Dr. Who- Apollo 23

Justin Richards

“Apollo 23” ist die erste als Buch veröffentlichte Geschichte des 11. Doctors, gespielt von Matt Smith. Mit Justin Richards wurde der richtige Mann gefunden, um den neuen Doctor und zeitgleich auch seinen neuen Begleiter einzuführen. Das Buch erschien nur wenige Wochen nach Matt Smiths Debüt auf dem Bildschirm. Die Geschichte ignoriert allerdings die erste Begegnung in Amelia Ponds Garten und führt die Geschichte im Grunde vierzehn Jahre später mit ihrer gemeinsamen Reise in der TARDIS fort.

„Apollo 23“ führt allerdings grundlegend die Schemata der alten wie auch neuen Serie insbesondere gegen Ende des Romans fast sklavisch fort. Egal wie skurril die Auftaktszenen sind – und der Astronaut im Einkaufszentrum; der plötzlich scheinbar an einem Herzinfarkt sterbende Mann oder der Mondstaub in London- , am Ende steht immer wieder eine außerirdische Invasion, die mittels komplexer oder einfach nur komplizierter Pläne die Erde oder andere Welten zu erobern suchen. Mehr oder minder zufällig gelingt es dem Doctor, diese Pläne zu durchkreuzen. Diese Aspekte finden sich auch im vorliegenden Roman wieder. Vielleicht wollten die BBC im Allgemeinen und Justin Richards im Besonderen den neuen Doctor auf eine sichere Art und Weise buchtechnisch einführen. Auf der anderen Seite sind es allerdings die Zwischentöne, welchen den vorliegenden Dialog technisch sehr pointiert geschriebenen Roman mit einer Reihe von fast surrealistischen Szenen, aus der Masse vieler durchschnittlicher „Dr. Who“ Bücher herausheben.

Nach dem dramatischen Auftakt wirkt die Landung von Amy Pond und dem Doctor auf der Erde in dem bezeichneten Einkaufscentrum mit dem Ziel, den örtlichen Italiener aufzusuchen, wie ein Antihöhepunkt. Schnell folgen sie der mysteriösen Spur auf den Mond. Auf der Rückseite – selbst „The Dark Side oft the Moon“ bekommt in dem Roman eine besondere Bedeutung – finden sie eine geheime Basis der Amerikaner, die nicht nur mittels der ambivalent angewandten Quantenmechanik förmlich einen Schritt weit mit der Erde verbunden ist. An Bord der Basis befindet sich mindestens ein Saboteur, der für die Übertritte von Menschen auf den Mond bzw. Astronauten mit einer größeren Überlebenschance auf die Erde verantwortlich ist. Natürlich macht sich der Doctor mit seinem omnipotenten Schrauberzieher gleich an die Arbeit, die Schäden der Sabotage zu reparieren und dem Täter auf die Spur zu kommen, während Amy Pond sich in der sterilen Atmosphäre zu orientieren zu sucht.

„Apollo 23“ weißt trotz der kurzweiligen Lektüre eine Reihe von Stärken und Schwächen auf, die kritisch betrachtet den Roman nicht nur uneinheitlich erscheinen lassen, sondern stellenweise zu einer frustrierend schematischen Geschichte werden lassen. Justin Richards ist ein Dialogschreiber. Nicht nur in diesem Roman überzeugt er mit spritzigen Dialogduellen, die vor allem in der vorliegenden engliscchen Originalfassung ergänzt um einige Running Gags - die Unterschrift der akbrischen englischen Parkplatzwächters auf der Zauberfolie des Doctors - laut gelesen werden müssen. Das beginnt bei der Diskussion vor dem Italiener über den Strafzettel - die TARDIS nimmt zwei Parkplätze ein, während Amy Pond mit ihren letzten Münzen nur für einen Parkplatz bezahlt hat - bis zu dem Funkverkehr von der Erde zum Mond. Die Verzögerungen von drei Miuten sorgen insbesondere auf der Seite der zappeligen Doctors für Verwirrung. In diesen Szenen versucht Justin Richards auch das neue Verhältnis zwischen dem Doctor und seiner attraktiven, aber auch intelligent bodenständigen Begleiterin auszuloten. Dabei hilft interessanterweise auch die Trennung. Während sich der Doctor auf der Erde mit bornierten Soldaten und Offizieren herum schlagen muss, befindet sich Amy Pond schnell in einer Parallelweltvariation von "Invasion der Körperfresser", "Das Ding aus einer anderen Welt" und "Alien". Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, sind die Vorlage dieser auch parodistisch angelegten Sequenzen im Rahmen einer stringenten und auch teilweise spannende Handlung sehr gut zu erkennen. Höhepunkt der lustigen Szenen des Romans ist ohne Frage Doctor Whos Rückflug zum Mond, nachdem das Dimensionstor im schlechtesten Moment zusammengebrochen ist. Er modifiziert die "Apollo 23", die nicht mehr zum Mond fliegen konnte und seitdem in einem geheimen Hangar aufbewahrt worden ist. Der Flug selbst ist wie einige andere Passagen des Buches ein ambivalentes Vergnügen. Er vergeht viel zu schnell und Justin Richards verschenkt an dieser Stelle leider nicht zum letzten Mal ein ungeheures Potential. Auch die geheimen Raumflüge nach "Apollo 17" werden ausschließlich in kurzen Rückblicken erzählt und wirken vor allem angesichts der sich stetig weiter entwickelnden NASA Technik überzogen antiquiert. Jegliche Verschwörungstheorien werden auf die Entwicklung der Quantenmechanik abgewälzt und damit relativiert.

Auch die Idee, die Guten sind die Bösen und die anfänglich "Bösen" könnten zu den guten Ideen wird im Gegensatz zum Verschwörungsthriller zu wenig packend angewandt und eher stiefmütterlich bei Bedarf in die Handlung eingestreut. Dadurch verengt sich kontinuierlich der Fokus des Plots bis zum finalen, überdrehten Showdown, dessen Vorbereitung fast zu viel Zeit in Anspruch nimmt und der den einengenden Gesetzen der Serie folgend nur in eine Richtung nachhaltig aufgelöst werden darf.

Zu den schwächeren Passagen des Buches gehört vor allem der Aufbau. Nicht selten hat der Leser unabhängig von der Kürze des Buches bei einem großzügigen Druckbild das unbestimmte Gefühl, als suche Justin Richards auch nach neuen Ideen. Die verwandte Vorgehensweise erinnert an Fernsehfolgen insbesondere der siebziger Jahre, in denen das fehlende Budget durch kontinuierlich sich wiederholende Szenen in bekannten Sets ausgeglichen worden ist.  Amy Pond wird mehrfach von natürlich "bösen" Soldaten verfolgt, deren Absichten eher ambivalent im letzten Abschnitt des Romans erläutert wird. Der Doctor wandert sowohl im ersten Drittel des Romans als auch wie zur Vorbereitung des komplizierten, aber nicht komplexen Showdowns durch die endlosen Gänge der Basis. Die Selbstmotivierung über Monologe erscheint ein wenig zu gedehnt, zumal die präsentierten Lösungen nicht zu allen Problemen passen. Wie schon angedeutet handelt es sich nicht nur um eine klassische Invasionsgeschichte mit einem eher eindimensionalen Schurken, von dem man weder in der Fernsehserie noch in den weiteren Buchveröffentlichungen zukünftig etwas hören wird, sondern die Idee der Bodysnatcher als Wirte weitere Außerirdischer wird surrealistisch verfremdet. Das Löschen menschlicher Persönlichkeiten inklusiv der Vorhaltung in einem abgeschotteten Raum ist als Ausgangsbasis zufriedenstellend. Die Idee, dass auch Amy Ponds Gedächtnis gelöscht wird, dagegen ein Klischee. Niemand glaubt, dass gleich zu Beginn eines neuen Doctors der Begleiter stirbt. Wenn die Essenz dann wie Wasser zu sein scheint - jeder Tropfen enthält die ganze Persönlichkeit und als "Auffüllbecken" genutzt werden, dann wird das Szenario albern. Das Auslösen der Sprengleranlage und das Aufgießen eines ganz bestimmten Tees sind surrealistische I- Punkte auf der überdrehten Handlung, die aber von der Verschwörungstheorie zu Beginn des Buches ausgehend zu weit abweicht, als das sie Justin Richards in seiner Plotführung zufriedenstellend und vor allem nachdrücklich überzeugend entwickeln kann.  Positiv dagegen ist, dass die Geschichte an keiner Stelle auf das Niveau einer Klamotte sinkt oder die stereotypen Klischees der Militärs inklusiv entsprechend kurzzeitiger Verhaftung des Doctors zum Tragen kommen. Sowohl auf der Mondbasis - wo sein Auftauchen aufgrund des noch geöffneten Sprungtors anfänglich für keine Verwirrung sorgt - als auch später auf der Erde wird seine Expertise nicht nur anerkannt, sondern aufgrund der gefälschten Ausweise auch relativ schnell akzeptiert. Der klassisch klischeehafte Außenseiterstatus weicht der teilweise zu naiven Bewunderung, wobei Justin Richards auch diese Idee durch Hinweise auf die UNIT bzw. auch Torchwood Zeit geschickt relativiert. Über den Text verstreut finden sich ausreichend Querverweise auf die ganze "Dr. Who" Geschichte, so dass der erfahrene Leser sich mit dem neuen "Doctor" von Beginn an wohlfühlt, während Neueinsteiger die nicht immer ganz zufriedenstellende, aber sehr humorvoll geschriebene Geschichte in vollen Zügen genießen können.             

 

  • Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
  • Verlag: BBC Books (22. April 2010)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 184607200X
  • ISBN-13: 978-1846072000