tage bezahlten und zusätzlich sechs Tage unbezahlten Urlaub in einem Jahr nehmen konnten. Dieses Konzept führt der neue römische Kaiser auch im alten Rom ein und aufgrund des Drängens seiner neuen Freundin soll Ackermann zu den ersten Polizisten gehören, der Urlaub nehmen wird. Die Fahrt soll zu Lucrezias zahlreichen Verwandten auf der Insel Capri gehen.

 Schon im zweiten Band der Serie "Leichte Mädchen" hat Dirk van den Boom sehr viel mehr Wert gelegt auf die Charakterisierung seiner Figuren als in vielen anderen der aus seiner Feder stammenden Serie. Diese Tendenz setzt sich fort. Ackermann hat angesichts der in Rom zurückgelassenen Arbeit zu Beginn des Urlaubs noch ein schlechtes Gewissen, obwohl Lucrezias Verwandte ihn im wahrsten Sinne des Wortes zu mästen suchen. Auf der anderen Seite kann er noch nicht viel mit seiner Freundin anfangen. Romantische Treffen zum Essen abseits des Alltags, gewichtige Gespräche sind planbar, aber ganze Tage unter anderem mit Ausflügen zu weiteren Verwandten zu verbringen, ist noch nicht auf dem Schirm. Auf der anderen Seite scheint Lucrezia schon eher die gemeinsame Zukunft zu planen. Neben den unterschiedlichen Ansichten der Beiden ist im alten Rom das Konzept des Urlaubs, der Freizeit für die Massen noch gänzlich unbekannt und wird eher den Adligen zu geschrieben. Auch hier hat Dirk van den Boom einige treffende, aber für seinen Stil auch angemessen dezente ironische Kommentare im literarischen Köcher.

 Den Lebensstil abseits des Bekannten beschreibt der Autor sehr ausführlich. Auch die wirtschaftlichen Verbindungen des alten Roms sind vielleicht besser als in den beiden bislang veröffentlichten Romanen zu erkennen, da Capri die Veränderungen durch die einzelnen Zeitenwanderer und ihre Ideen erst nach und nach kennenlernt. Das Flair des süßen Lebens auf der Insel wird dreidimensional präsentiert, aber auch die Schattenseite mit einer bislang eingeschränkten Infrastruktur und dem nicht immer leichten Leben als Fischer vor allem in Hinblick auf die verschiedenen Unbilden der Natur.

 Wie erwähnt ist der eigentliche Kriminalfall ausgesprochen stringent entwickelt. Ein Verwandter Lucrezias wird in seiner Hütte ermordet aufgefunden. Anscheinend hat er nebenbei als Geldverleiher gearbeitet. Allerdings nicht nur für die eigene Tasche, sondern einen örtlichen Kredithai. Das Schuldnerbuch ist verschwunden. Die örtliche noch wenig ausgebildete Polizeieinheit bittet ihren obersten Vorgesetzten um Hilfe. Und Ackermann kann aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen dem Toten und seiner Freundin sogar ohne schlechtes Gewissen und mit der Erlaubnis von „oben“ ermitteln.

 Kurze Zeit später wird noch ein Anschlag auf einen kirchlichen Würdenträger auf der Insel verübt.

 Dirk van den Boom legt zwar kleinere falsche Spuren, aber Ackermann lässt sich viel zu wenig beirren. Lange Zeit folgt er der Spur des Geldes und verhört nicht selten instinktiv als auf Fakten basierend die üblichen Verdächtigen. Mit dem Verschwinden seiner Freundin wird plötzlich der Kreis der Verdächtigen radikal reduziert, das Finale ist deutlich dramatischer als in den letzten beiden Büchern und die Motive gehen über Gier hinaus. Sie sind für den Leser nachvollziehbar, auch wenn irgendwo zwischen den Zeilen impliziert wird, das die von den Zeitenwanderern mit initiierten politischen Veränderungen eine Mitschuld tragen könnten.

 Insbesondere die zweite Hälfte des Romans zieht sich allerdings auch deutlich. Ohne den Hintergrund des Kreuzmörders muss Dirk van den Boom auf eine andere Art und Weise für Ablenkung sorgen. Das gelingt ihm nur bedingt. An einigen Stellen müssen lange Dialoge den Platz auffüllen. In umständlicher Manier rechtfertigt der Täter seine Handlungen erst vor seinem Opfer, dann in der direkten Konfrontation vor Ackermann.

 Die Szenen werden immer wieder unterbrochen, in dem auf das inzwischen mildere römische Justizsystem hingewiesen wird. Im zweiten Band dagegen wurde gerade die drakonische Bestrafung der Täter durch Sklaverei benutzt, um vom potentiellen Täter ein Geständnis zu erpressen.

 Im Gegensatz zu den bisherigen Romanen betritt der Täter aber nicht die Bühne des Geschehens auf dem Off und agiert quasi mit der freiwilligen Enttarnung, sondern aus dem Kreis der in Frage kommenden Verdächtigen ist der Täter aus verschiedenen Gründen in „Urlaub auf Capri“ der Unwahrscheinlichste. Diese im Vergleich zu den anderen Büchern allerdings deutlich frühzeitigere Enttarnung geht einher mit dem angesprochenen Klischees der Entführung einer wichtigen Person. Dabei kommt Ackermann nicht einmal dazu, sich zwischen Pflicht weiterer Ermittlungen und der Sorge um die Person entscheiden zu müssen. Dieser Ansatz wird ihm in einer der wenigen Actionszenen abgenommen und die Spannungskurve negiert.

 Zusammengefasst ist „Urlaub auf Capri“ ein solider dritter Teil der Serie, der allerdings kriminaltechnisch zu viel verschenkt. Wenn ich mit Ackermann schon einen Fisch nicht nur an Land, sondern einer ihn in eher unbekannten und isolierten Umgebung/ Inselgemeinschaft platziere, dann sollte ich diese Tatsache auch besser ausnutzen. Vieles wirkt zu glatt, geht zu leicht von der Hand.

 Aber die Idee von „Urlaub“ hebt den Roman aus der Masse vieler anderer historischer Krimis deutlich heraus, auch wenn Dirk van den Boom diesen Aspekt insbesondere in der zweiten Hälfte zu oft zur Seite schiebt, um dann leider keine wirklich neuen oder originell überraschenden Ideen zu präsentieren.

Kaiserkrieger Vigiles 3: Urlaub auf Capri

  • Broschiert: 210 Seiten
  • Verlag: Atlantis Verlag (20. Mai 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 9783864025419
  • ISBN-13: 978-3864025419