Homo Sapiens 404- Band 10 "Blut, überall Blut"

Claudia Kern

Im Vergleich zu den letzten Romanen spielt das zehnte Abenteuer von „Homo Sapiens 404“ sogar auf drei, mit dem Rückblick auf Aucklands Vergangenheit sogar auf vier Ebenen. Vorbereitung wird der finale Showdown vermutlich auf der legendären, in den Tiefen des Alls befindlichen Raumstation Scania, über die der Leser nur aus Kiplings Perspektive das erfährt, was auch der Titel des Romans ist. Das Aussetzen der Menschen auf dieser einsamen, fast unwirtlich erscheinenden Station steht am Ende eines geradlinigen, sehr Actionorientierten, aber auch trotz vieler kleiner Ideen auch hinsichtlich des Zusammenführens der Spannungsbögen auch konstruierten Romans.

 

Den größten Teil der Zombieeffekte scheint Claudia Kern in die Rückblenden integrieren zu wollen, wobei Auckland als Supersoldat erstaunlich blass erscheint. Während insbesondere Claudia Kerns Nerdliebling Kipling in den letzten beiden auf der Erde spielenden Episoden überzeugen konnte, wirkt dieser lange Blick in die Vergangenheit effektiv, pragmatisch und vom Szenario sich fast wiederholend beschrieben. Egal wie man es dreht, Zombieszenarien leiden selbst bei Romero unter sich wiederholenden Schemata und im Vergleich zu verfremdeten Ideen wie Tobe Hoppers „Lifeforce“, der die Spacevampire der Vorlage auch anders als vielleicht erwartet durch die cineastische Mangel gedreht hat, fehlt hier im Kleinen und nicht das Gesamtbild betrachtet ein weiterer origineller Impuls. Was sich auf der Erde im Großen abgespielt hat, konnte man in der ersten Miniserie schon im Kleinen an Bord der „Eliot“ oder den Raumstation verfolgen. Die Rückblicke dienen in erster Linie dazu, die einzelnen Charaktere kennen zu lernen und Auckland als ambivalenter, ohne Frage interessant geheimnisvoller Protagonist sollte weiter ausgebaut werden. Hier kann noch viel Potential gehoben werden.

 Auckland ist ansonsten zusammen mit Arnest auf der Flucht nach dem am Ende des letzten Bandes abrupt unterbrochenen Besuchs bei einem der wichtigeren Jockeys. Die Flucht durchs Wasser förmlich in die Wüste endet mit einer interessanten, ausbaufähigen Begegnung mit Jockeys, die noch keine Menschen kennen gelernt haben. Claudia Kern beginnt Einblicke in eine fremde Kultur zu geben, die aber wider Willen oder aus Autorentechnischer Planung im Grunde doch „menschlich“ erscheinen. Da ändert auch das ambivalente, exotische Aussehen zu wenig. Der im Gegensatz zur Rückblende ausschließlich beherrscht agierende Auckland und der vor Wut fast platzende, aggressive Arnest bilden ein kontrastreiches Duo in einer extrem schweren Situation, welche die Autorin durch das zu hastige Zusammenführen zwei der drei Handlungsebenen – die letzte wird im elften Abenteuer ohne Frage  wieder integriert – sogar frustrierend schnell auflöst. Dabei geht es nicht einmal um die zu leichte, effektive wie fast bestellte Hilfe hinsichtlich ihrer Flucht ohne Raumschiff – es ist ihnen das zweite Mal passiert, das ihr Raumschiff höflich gesprochen verschwunden ist  von dieser Welt, sondern um die Tatsache, dass auf Augenhöhe dieser Leser stellvertretend mit den Menschen Informationen über die bisher ambivalent eingesetzte Jockey Kultur erfahren könnten. Bislang lieferte Claudia Kern wichtige Informationen über Jockeys ausschließlich auf deren Handlungsebene, während die Menschen dank Kipling zumindest einen Pyrrhussieg erringen konnten. Es bleibt zu hoffen, dass diese Tendenz insbesondere in der dritten Miniserie fortgesetzt wird und die Jockeys nicht nur äußerlich fremder bleiben, sondern sich aus den zu langen Schatten lösen können. In Verbindung mit der Arnest/ Auckland Handlungsebene stehen weitere Erfahrungen, die Ama´Ru nach dem Diebstahl der „Eliot“ macht. Sie dient als Mittler zwischen den Jockeys und den Menschen, auch wenn sie anscheinend ebenfalls schwere Schuld auf sich geladen hat. Sie wirkt aber deutlich blasser als in den letzten Roman. Insbesondere auch ihr Schatten dient eher als philosophierender Extrasinn, während ihre Rückkehr auf den Pfad der menschlichen „Kameraden“ wie das Abwickeln der Auckland/ Arnest Handlungsebene zu einfach, zu schnell und vor allem zu passend vor sicht geht.    

Kipling drohte in den letzten Romanen mehr und mehr zu einem perfekten MacGuffin zu werden, der aus selbst notdürftig zusammengeschusterten Computern wichtige Informationen ziehen kann. Zumindest die Tarnkappe aus dem letzten Roman funktioniert als Beweis der Lernfähigkeit der Jockeys zu Beginn nicht. Das er schließlich in Gefangenschaft den Menschen wieder einen kleinen Computer zum Versenden von Botschaften und vor allem surfen im Googlegate zusammenbaut, scheint eine Rehabilitierung seiner kurzzeitig angeknacksten, aber zumindest logisch handelnden Persönlichkeit zu sein. Passend findet er die Hinweise auf Scania, die von Menschen erbaute und unter ominösen Umständen anscheinend halbfertig wieder verlassene Raumstation, die dem Wunsch der Jockeys entsprechend ihr neues Exil wird. Claudia Kern sollte Kipling öfter „scheitern“ lassen, um zumindest kurze Zeit Zwischenspannung erzeugen zu können.

 Zusammengefasst ist „Blut, überall Blut“ eine solide Vorbereitung auf den Showdown der zweiten Miniserie, in die allerdings zu viel Plot auf zu wenig Raum gepresst worden ist. Die Aufsplitterung der Handlung auf insgesamt drei Gegenwarts- und einen Vergangenheitsbogen hat dem Roman sehr gut getan, da der Leser auf Augenhöhe der Protagonisten sehr viele Informationen „sammeln“ kann. Das hebt insbesondere die zweite Miniserie von dem mehr über die Action unter Zuhilfenahme vieler irdischer Kinovorbilder gestalteten ersten Teil positiv ab. Claudia Kern gelingt es nicht zuletzt dank der zahlreichen Anspielungen, die bekannten Vorbilder in ihr eigenes Universum zu übertragen und eine stringente, phasenweise packend intensive und kurzweilig zu lesende Geschichte zu erzählen.

 

 

 

  • Format: Kindle Edition

  • Dateigröße: 600 KB

  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 80 Seiten

  • Verlag: Rohde Verlag (10. März 2014)

  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.

  • Sprache: Deutsch

  • ASIN: B00IAR4WE0