Science Fiction Chroniken Band 4

H.J. Müggenburg

Schon im Vorwort machen Peter Emmerich und H.J. Müggenburg deutlich, dass die Romane vor allem leichte Unterhaltung darstellen. Mit einem Augenzwinkern in der Tradition des so populären Synchronsprechers Reiner Brandt erzählt sollen sie Action, exotische Hintergründe und Charaktere anbieten, die  mit all ihren Fehlern so verdammt menschlich sind, aber mit Eigeninitiative und vor allem der Fähigkeit der Improvisation über sich hinauswachsen können.

Die drei in diesem vierten Sammelband zusammengefassten Zauberkreis Science Fiction Romane basieren auf den vorliegenden Originalmanuskripten und sind ungekürzt/ unbearbeitet.

„Der verhexte Planet“ (ursprünglich als Zauberkreis 172  im Mai 1976 erschienen) verbindet aber Müggenburgs humorvolle Science Fiction auch mit seinen Gruselarbeiten. Die Ausgangssituation ist schon überzeugend wie überraschend. Terraforming ist ein bekannter Begriff in der Science Fiction.  Der Autor stellt eine Planetendekontamination gegenüber. Auf den ersten Blick paradiesische und für die menschliche Besiedelung geeignete Planeten könnten durch in der Atmosphäre oder auf dem Boden Stoffe enthalten, welche den zukünftigen Siedlern schaden könnten. Spezialisten übernehmen die Aufgabe, den Planeten nicht nur zu untersuchen, sondern zu reinigen.

Hinzu kommt, dass sich diese Planeten durchaus im Privatbesitz befinden können. So hat ein aufstrebender kleiner Konzern die Welt MXR 3487 von einem Planetenbroker teuer erworben. Nach den ersten beiden Versuchen,  den Planeten zu besiedeln, hat er den Spitznamen Tod 17 weg. Alle Siedler sind ums Leben gekommen. Sie haben von Vampiren oder Dinosauriern gesprochen. Spuren dieser Fabelwesen konnten allerdings nicht gefunden werden.

Der verzweifelte Planetenbesitzer wendet sich an zwei lebenslange abgebrannte Freunde, die verzweifelt nach dem großen Auftrag suchen, um ihre Firma am Leben zu erhalten. Während der eine zum Planeten aufbricht, um die Atmosphäre zu untersuchen, bleibt der Andere im Büro zurück und denkt, dass er sich einen gemütlichen Lenz machen kann.

Insbesondere die Begegnung mit dem Vampir inklusiv seiner Himbeermarmelade zeigt Müggenburgs exzentrischen Humor. Wie in seinen „Hexer Stanley“ Bücher sind die Dialoge pointiert und doppeldeutig. Auch wenn dem Planeteninspektor der Hintergrund quasi aus der Ferne mitgeteilt worden ist, kann er seine Jugendängste nicht ganz überwinden. Effektiv, aber auch unauffällig reiht der Autor eine Reihe von spannenden, aufeinander aufbauenden „Schreckszenen“   aneinander.

Die erste Hälfte des Romans ist derartig gut gelungen, das das Ende mit seiner dynamischen Auflösung und dem über-sich-hinaus-wachsen der beiden Protagonisten weiterhin gut unterhält, aber die Exzentrik der ersten Seiten kann die von Action und dunklem Humor getriebene zweite Hälfte nicht mehr erreichen.

Aber die Art und Weise, auf welche sie die ihnen zahlenmäßig überlegenen, aber natürlich intellektuell unterlegenen Schurken besiegen, ist auch heute noch lesenswert. Da gibt es einen flotten Spruch und dann geht es los. Die technischen Schwachstellen der Feinde werden genauso bloß gelegt wie deren Arroganz zu ihren Unguten gedreht wird. Dabei schrecken die beiden Helden natürlich nicht davor zurück, aus drastisch zu werden und selbst einen elektrischen Stuhl in heutiger MacGuyver Manier aus vorhandenen Gegenständen zu basteln. Wie gut, dass sich die Schurken nicht so sehr in der irdischen Vergangenheit auskennen.

Zusammengefasst präsentiert !“Der verhexte Planet“ die von H.J. Müggenburg versprochene leichte Unterhaltung immer mit einem deutlichen Augenzwinkern und einem flotten, aus heutiger Sicht allerdings auch manchmal ein wenig antiquierten Spruch auf den Lippen. 

„Die Sauerstoffbombe“ erschien als Zauberkreis Roman 178. Wieder ist die Ausgangsidee bestechend einfach und doch perfekt umgesetzt. Die Welt wird von Großkonzernen beherrscht.  Es gibt aber eine kleine Gruppe von Menschen mit einem Superrechner, die quasi in der Theorie eine Art Antikonzern bilden. Die Konzerne kaufen auf der Anlage günstige Rechenzeit, die Daten fließen zusammen und der Rechner kann Risiken für die Zukunft abwägen. Die Gruppe von Menschen inklusiv eines Idealisten kann entsprechende Schritte gegen diese Entwicklungen unternehmen.

Gleich zu Beginn wird der angesprochene Idealist von der Geheimorganisation zwangsverpflichtet. Ausschlaggebend ist nicht nur das unterdurchschnittliche Gehalt, die potentiell gefährlichen Missionen und die kurze Lebenserwartung  - hier hat der Zauberkreis Verlag einen wichtigen Satz im Heftroman gestrichen  -, sondern eine attraktive hübsche Frau, die natürlich gar nicht an dem Freiwilligen interessiert ist, obwohl sie einmal verkündet hat, den ersten ihr über den Weg laufenden Idealisten zu heiraten.

Der Auftakt des Romans ist von seinem hohen Tempo und einem wahren Feuerwerk von Ideen geprägt. Genüsslich beschreibt H.J. Müggenburg in der Tradition der futuristischen Agententhriller die Ausgangsbasis und liefert sogar eine überzeugende Begründung, warum diese Männer im Grunde Helden im Untergrund sind. Woher die Mittel kommen, auf der einen Seite günstige Computerzeit in einem fast allwissenden Rechner zu vermieten, auf der anderen Seite eine komplexe Organisation aktiv am Leben zu erhalten, bleibt unausgesprochen.

Der Titel des Romans bezieht sich jetzt auf eine Bedrohung, welche vor allem das Gleichgewicht zwischen den verfeindeten Menschen auf dem Mars und der Erde bedroht. Bis dahin hat der Autor ein Szenario entwickelt, in dem das Gleichgewicht des Schreckens von beiden Seiten komplett wie auch komplex ausbalanciert worden ist. Auf jede Angriffswaffe kommt eine Abwehrrakete. Es macht also effektiv keinen Sinn, Krieg zu führen, obwohl sich die politischen System Spinnenfeind sind.  Wie in einigen utopischen Romanen der siebziger Jahre sind es nicht mehr die Russen, sondern schon die Chinesen.   

Das Agentenpaar wird ausgeschickt, die Pläne dieser Superwaffe entweder zu vernichten oder zu stehlen. Die Mission steht von Beginn an unter einem schlechten Stern. Immer wieder entlarvt Müggenburg in einigen seiner futuristischen Thriller die Bemühungen der Geheimdienste als sinnlos, da die Gegner entweder schon über Insiderinformationen verfügen oder ihr Spielplatz derartig auf ihre Bedürfnisse hin konzipiert worden ist, dass es für Fremde fast unmöglich ist, dort Informationen zu erhalten.

Hinzu kommt, dass H. J. Müggenburg sich in der zweiten Hälfte seiner Thriller vor allem auf Action und flotte Sprüche konzentriert. Bei Unterhaltungsromanen ist das grundsätzlich nicht verkehrt und die einzelnen Situationen variieren auch zufriedenstellend, aber der Leser hat das unbestimmte Gefühl, als wenn die wirklich exzentrischen Ausgangsszenarien ein wenig zu einfach eingedampft werden und dadurch auch ein wenig die Originalität verloren geht.

Die Allein-gegen-den-übermächtigen-Feind Idee wird immer wieder natürlich in Anlehnung an die klassischen James Bond Epigonen durchgespielt. Flotte Sprüche, Improvisation und hier zusätzlich ein ehrenwerter Fatalismus geben den Feinden keine Chance.

Mit dieser Gestaltung der Handlung schrammt der Autor allerdings auch in der Masse immer wieder am Klischee vorbei und droht in den plottechnischen Schemen sich zu verlieren. Natürlich ist es schwer, einem humorvollen, aber nicht aus Klamauk bestehenden dynamischen Unterhaltungsroman mit Actionszenen zu schreiben und nicht bestimmte funktionierende Versatzstücke immer wieder zu nutzen.

Aber vor allem bei „Der verhexte Planet“ mit den wahrscheinlich zufälligen Anspielungen an die Abenteuer, die Murray Leinster en Masse geschrieben hat, und „Die Sauerstoffbombe“ verfügen über so gute Ausgangsideen unterschiedlicher Machart – einmal der Planet mit seinen Alpträumen, im zweiten Roman eben der Antikonzern per se unabhängig von den handelnden Personen -, dass man sich vielleicht noch einen kleinen progressiven und provozierenden Schritt mehr bei den zweiten Hälfte des Heftromane wünscht.   

„Die Sauerstoffbombe“ und den abschließenden Roman „Die Jagd“ (Zauberkreis SF 186) verbindet vor allem das Ende. In beiden Romanen unterminiert der Autor den Plot mit einer nihilistischen Note. Im ersten Roman noch nachvollziehbar, da die Protagonisten auf ihrer Flucht in eine im Grunde ausweglose Situationen gebracht worden sind. In „Die Jagd“ spricht alles gegen den letzten Satz und er wirkt auch wie ein Fremdkörper.

Bis dahin folgt der Autor der Struktur im Grunde aller drei Romane. Ein Mann oder wie in „Die Sauerstoff“ und „Die Jagd“ ein Team wird ausgeschickt, um eine Mission zu unternehmen. In allen Fällen handelt es sich entweder um Freischaffende oder Angestellte eines geheimen Antikonzerns. Aber in fast keinem Müggenburg Roman sind es offizielle Ordnungskräfte, die ermitteln. Diese sind meistens entweder mindesten einen Schritt zu spät oder korrupt.

Im Mittelpunkt von „Die Jagd“ steht die Entführung von Enid Gardin, einem Superstar der zukünftigen Soaps und gleichzeitig auch Tochter eines der reichsten Männer, den Viscount von Denebola. Dieser will auch die 5 Milliarden Dollar bezahlen. Als Vermittler werden die Mitarbeiter der Barrelcap Investigations eingeschaltet. Der Auftrag wird aber insbesondere für den Chef Andrew Barrelcap  schwerer als erwartet.

Auch wenn der grundlegende Plot sehr stringent ist, überzeugt weniger der im Vergleich zu den anderen Büchern normale Auftakt, sondern vor allem die erste Station hinsichtlich der Geldübergabe. Der Detektiv und sein buchstäbliches Mädchen für alles stecken plötzlich in einer buchstäblichen Revolution und auch schnell in der Todeszelle fest. Eine fast surrealistische Szene. Der einzige  Kontakt ist gerade hingerichtet worden.

Die Art der Befreiung ist ein provokantes improvisiertes Husarenstück.  Die weitere Odyssee in den Hinterzimmer von Kneipen oder besonderen Häusern im Dschungel ist spannend beschrieben worden. Der Humor ist subtiler, die Dialoge zielführender und die Actionszenen sind innovativ.

Allerdings agieren die einzelnen Protagonisten ein wenig zu schematisch und gegen Ende des Buches mit einer im Grunde doppelten Entführung; der Operation am quasi offenen Herzen und dem eher pragmatischen Finale verliert der Roman an Esprit.

Der Handlungsbogen springt hin und her. H.J. Müggenburg versucht die Spannungsschraube fast zu überdrehen, in dem er eine weitere extreme Situation etabliert, den Protagonisten aber entgegen aller Logik „frei“ und „unbeeinflusst“ agieren lässt. Auch angesichts der theoretischen Maßnahmen der Gegenseite wirkt das Auffinden des Verstecks mittels eines Capes – eine Anspielung auf die „Hexer Stanley“ Romane – und einem einfachen Dreisatz zu einfachen. Der Leser erwartet immer noch einen finalen Bonbon, der zwar im langen Epilog auch mit einer entsprechenden Erklärung geliefert wird, aber das eigentliche Finale vergeht buchstäblich im Fluge.

Der Titel des Romans ist ambivalent. Natürlich ist es mehr eine Suche als eine Jagd nach der entführten jungen Frau. Kaum haben die Beiden sie gefunden, möchten sie diese am liebsten wieder abgeben. Aber eine Jagd bedingt auch vielleicht auch  mehr zeitlichen Druck, als dieser solide, aber bei weitem nicht so aufsehenerregende dritte Teil der „Science Fiction Chroniken“ 4 liefern kann.

Zusammengefasst geben diese Chroniken dem Leser auch dank der Anhänge mit gekürzten oder nicht verwandten Szenen die Möglichkeit, Müggenburgs augenzwinkernde gute Unterhaltung im 21. Jahrhundert zum ersten ungekürzt und unbearbeitet zu lesen. Auch wenn nicht alles mehr zeitgemäß erscheint und mancher Machospruch die Emanzen auf die Palme bringt, haben in den beiden letzten Büchern die Frauen eindeutig die Hosen an und sind Gespielin, Kameradin, Seelentrösterin und schließlich auch Sekretärin in einer Person.

Die Dialoge sind flott  bis flapsig, die Hintergründe exotisch und bei zwei der Romane ist die Ausgangsprämisse überdurchschnittlich originell.         

Science Fiction Chroniken 4 (SF Chroniken)

  • ISBN-13 : 979-8650837961
  • Taschenbuch : 360 Seiten
  • Größe und/oder Gewicht : 12.7 x 2.29 x 20.32 cm
  • Herausgeber : Independently published (18. Juni 2020)
  • ASIN : B08BDWYGRG
  • Sprache: : Deutsch