Regierungspost für Dilbia

Gordon R. Dickson

In den fünfziger und sechziger Jahren gab es zwei Phänomene. Menschliche Entwicklungshelfer bringen mit viel Eigeninitiative und vor allem Intuition zurückgebliebene aber meistens auch pazifistische fremde Planeten auf ein bestimmtes Bildungsniveau, ab dem sie ihr zukünftiges Schicksal selbst entscheiden können und nicht mehr von kapitalistisch orientierten Konglomeraten nicht nur von der Erde ausgebeutet werden. Pipers „Fuzzys“ oder Biggles unterschätztes Buch „Monument für ein Genie“ seien hier stellvertretend für eine ganze Reihe dieser heute noch lesenswerten Bücher genannt.

 Dabei sind die Fremden in erster Linie putzige Wesen, die mehr der irdischen Tierwelt ähneln und deswegen gleich despektierlich behandelt werden.

 Gordon R. Dickson schlug im Grunde zweimal zu. Zusammen mit Poul Anderson erfand er die „Hokas“, die vor allem die Pulpliteratur der Menschen auf ihrem Planeten bis zum Exzess nachahmten und die Entwicklungshelfer in den Wahnsinn trieben.

 Und da gab es den Planeten Dilbia mit seinen gigantischen, an aufrecht stehende Bären erinnernden Bewohnern. Zwei Romane mit dem Planeten als Hintergrund und dem offiziellen Postzusteller hat Gordon R. Dickson geschrieben, dazu eine Novelle. Im Jahre 2000 sind die drei Texte in den USA unter dem ironischen Titel „The Right to Arm Bears“ zusammengefasst publiziert worden.

 „Regierungspost für Delbia“ – im Original „Special Delivery“ – ist der chronologisch erste Roman der Serie. Auf die Ereignisse wird im Hörensagen immer wieder in der Fortsetzung „Der Agent“  Bezug genommen. „Der Agent“ erschien erst acht Jahre nach dem Auftakt. Zwei Jahre später 1971 fügt Gordon R. Dickson noch die Novelle „The Law- Twister Shorty“ hinzu, die allerdings bislang nicht übersetzt worden ist.

 John Tardy ist ein erfolgreicher ehemaliger Zehnkämpfer. Das harte Training, seine Ausdauer und vor allem seine Vielseitigkeit machen ihn zu einem idealen, aber unfreiwilligen Kandidaten für eine besondere Mission. Er wird quasi zwangsrekrutiert und mittels einer Hypnoschulung auf dem Flug zum Planeten Dilbia auf den neusten Stand gebracht.

 Dilbia ist eine strategisch wichtige Welt, um die sich die Menschen und Hemnoide streiten. Die an Bären erinnernden Bewohner leben auf einer primitiven Stufe, akzeptieren aber die Fremden mit starken Einschränkungen auf ihrem Planeten. Jetzt entführt einer dieser Bären eine wissenschaftliche Angestellte. John Tardy soll sie befreien und den Entführer aus Gesichtsgründen zu einem Zweikampf herausfordern. Ohne moderne Technik einzusetzen.

 Natürlich kann es derartig klassisches Szenario nur mit einer Reihe von Katastrophen beginnen. Die beiden Mitarbeiter der Station sind nicht da. Einer hat sich passend ein Bein gebrochen, seine Vertreterin ist in die Berge aufgebrochen.

 John Tardy muss in das Gebiet der Entführer unbeschadet transportiert werden. Und das geht nur als Regierungspost. Auf dem Rücken des offiziellen Briefträgers in einem Tragekorb fällt es schwer, Würde zu bewahren. Hinzu kommt, dass die Ureinwohner des Planeten nicht nur sich selbst, sondern allen Gästen Spitznamen geben, mit denen sie diese ansprechen. Und Half- Pint als Anspielung auf die gigantischen Bierkrüge ist nicht unbedingt der Name für einen Helden.

 Grundsätzlich wirkt der Handlungsaufbau lange Zeit wie ein Klischee. John Tardy trifft auf Hill Bluffer, seinen Partner und Transporteur. Während Hill Bluffer sich hinter seinem offiziellen Status versteckt und vor allem seine lebendige Post transportieren möchte, gerät John Tardy in eine Reihe von schmierigen Situationen beginnend mit einer Begegnung mit dem einheimischen Bier oder Banditen, denen er aufgrund seiner Schnelligkeit entkommen kann.

 Diese unterhaltsamen Szenen dienen in erster Linie dazu, sowohl John Tardy als auch dem Leser die Kultur der gigantischen Bären vertraut zu machen. Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ist ihnen wichtig. Sie lieben Geschichten und Geselligkeit. Die Gewalt spielt sich eher auf einem oberflächlichen Niveau ab, auch wenn John Tardy während des finalen Showdowns seinen menschlichen Intellekt und einen Gürtel einsetzen muss. Diese Szene doppelt Gordon R. Dickson allerdings unter anderen Voraussetzungen in „Der Agent.“ Das Ergebnis ist gleich, die zu erzielende Wirkung auch vergleichbar, selbst der Weg lässt sich übereinander legen, aber die Pointe in „Special Delivery“ oder in „Der Agent“ erhält einen anderen Kontext.

 Erst im zweiten Abenteuer wird Gordon R. Dickson für diese Form von Agenten den Begriff eines unbewussten Agenten prägen. Hier folgen die Erklärungen wie angesprochen im Epilog. Im Grunde ist die Mission absurd. John Tardy soll eine junge Frau retten und darf nicht zu viel über die Kultur der Ureinwohner wissen. Durch seine sportlichen Erfahrungen, aber auch Instinkte soll er einen Vorteil gegenüber den verschlagenen Hemnoiden gewinnen, die im Hintergrund subversiv und allgegenwärtig die Welt übernehmen wollen, ohne die Einheimischen zu verstehen.

 Um die Ureinwohner auf die eigene Seite zu bringen, muss John Tardy nicht nur ein unmögliches Duell gewinnen und die Maid befreien, sondern auf die Bären zugehen und sie respektieren. In der Theorie eine wie erwähnt unmögliche Aufgabe, die Gordon R. Dickson allerdings mit erstaunlich leichter Hand und einer sehr stringenten Handlung, aber weniger Slapstick Humor, sondern pointierten Dialogen umsetzt. Während viele der anderen pelzigen Kreaturen in der Science Fiction niedlich sind, unterstreicht der Autor von Beginn an durch die Art des Transportmittels – wie ein kleines Baby wird John Tardy in einem Transportkorb auf den Rücken geschnallt -, das die Dilbianer den Menschen in vielen Punkten überlegen sind.

 Am Ende ist John Tardy aber auf sich angewiesen und muss die Herausforderung gegen alle Wahrscheinlichkeiten umsetzen. Dabei ist Terror nicht einmal der klassische oder klischeehafte Erzschurke, sondern ein Mitglied der Gesetzlosen, die sich auf der Welt ihre eigene Nische erkämpft haben. Das wirkt alles sehr aufeinander abgestimmt und wenig bedrohlich. Im Gegensatz zum mehr ambitionierten zweiten Teil baut Gordon R. Dickson keine überzeugende Spannungskurve auf, sondern erzählt die Story aus einzelnen Episoden, die teilweise einen leicht abenteuerlich märchenhaften Charakter haben. Im Mittelteil scheint der Autor angesichts der einzelnen dreidimensionalen, sympathischen und zugänglichen Charaktere den Handlungsfaden gänzlich aus den Augen verloren zu haben, bevor er den Bogen gegen Ende nicht hektisch, aber zielstrebig schlägt und den Plot mit einem feuchten Finale beendet.

 Im Epilog werden die weiteren Entwicklungen genauso dargelegt wie die improvisierte Planung der Mission zumindest aus John Tardys Sicht, die zu viele Risiken und logisch betrachtet kaum Chancen geboten hat.

 Zusammengefasst ist „Special Delivery“ eine auch heute noch lesenswerte, „leichte“ Lektüre, die mit einem Augenzwinkern keine Parodie dieses Subgenres ist, aber zumindest sich nahtlos in die Phalanx der pelzigen Außerirdischen einreiht, die von Individuen vor Schaden bewahrt werden, der ihnen in ihrer Naivität nicht nur von bösartigen anderen Außerirdischen, sondern auch Menschen zugefügt werden soll.   

Terra SF 260 Regierungspost f�r Dilbia SPACE DELIVERY Gordon R. Dickson Titelbild 1. Auflage: Johnny Bruck Dilbia 1,00 Utopisch, Auflage, Bilder, Science Fiction, Delivery, Comics, Filmposter

Terra Heftroman

64 Seiten