Die Delphininsel

Arthur C. Clarke

Arthur C. Clarke 1963 veröffentlichter Roman „The Dolphin Island“ ist wahrscheinlich sein erstes für ein eher jugendliches Publikum verfasstes Science Fiction Buch. Aus heutiger Sicht stellt dieser mehrfach in Deutschland publizierte Roman teilweise auch ein Kuriosum dar. Der Bastei Verlag publizierte das Taschenbuch mit einem interessanten, aber komplett falschen Titelbild sowie dem aus der Luft gegriffenen Untertitel „Science Fiction Roman um eine neue Zivilisation in den Tiefen der Meere“ 1983 das letzte Mal auf deutsch.

 Arthur C. Clarke impliziert zwar die Möglichkeit, das vor vielen Jahrtausenden ein fremdes Raumschiff über einem der Erdenmeere abgestürzt, explodiert und schließlich versunken ist. Dabei entwich anscheinend auch Radioaktivität. Aber diesen Aspekt hielt der Brite am Ende für eine mögliche Fortsetzung zurück, die er nie geschrieben hat.

 Für den hier vorliegenden Plot nutzt er ein klassisches Jugendbuchszenario. Johnny Clinton wohnt nach dem frühen Tod seiner Eltern bei den ungeliebten Verwandten. Eines Abends landet in der Nähe ein Transportflugzeug zwischen. Der etwa sechzehn Jahre alte Junge schleicht sich an Bord. Das Flugzeug stürzt in der Nähe Australiens ab. Niemand weiß vom blinden Passagier, so dass dieser auf sich gestellt ist. Zwei Delphine schubsen quasi sein improvisiertes Rettungsfloss zu einer vor der Küste gelegenen Insel, auf welche eine Gruppe von Wissenschaftlern sich mit den intelligenten Säugetieren intensiver auseinandersetzt. Nicht umsonst wird die Insel wie der Titel aussagt „Die Delphininsel“ genannt.

 Schon einige Jahre vorher hat sich Arthur C. Clarke unabhängig von einer Reihe sekundärliterarischer Texte mit den Meeren im Allgemeinen und den Besonderheiten quasi vor der Haustür seiner Heimat Sri Lanka auseinandergesetzt. In beiden Büchern wird ein Außenseiter in die Gemeinschaft aufgenommen und muss sich bewähren. Bei „In den Tiefen der Meere“ handelt es sich um einen ehemaligen Astronauten, der an einer Raumpsychose leidet und deswegen nicht mehr zu seiner Familie auf den Mars zurückkehren kann. Andersherum kann die Familie auch nicht aufgrund der Schwerkraftunterschiede zur Erde siedeln. In „Die Delpininsel“ ist Johnny Clinton die fast klassisch klischeehafte aufgeweckte intelligente junge Mann, der aus einem lieblosen Familien-, aber nicht mehr Elternhaus fliehen muss. Er findet einen neuen väterlichen Freund, den Professor Kazan, der lieber bei seinen geliebten Tieren als bei seiner anscheinend zänkischen russischen Frau ist.

 Johnny durchläuft verschiedene Ausbildungsabschnitte, wobei ihm schulisch als wichtige Grundlage ein Computer hilft, der individuelle Lehrprogramme erstellen und unterrichten kann. Ansonsten taucht er viel, freundet sich mit zwei Delphinen an und steht immer wieder mit Rat und Tat zur Seite.

 Der Spannungsbogen entwickelt sich nach dem dynamischen Auftakt etwas ruhiger. Interessant ist, auf welche Art und Weise Kazan mit den Delphinen kommuniziert und versucht, ihre Sprache zu lernen. Was heute wahrscheinlich ein wenig antiquiert erscheint, ist in den fünfziger und sechziger Jahren revolutionär gewesen. Ganz der Forscher und begeisterte Meeresbiologie unterrichtet Clarke ohne einen belehrenden Unterton seine wie eingangs erwähnt vor allem jugendlichen Lehrer. Wie in „Aufbruch zu den Sternen“ versucht er deren Begeisterung für die Meere im Allgemeinen, aber vor allem auch den Schutz der Natur lange vor irgendwelchen grünen Bewegungen zu wecken.

 Aber wie in einigen anderen seiner Bücher erscheint Clarke eher emotional subjektiv als das er auf die eigenen Konzepte hört, die er den Leser präsentiert.

 Die Delphine bitten in einer nicht gänzlich zu Ende geführten Nebenhandlung die Menschen um Hilfe gegen ihre natürlichen Feinde, die Schwertwale. Professor Kazan versucht mit seinen Forschungen und Experimenten eine Art Pavlowschen Hund aus den Schwertwalen zu machen und Delphine als Antithese einzubauen.

 An einer anderen Stelle wird lang und breit darüber referiert, dass das Gleichgewicht der Natur am Beispiel von Antilopen und Löwen nicht einseitig von den Menschen gestört werden sollte. Im Epilog hat Arthur C- Clarke diese „Schwäche“ erkannt und lässt Kazan noch eine weitere eher futuristisch klingende Idee hinsichtlich der Trennung der Schwertwale und Delphine entwickeln. Umgesetzt wird sie im stringenten Handlungsverlauf allerdings nicht mehr.

 Die Charaktere sind eher pragmatisch gezeichnet. Emotionen überzeugend zu beschreiben ist eine der größten Schwächen Arthur C. Clarkes und so weicht der Autor eher auf zwei relevante Actionszenen zu Beginn und am Ende des Buches aus. Wie es sich für derartige Jugendbücher gehört, muss Johnny zum Helden mutieren. Seine anfängliche Dummheit mit der Flucht an Bord des Lastenflugzeuges wird dann zu einer Art Segen, in dem er auf seinen gemachten Erfahrungen aufbauend verletzte Freunde in letzter Sekunde retten kann. Die ganze Szene beginnend mit dem fast aus dem Nichts auftauchenden Hurricane schildert Arthur C. Clarke unglaublich intensiv und packend, aber bis auf die Details ist der Leser Clarkes Protagonisten immer einen kleinen Schritt voraus.

 Was das Buch aus heutiger Sicht immer noch vor allem auch in Hinblick auf Clarkes Gesamtwerk so interessant und lesenswert macht, ist die frühe Auseinandersetzung mit der Natur und einem generellen Respekt intelligenten Lebens gegenüber. In diese Gattung fallen mit Einschränkungen noch die Schwertwale, während „normale Fische“ als Nahrungsgrundlage elementar sind. Das wirkt ein wenig mit dem Holzhammer gezimmert, aber für die sechziger Jahre aus ausgesprochen modern.

 Es lässt sich streiten, ob die Implikation eines abgestürzten außerirdischen Raumschiffs überhaupt sinnvoll gewesen ist. Clarke baut in diesem Punkt eine Erwartungshaltung auf, die er gar nicht einlösen möchte oder angesichts der Kürze des Textes einlösen kann. Das Buch wäre auch ohne diese überdeutlichen Hinweise auf das Genre spannend und interessant zu gleich gewesen.

 Clarke hat vor allem Tierforschungen aus der Zeit geschickt extrapoliert dabei gängige Technik eingebaut. Zyniker könnten davon sprechen, dass er „Flipper“ einen kleinen Schritt voraus ist und Clintons Delphine nicht mehr einer Unterwassertröte angelockt werden müssen. Ansonsten können die beiden hier eine wichtige Rolle spielenden Delphine mindestens genauso viel wie eben der angesprochene Flipper.

 Aus menschlicher Sicht ist sogar eine eingeschränkte, aber ausbaufähige Kommunikation möglich. Diese Passagen werden relativ schnell, aber immer dank der Augenhöhe Johnny Clintons ausgesprochen effektiv abgehandelt. Clarkes verzichtet auf Kitsch oder Pathos. Die wenigen bedrohlichen Szenen werden relativ schnell und simpel buchstäblich abgewickelt. Zu Beginn und am Ende drückt der Brite aufs Actiongas, während der Mittelteil den wissenschaftlichen Erläuterungen vorbehalten ist.

Selbst heute ist „Die Delphininsel“ eines der seltenen, sehr gut in der Tradition Heinleins oder Lester Del Reys aufgebauten Jugendbücher, das mit seiner griffigen Erklärung damaliger Technik und vor allem einer gut geschriebenen Handlung jugendliche Leser in seinen Bann schlagen und positiv für die eigene berufliche Zukunft anleiten kann.     

Die Delphininsel

  • Gebundene Ausgabe: 199 Seiten
  • Verlag: Boje Verlag (August 1987)
  • ISBN-10: 3414128306
  • ISBN-13: 978-3414128300