Science Fiction Chroniken Band 5

H.J. Müggenburg

Im fünften Sammelband mit den insgesamt 21 Zauberkreis Science Fiction Romanen H.J. Müggenburgs findet sich nur ein Nachdruck, bei dem das Originalmanuskript vorgelegen hat. „Briants Universum“ erschien als Zauberkreis SF 190 im Oktober 1977.

Der Herausgeber der Reihe Peter Emmerich schreibt davon, dass die Lektoratseingriffe bei den Science Fiction Romanen nicht so umfangreich gewesen sind wie bei den „Hexer Stanley“ Abenteuern.  Auch wenn bei den utopischen Stoffen genau wie bei „Hexer Stanley“ Humor eine sehr wichtige Rolle spielt, fällt auf, dass der Autor vor allem die Ausgangsprämissen teilweise mit pointierten Dialogen etabliert, bevor der eigentliche Plot losgeht. Im Laufe der Handlung wird der Humor zu Gunsten von Action zurückgefahren. Hinzu kommen in einer Handvoll Romane durchaus fatalistische Enden, die nicht immer mit dem beschwingten Beginn des Romans in Einklang zu bringen sind.

Bei den „Hexer Stanley“ Büchern zieht sich der subversive Humor eher durch den ganzen Roman und droht den Grusel aufzuheben. Das ist bei den Science Fiction Romanen an keiner Stelle der Fall.

„Briants Universum“ ist ein typischer Fall. Der Titel erschließt sich dem Leser erst sehr spät, da kein Briant Charakter auftritt. Der Auftakt ist klassischer zynischer Humor. Der Protagonist ist ein ehemaliger Soldat. Er kann quasi an der Waffe alles, sonst nichts. Die Truppen haben ihn auf einer Randwelt quasi ohne Abfindung eher ausgesetzt als entlassen. Hier gibt es keine Arbeit für ihn. Die Auftritte bei der Jobvermittlung sind frustrierend.

Seine einzige Hoffnung ist der finanziell unabhängige Dr. Ephraim DeValun. Er rüstet eine Expedition an Bord seines Raumschiffs „Lady Winterbloom“ aus. Er sucht einen Artefaktenplaneten, auf dem die technisch der Menschheit hochstehenden Hinterlassenschaften einer längst untergegangenen Zivilisation sich befinden sollen. Neben der Entfernung gibt es noch ein weiteres Problem. DeValun hat einen Feind, der auch vor Mord nicht zurückschreckt.

Reduziert der Leser den Plot von „Briants Universum“ auf das Wesentliche, dann handelt es sich um eine futuristische Version von „Die Schatzinsel“ allerdings ohne Long John Silver. Eine Expedition quasi ins Unbekannte allerdings auch ohne Schatzkarte. H.J. Müggenburg beschreibt die Reise vor allem auch für den Umfang des ganzen Romans erstaunlich ausführlich, während das Finale sich fast überschlägt und zu viele Informationen auf zu wenig Raum anbietet. 

Auf dem Zielplaneten wechseln Action und Entdeckungen ab. Die Konfrontation mit dem Erzschurken wird um eine bei H.J. Müggenburg immer öfter verwandte Facette bereichert. Es gibt einen Verräter in dem Team und der wird auch „bestraft“. Es handelt sich – ohne zu viel zu verraten – um die auf den ersten Blick unwahrscheinlichste Figur der allerdings auch überschaubaren Gruppe von handelnden Personen. Mit diesen kleinen Schocksequenzen macht der Autor überdeutlich, dass es gefährlich dort draußen ist.

Die Funde sind ohne Frage exotisch. Im Laufe des Plots beginnend mit der perfekten Kugel, die ein wenig Strugatzkis „Picknick am Wegesrand“ imitiert und endend schließlich beim finalen Hinweis auf „Briants Universum“.

Hier zeigen sich die Stärken und leider auch Schwächen des Buches. So fremd sind die Entdeckungen abschließend doch nicht, aber das es alleine vier „Testläufe“ braucht, um Unterschiede festzustellen, erscheint angesichts der Komplexität Briants genauso unwahrscheinlich wie die Tatsache, dass er abschließend alles irgendwie laufen lässt. Sogar mit seinem Segen.

Der finale Epilog ist abschließend fast klassischer zu nennender Clark Darlton oder Poul Anderson. Wie oft haben die  beliebten Autoren mit Clark Darlton vor allem  in seinen serienunabhängigen Romanen mit dem Phänomen der Zeitdilatation gespielt?

Der Autor behandelt das Thema eher ambivalent. Angesichts der verzweifelten Situation und der auch zu Ausfällen neigenden Technik ist der positive Optimismus ein wenig zu euphorisch, aber die Reise kann das Ziel sein.

Zu den Schwächen des Romans gehört die fast eindimensionale Zeichnung des Antagonisten. Auch über die Hauptpersonen erfährt der Leser nur das Rudimentärste, da H.J. Müggenburg den Roman bis an die Oberkante mit Ideen füllt und Probleme hat, sie gegen Ende in adäquater Reihenfolge abzuarbeiten. Das wirkt teilweise ein wenig opportunistisch hektisch.  Immer wenn es passt, sind sie erfolgreich, wenn es nicht so passt, dann hilft die rohe Gewalt. Und das ein Schurke plötzlich Angst hat und keinem alten Mann folgen kann, ist das finale Unglaubwürdigkeit.

Im Vorwort spricht Herausgeber Peter Emmerich davon, dass zumindest „Die Welt der Zwanzigjährigen“ (Zauberkreis 195 aus dem Jahr 1978) ein wenig sozialkritischer ist. Da sist nur bedingt richtig,  denn der Autor verpasst eine Reihe von Seitenhieben auf die Jugendbewegung oder den Generationenkonflikt. Viel mehr gibt es einen Grund, warum auf diesem Planeten vor allem Jugendliche leben.  Sie werden nur durchschnittlich dreißig Jahre alt, dafür beginnen sie ihr „leben“ früher und deutlich intensiver. Aber sie sind nicht in der Lage, eine entsprechende soziale Struktur aufzubauen und erbitten sich mit drakonischen Mitteln Hilfe von der Erde. H.J. Müggenburg beschreibt zwar das politische wie auch teilweise das soziale System, aber er bleibt den ganzen Plot betrachtend erstaunlich oberflächlich.

Der Klappentext deutet aber bei der Entführung – nicht die erste in H.J. Müggenburgs Science Fiction Romanen – an, dass die Jugendlichen auf dem Planeten die Genselektorin Kim Sung Chang eher brauchen, um ihr Kurzlebigkeitsproblem in den Griff zu bekommen. Auf der Erde wird sie aber auch dringend benötigt, dass sie dort fast das Gegenteil erreicht hat. Die Erde ist überbevölkert und es gibt nur eine Kultur, die alles einigermaßen im Griff hat. Und dort schaltet und waltet Kim Sung Chang.

Die Erde schickt ihren achtbesten Agenten. Der Auftakt ist eine Parodie auf die James Bond Reihe. Nur ist der ausgewählte Mann ausgesprochen behäbig, auch wenn sein Körper mit Milliarden zu einer gefährlichen Waffe umgebaut worden ist. Die anderen sieben Agenten folgen erfolgversprechenderen Spuren in diesem Fall, so dass man den Sonderagenten auf eine bedingt heiße Spur schickt.

Dieser Weg führt über einen Planeten der Superreichen, die sich dort erholen. Auch hier bleibt Müggenburg wahrscheinlich auch dem generellen Heftumfang geschuldet ein wenig oberflächlich. Als Taschenbuch  hätte der Autor vor allem auch durch die den Plot antreibende Nutzung seiner flapsigen, teilweise aber auch sehr zeitlos lustigen Dialoge mehr Platz gehabt, um den Kontrast zwischen diesen beiden Kulturen besser auszuarbeiten.

So hetzt der Leser mit den beiden Protagonisten von einem Ort zum Anderen. Auch während des Finales, das sehr cineastisch inszeniert worden ist, hilft ihm mehrmals der Zufall, um die Verschwundene aufzufinden. Es gibt entsprechende Hinweise, aber er kann sie aus verschiedenen, manchmal ein wenig konstruiert wirkenden Gründen nicht nutzen.

Die Actionszenen sind wie bei allen Müggenburg Büchern gelungen. Immer am Rande der Parodie entlang schlitternd verzichtet der Autor aber wie bei den James Bond Filmen auch nicht auf eine Prise von Gewalt.  Dabei sind es meistens die Antagonisten, welche auch durch ihr naiv arrogantes Handeln diese Aktionen provozieren.

Es ist schade, dass H.J. Müggenburg wahrscheinlich auch, um seine Romane verkaufen zu können, die teilweise frechen Prämissen nicht konsequent bis zum Ende durchdenken konnte. Als James Bond Parodie durchzieht allerdings „Die Welt der Zwanzigjährigen“ ein deutlich spürbarer roter Faden als einige andere Science Fiction Romane aus dessen Feder, an deren jeweiligen Enden vor allem solide geschriebene Action, aber nicht mehr die anfängliche Exzentrik steht.

Der dritte Roman „Das Planspiel“ (Zauberkreis 199) verfügt über das größte Potential. Wie bei „Briants Universum“ erschließt sich der Titel des Heftromans nicht nur dem Leser, sondern auch dem Protagonisten relativ spät. Im vorliegenden Fall sogar, als fast alles zu Ende ist.

Wieder steht eine Entführung im erweiterten Mittelpunkt der Handlung. Es ist eher der Auftakt, der das Buch aus der Masse hebt. Im Mittelpunkt stehen zwei Männer, die sich zufällig kennengelernt haben. Er ist ein Pulpschriftsteller, der andere Mann eine Art Ladeverarbeiter an Bord eines Raumschifffrachters, der aufgrund eines Unfalls körperlich behindert ist und entlassen wird. Der Arbeiter diktiert dem Schriftsteller seine Lebensgeschichte. Aus dem Buch wird ein futuristischer Bestseller in der Tradition Travens „Das Totenschiff“. Beide Männer werden reich und leben glücklich, aber nicht als Paar auf dem Mars.

Der schurkische Raumpirat Renios Boulder überfällt den Mars und tötete mehrere tausend unschuldige Menschen. Auch den ehemaligen Ladearbeiter. Der Schriftsteller entschließt sich, sein Leben mit der Suche nach dem Piraten zu verbringen und arbeitet dabei freiwillig mit dem irdischen Geheimdienst zusammen.

Die Zusammenfassung des Inhalts liest sich ein wenig  klischeehaft. Ab und zu droht der Plot auch in diese Richtung abzudriften, aber mit der Idee von Laurins Mantel fängt H.J. Müggenburg rückblickend alle Exzesse geschickt wieder ein. Was auf den ersten Blick unwahrscheinlich und stark konstruiert mit dem Amateur in amtlicher Mission erscheint, macht abschließend tatsächlich Sinn. Das ist die größte Stärke der ganzen Geschichte.

Auf der emotionalen Seite wirkt der Plot ein wenig zu distanziert erzählt. Es fällt schwer, mit den Protagonisten warm zu werden. Die lange notwendige Einführung verschleppt genauso das Tempo wie die distanzierte Erzählung des Piratenüberfalls.

H.J. Müggenburg rückt im Laufe vor der Handlung von diesem Konzept ab und rückt den Leser an der Seite der Protagonisten wieder mehr in den Mittelpunkt. Die Actionszenen sind interessant. Auch hier mit der natürlich nackten Frau bedroht von fiesen Ratten kann der Autor auf der einen Seite dramatische Spannung erzeugen, auf der anderen Seite durch die Handlungen des Protagonisten wirkt einiges auch wie eine augenzwinkernde Parodie der Pulpgeschichten, von denen der Protagonist immer fast einhundert Stück geschrieben hat. Die Bezahlung schein dabei unterirdisch zu sein. Ob der Autor die eigene Position dabei gemeint hat, kann jeglicher freier Interpretation überlassen werden. 

Dabei erscheint auch der Raumpirat eher wie die Karikatur eines Antagonisten. In dieser Hinsicht ist H.J. Müggenburg in vielen Büchern eher ambivalent vorgegangen und hat die klassischen Klischees vermieden. Selbst der Hintermann bei „Die Welt der Zwanzigjährigen“ ist ein klassischer Opportunist, dem es weniger um die eigene Frau oder gar Ruhm, sondern schlicht 1 Milliarde Geldeinheiten auf einem gesicherten Nummernkonto geht.

Renios Boulder ist wie der Schurke aus „Brians Universum“ aus einem anderen Holz geschnitzt, aber durchgehend menschlich. Keine Verbesserungen. Er ist rücksichtslos, brutal und gewieft. Wobei sich die Frage stellt, ob er nicht doch über die Zeit eine Spur hinterlassen hat, welcher die Geheimdienste mit mehreren Raumschiffen und hunderten von Einsatzkräften effektiver folgen könnte. Das ihm ein Schriftsteller schließlich indirekt das Handwerk legt, der wirklich nichts mehr zu verlieren, aber abschließend eine neue Liebe gewinnen kann, scheint in seinem Plan nicht hineinzupassen, während genau eine derartige Konstruktion hinter dem Titel „Das Planspiel“ steht.

Daher ordnet H.J. Müggenburg viel auch dem absichtlich komplizierten, aber nicht immer unbedingt im Vorwege bis auf das letzte Detail durchdachten Plan der irdischen Geheimdienst unter und verzichtet auf die expressive Ladung Humor zu Beginn des Buches. Es ist die Geschichte einer Männerfreundschaft aus dem Zufall geboren und weit über den Tod reichend. Und dem trägt der Autor in diesem gelungenen Band Rechnung.

Auch in diesen drei Romanen erweist sich H.J. Müggenburg als guter Unterhaltungsautor und wird damit seinen eigenen Ansprüchen souverän gerecht. Auffällig ist, das der teilweise subversive Humor des ersten Romandrittels nicht durchgehalten werden kann, während die Action im Laufe des Spannungsbogen eines dominantere Rolle spielt. Die größte Schwäche vor allem der ersten beiden Bücher ist, dass die überzeugenden Hintergründe zu wenig ausgebaut worden sind und vieles daher zu stark komprimiert erscheint. 

Science Fiction Chroniken 5 (SF Chroniken)

  • Taschenbuch : 360 Seiten
  • ISBN-13 : 979-8674608776
  • Größe und/oder Gewicht : 12.7 x 2.29 x 20.32 cm
  • Herausgeber : Independently published (3. September 2020)
  • Sprache: : Deutsch