Dutch Uncle

Peter Pavia

Mit “Dutch Uncle” legt Peter Pavia seinen Debütroman vor. Bislang ist er mit zwei sekundärliterarischen Werken sowohl über die verschiedenen Unternehmen des amerikanischen Geheimdiensts gegen die kubanische kommunistische  Regierung („The Cuba Project“) und einem Blick in das ein wenig abseitige Hollywood („The other Hollywood“) in Erscheinung getreten.  Das auffällige Cover vergleicht Peter Pavia  gleich mit Elmore  Leonhard, was  unglücklich ist. Eher wirkt sein Roman wie eine literarische Hommage an den Schauspieler und Regisseur George Armitage, der ja mit „Miami  Blues“ einen Film gedreht hat, dem „Dutch Uncle“ am ehesten entspricht. 

 Peter Pavia hat das Problem, dass er gleich zu Beginn eine Reihe von sehr unterschiedlichen Protagonisten einzuführen sucht und dabei zwischen einem stringenten Handlungsverlauf  sowie einigen Exkursionen unterscheiden muss. Das größte Problem liegt bei diesem statischen Auftakt in der Tatsache, dass der Leser die Figuren nicht nur nicht einschätzen kann, teilweise stehen sie sich fast konträr auf den Füßen.  Im mittleren Abschnitt versucht der Autor dieses Chaos  ein wenig zu ordnen und greift ein wenig über den Handlungsbeginn hinaus in die Vergangenheit, um eine planerische Komplexität zu entwickeln, welche der Leser dann wieder den betroffenen Figuren nicht zutraut. 

 Harry Healy ist dabei der tragische Verlierer.  Ein temperamentvoller  New Yorker, der als Rausschmeißer ein wenig zu sehr über die Stränge geschlagen und  deswegen zu Gefängnis verurteilt worden ist.  Harry Healy ist zwar kein Unschuldslamm, aber Peter Pavia macht klar, dass er  im Grunde ein naiver Mann ist, der nicht nur in Beziehungen, sondern vor allem an den angeblich so cleveren Geschäftsleuten gescheitert ist, die es  vordergründig gut mit ihm meinen.  So ist es kein Wunder, dass er im Laufe des ganzen Roman ausschließlich reagieren kann. 

 Das beginnt dank der Begegnung mit Leo, einem ehemaligen Mithäftling. Im Gegensatz zu Healy ist Leo vollkommen nicht nur von sich, sondern vor allem von  dem einem Coup überzeugt, der ihn wenn nicht reich, so zumindest vermögend machen soll. Dabei sucht  wie sich später herausstellt weniger  Komplizen, sondern im Grunde Sündenböcke. Und Harry Healy ist in dieser Hinsicht perfekt. 

 Healy  lehnt dessen Angebot ab, aber er nimmt einen Botengang von Manfred Pfiser, dem Onkel aus Holland an. Manfred Pfiser hat lange Zeit in den Niederlanden gelebt, ist dann nach Miami gezogen. Er ist Alkoholiker, nimmt gerne Drogen und ist schwul. Wahrscheinlich hat er sein Vermögen mit dem Handel mit Drogen gemacht. Harry Healy bringt einem schwulen exzentrischen und schwulen Pärchen Drogen. Der Deal geht schief, einer greift zur Waffe. Harry verprügelt ihn. Als er zu Pfiser zurückkommt, ist dieser tot. Offenbar erschossen. Niemand wird  einem gerade aus dem Gefängnis entlassenen Mann glauben, dass er wirklich nur ein „unschuldiges“ Päckchen für etwas mehr als ein  Taschengeld transportiert hat.       

 Von der Struktur her ist „Dutch Uncle“ teilweise ein sehr bemühtes Buch.  Der Autor  operiert auf mindestens drei Handlungsebenen, die eher schwerlich zusammenlaufen.  Der Leser verfolgt Harry Healys  Situation. Angesichts der verrückten Schwulen als Empfänger des  Päckchens kann man seine harte und entschlossene Reaktion nachvollziehen. Auch wenn er als Rausschmeißer immer wieder mit derartigen Männern es zu tun hatte, kann er sie weder ausstehen noch ertragen. 

Die Liebesgeschichte im fast statischen mittleren Abschnitt soll die Leser  emotional  ansprechen.  Hier bleibt der Autor  allerdings oberflächlich und vor allem erscheint das Ende sehr abrupt und aufgrund der manchmal zu schematisch, zu pragmatisch agierenden Nebenfiguren nicht aus sich selbst  heraus natürlich,  sondern extrem stark  konstruiert.  Es  ist zwar notwendig, um den Spannungsbogen länger aufrechtzuerhalten und die beiden anderen Handlungsebenen zu füttern, aber einzelne Kapitel erscheinen  eher wie Füllmaterial. 

Gegen Ende nutzt der Autor dann Healys Schicksal, um ihn als einen vom Pfad abgekommenen Sünder darzustellen, der abschließend genau der Versuchung widersteht, die ihm zu Beginn der Geschichte  in Schwierigkeiten gebracht hat.  Aber dieser  Epilog wirkt wie die ganze zweite Hälfte des Buches antizyklisch. 

 Der eigentliche Schurke ist Leo, ein  überdrehter selbstverliebter junger Mann aus reichem Haus,  der das Verticken von Drogen wahrscheinlich eher als Hobby sieht. Er ist ein sehr unsympathischer Charakter, der aus dem Nichts heraus -  die Stelle muss zweimal gelesen werden-  den Handlungsrahmen verlässt, ohne das es mit dem eigentlichen Verbrechen in einem Zusammenhang steht. Dadurch wirkt auch dieser Handlungsarm extrem unrund.  Der  Leser wünscht sich, dass  Leo mehr unmittelbar in den Fall eingebunden wird anstatt nur durch in den achtziger Jahren coole Dialoge in „Miami Vice“ Manier zu gänzen.

 Der dritte Beteiligte ist ein erfahrener Polizist.  Stoisch, verschlossen, aber nicht unbedingt ein Klischee lebt er davon, offene Fälle zu lösen. Immer wieder schaut er sich seine persönlichen Niederlagen an.  Er  soll nicht nur in dem Mord am holländischen Onkel agieren, sondern sucht parallel den Mörder einer  älteren Frau, die für weniger als zehn Dollar in ihrer Handtasche brutal zusammengeschlagen worden ist. 

 Peter Pacia beschreibt dann auch gesprochen ausführlich das eher langweilige Leben der Ermittler. Dem Buch fehlt auch eine dynamische Konfrontation zwischen Ermittler und Mörder. Stoisch werden die einzelnen Zeugen befragt und das Puzzle allerdings lange Zeit mit dem falschen Verdächtigen zusammengesetzt. Der Leser ist hier aus der Zeugenperspektive einen Schritt weiter, so dass sich keine wirkliche Spannung aufbauen kann.

 Vor allem weil am Ende der Kausalkette ein Täter steht, der wegen seines Verhaltens jederzeit in Frage kommen könnte, aber nur mittelbar mit dem Handlungsverlauf in einem Zusammenhang steht und die „Entlarvung“ daher nicht einmal eine Überraschung ist, sondern wie ein Notlösung erscheint.

 Unfair ist es, Peter  Pavia gleicht mit Elmore Leonhard zu vergleichen. Vor allem mit seinen späteren Romanen. In Hinblick auf den Plotaufbau zeigen sich einige Längen und die Auflösung ist kriminaltechnisch auch ein wenig bemüht, zu den positiven Seiten gehört aber neben der exzentrischen, aber auch interessanten Zeichnung der Figuren ein Gespür für den Hintergrund. Auch wenn es Handys gibt, wirkt „Dutch Uncle“ wie eine Episode, die durchaus für die Fernsehserie „Miami Vice“ hätte geschrieben sein können. Ohne die beiden modischen Ermittler, ein wenig dunkler, aber das von Drogen beschwingte Lebensgefühl der siebziger und achtziger Jahre wird in eine Reihe von eindrucksvollen sprachlichen Bilder gefasst, die der frühe Elmore Leonhard noch nicht erreichen konnte.       

 

DUTCH UNCLE
Peter Pavia
July 2005
ISBN: 978-0857683120
Cover art by Richard B. Farrell

Kategorie: