Top of the Heap

Erle Stanley Gardner

Im Rahmen der “Hardcase Crime“ Reihe erscheint mit „Top of the Heap“ ein Roman um die Detektei von Cool& Lam, der chronologisch eher in der Mitte dieser mehr als zwanzig Jahre laufenden Serie anzusiedeln ist. In Deutschland erschien das Buch unter dem irritierenden Titel „Die goldgelbe Tür“ in den fünfziger Jahren, obwohl der Schlüssel nicht nur zu den aufeinander aufbauenden Verbrechen „The green Door“ ist. Herausgeber Charles Ardai ordnet den Fall nicht unbedingt in Gardners Werk ein und ohne die Kenntnis, das es sich um einen Teil einer Reihe handelt, wäre es angesichts der Beziehungen zwischen den beiden Partner Cool – der weiblich dominierende Part – und Lam – eine Mischung aus Bogart und Nero Wolfe bzw. dem ebenfalls von Gardner entwickelten Perry Mason auf kräftigen Beinen – nicht erkennbar. Viel eher wirken Cools exzentrisch überdrehte Reaktionen inklusiv der anscheinend schon mehrfach wiederholten Auflösung der Partnerschaft aufgesetzt, affektiert und exzentrisch, während Lam sich in mehrfacher Hinsicht als Ermittler mit einem Herzen aus Gold erweist, der über den monetären Erfolg seiner Arbeit – dieser ist am Ende des Falls beträchtlich und könnte zumindest die SEC als amerikanische Börsenaufsicht auf die Bühne rufen- hinaus nicht gerne an der Nase herumgeführt wird und im Notfall auch wegen der eigenen Ehre ermittelt. 

Erle Stanley Gardner hat den Roman unter dem auffälligen Pseudonym A.A. Fair veröffentlicht. Leider hat „Hard Case Crime“ keine weiteren Donald Lam/ Bertha Cool Krimis veröffentlicht. Viele vergleichen insbesondere die beiden Hauptprotagonisten der Serie mit Nero Wolfe und seinem willigen Helfer Archie Godwin. Zumindest im vorliegenden Buch ist dieser Vergleich falsch. Bertha Coll ist ohne Frage eine körperlich große und stetig abnehmende – sie begann mit mehr als 200 Pfund und „hungerte“ sich im Verlaufe der Serie auf 165 Pfund „runter“ – dominante Frau mit einem exzentrischen Wesen. Sie initiiert die Fälle, welche Donald Lam dann an der Front für sie quasi löst, damit sie am Ende dem Klienten die Zeche präsentieren kann. Diesem Konzept folgt auch der vorliegende Roman, nur besteht der große Unterschied zwischen Nero Wolfe/ Archie Goodwin und den Lam/ Coll Mysteries in der Tatsache, dass Lam nicht nur die Fußarbeit erledigt, sondern echte Ermittlungen leitet und den Fall alleine löst.  Nero Wolfe setzt aus dem Sessel zumindest die einzelnen Fakten zusammen. Befremdlich wirkt am Ende des vorliegenden Romans, dass der mehrfach entlassene Lam nicht nur zu seiner Chefin zurückkehrt, sondern ihr eine für die damalige Zeit Unsumme für ein neues Büro in San Franzisko zur Verfügung stellt. 

 Wie Wolfe/ Goodwin bewegen sich Lam und Cool in der Oberschicht des Verbrechens und weniger in den dunklen Seitengassen des Film Noirs. Im vorliegenden Fall laufen im Grunde zwei Verbrechen am Ende des Buches zusammen. Lam und Cool werden engagiert, um für einen Bankersohn ein Alibi zu überprüfen. Er hat die Nacht, in der die Freundin eines örtlichen Gangsterbosses verschwunden ist, erst mit ihr getanzt und ist dann von zwei attraktiven Frauen abgeschleppt worden. Nur hat er die ganze Nacht schlafend – er ist der Meinung, vom Alkohol betäubt – auf dem Sofa verbracht. Kaum findet Lam dank offensichtlicher Hinweise die beiden Frauen, die ihn mittels Schlaftabletten betäubt haben, wird in dem Ermittler der Verdacht erweckt, dass das Alibi nur vorgeschoben und seine Ermittlungen eine „falsche“ Geschichte decken soll. Die Reaktion von Vater und Sohn mit Drohungen hinsichtlich Erpressung bestätigen seinen Verdacht. Er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln und dringt in ein Komplott aus Nachtclubs – ein wichtiger Hinweis, der im deutschen von Titel an umgeschrieben worden ist - , Aktienbetrug und schließlich auch dem organisierten Verbrechen ein.      

 Obwohl das organisierte Verbrechen eine Rolle spielt, konzentriert sich Gardner wie in seinen anderen Serien auf die klassische Ermittlungsarbeit. Selbst von den Helfern des im Hintergrund operierenden Oberschurken gefangen genommen und im Keller unter dem Nachtclub festgehalten, hat der Ich- Erzähler keine Sekunde Angst und Gardner schafft es in dieser Szene auch nicht, nachhaltig Spannung aufzubauen. Während des ganzen Plotverlaufs geht es dem Autoren in erster Linie darum, einen komplexen, komplizierten und teilweise auch stark konstruierten Fall zu entwerfen, den Lam nicht immer auf notwendiger Augenhöhe der Leser löst. An einigen Stellen geht der Autor sogar so weit, dass er absichtlich wichtige Informationen vor den „Augenzeugen“ der Leser vor enthält, um so Spannung zu erzeugen. So ist der Yachtclub von Land nach allen Seiten geschützt. Eine in dieser Nacht ein- und vor allem auch wieder auslaufende Yacht hätte angesichts der ambivalenten Fragestellung und vor allem in der Nacht, in der nicht nur dort eine Leiche gefunden worden ist, auffallen müssen.

Ansonsten geht die Ermittlungsarbeit auch durch Zufälle begünstigt relativ schnell voran. Lam ist die Art von Detektiv, der auch mit der Polizei gut zusammenarbeiten kann und darf.

Die Menschen, denen er begegnet, stammen aus unterschiedlichen Schichten, aber Gardner verurteilt sie erstaunlicherweise nicht. Der Tradition des Film Noir geschuldet sind es eher die „schmierigen“ Berufe, denen die sympathischen Menschen dieses Romans entstammen, während die Bänker oder die selbstständigen Kaufleute eher ihre Taten zu verwischen suchen. Beginnt man bei den weiblichen Charakteren, so hat Gardner sich sehr viel Mühe gegeben, sie dreidimensional und trotzdem authentisch, handlungstechnisch funktionell zu beschreiben. Die Ehefrau eines der Toten hat früher als Stripperin gearbeitet und kann sich auch heute nicht der Faszination entziehen, ihren Körper vor einem zahlenden, begeisterten Publikum alleine des Applaus und der Bewunderung wegen maskiert zu enthüllen. Die im Casino arbeitende und das Publikum zum rasanteren, wagemutigeren Spiel animierende junge Frau ist genauso weniger ein Amüsiermädchen wie die beiden jungen Frauen, die es in Los Angeles richtig krachen lassen wollen und einen wildfremden Mann eine Suite für sich buchen lassen. Erstaunlicherweise haben Lam und seine Assistentin einige Tage später erhebliche Schwierigkeiten, das gleiche Zimmer zu buchen, weil die Hotelchefin ihnen nicht glaubt, das sie verheiratet sind. Aber die angedeuteten erotischen Beziehungen verlaufen im ganzen Roman buchstäblich und relativ schnell im Sande. Die beiden später von Lam verhörten Mädchen entpuppen sich als naive Friseurin und junge Frau, die mit dem auf leichte Art und Weise verdienten Geld die Welt anschauen möchte. Alles in einem erstaunlich dezenten Rahmen.

Der einzig aktiv in den Fall eingreifende Polizist unterstützt Lam und droht ihm zugleich. Diese Ambivalenz soll den Privatdetektiv von den offiziellen Ermittlern absondern, wirkt aber überzeugen und nicht immer nachhaltig genug entwickelt. Die Bänkerfamilie wird von Beginn an als negativ, parasitär und arrogant beschrieben. Luxus ist Gardner und damit auch Lam zu wider. Kein Wunder, dass der Detektiv erst seinen Plan ändert, als er erkennt, dass auch reiche Väter Gefühle für ihre fehl geleiteten Söhne haben und das nicht jede Aktion über deren Bücher von vorneherein Betrug sein soll. Den ganzen Fall betrachtend ist es erstaunlich, wie offen Lam auch nicht immer notwendig die Beweislage ein wenig verschiebt, um ihm auch später erste sympathisch werdende Charaktere zu decken. Der eigentliche Antagonist verfügt nur über wenige Auftritte und seine Motivlage ist genau wie das als Katalysator dienende erste Verbrechen eher Staffage. In diesem Punkt arbeitet Gardner die vor dem Fall entstandenen Verflechtungen eher pragmatisch als nachhaltig konsequent heraus. Immerhin soll ein halbseidener Geschäftsmann einen örtlichen Mafiaboss aus dem Effekt heraus töten wollen, weil dessen Freundin immer noch seine Flamme ist, obwohl er sie zu Gunsten einer Stripperin wie die Ehefrau abserviert hat. Das Bausteinmotiv funktioniert auf der Ermittlungsseite, aber nicht in den Anfängen.     

Hard Case Crime muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, dass das Titelbild mit einem Roulettetisch, einer Veronika Lake nach empfundenen Blonden Frau und der Unterzeile „She played the Odds- and Lost“ dem Inhalt des Romans nicht gerecht wird. Es ist eher ein klassisches Ermittlungsgarn mit einem nicht unbedingt in sich verliebten, aber zu bestimmend selbstbewusst agierenden Detektiv, der nicht nur seine Chefin um den Finger wickelt, sondern relativ schnell diese beiden ineinander verstrickten und deswegen vielleicht auch spannenden Fälle lösen kann. Solide geschrieben mit guter Charakterisierung ist „Top of the Heap“ ein guter Einstieg in diese im Verlaufe der Jahre allerdings auch immer stereotyper werdende Detektivserie. 

 

 

  • Taschenbuch: 224 Seiten
  • Verlag: Hard Case Crime (29. März 2011)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0857683160
  • ISBN-13: 978-0857683168
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