Der Tag der Verdammnis

David Gerrold

„Der Tag der Verdammnis“ ist der zweite und letzte ins Deutsche übersetzte Band der unvollendeten Serie „The War against the Chtorr“. In den USA erschienen die ersten beiden Bücher noch einmal als Sammelband. Es lohnt sich aber nur bedingt, die Serie mit dem dritten und vierten nur in den USA veröffentlichten Romanen fortzusetzen, da David Gerrold den Zyklus nicht nur nicht beendet hat, sondern an der Struktur der ganzen Serie in den Fortsetzungen feilte und teilweise sich hinsichtlich der Auftaktromane und der Herkunft/ Mission der Chtorr zu widersprechen begann.

 Bei seiner allerdings abgeschlossenen Romanserie um das Raumschiff „Starwolf“ hat der Amerikaner den ersten Band komplett umgeschrieben, so dass chronologisch die Serie aus zwei Debüts besteht, die interessanterweise teilweise beide in die Fortsetzungen einbezogen worden sind.

 Im Mittelpunkt der Fortsetzung steht eine Mission in die Gebiete, welche die Chtorr schon übernommen haben und in denen der Terraformingprozess in ihre Reihe in vollem Ganze ist. Jim McCarthy begibt sich als der führende Biologe zusammen mit einer kleinen Gruppe in dieses Gebiet. Ihr Hubschrauber stürzt durch einen seltsamen pinkfarbenen Nebel mitten in dem Gebiet ab.

 Da sie nicht direkt angegriffen werden, beginnen sie von innen heraus die seltsame Landschaft zu beobachten. Dabei fallen ihn neben den bekannten Würmern menschenähnliche „Hasen“ auf. Anscheinend leben die Würmer und diese Wesen in einträchtiger Harmonie.

 David Gerrold greift auf eine im ersten Buch kaum entwickelte Theorie zurück. Die Menschheit ist ja durch diverse Seuchen deutlich reduziert worden. Neu ist nach dem ersten Auftauchen der Chtorr das Zombiephänomen. Wie lebende Tote ohne menschliche Züge reduziert auf einige wenige tierische Instinkte wandern mehr und mehr Menschen durch die nicht besetzten Gebiete wie im zweiten Roman San Francisco.

 Der zweite Teil ist besser strukturiert als das erste Buch. Die inneren vor allem sexuellen Konflikte Jim McCarthys werden in den Hintergrund gedrängt. Ob eine Auseinandersetzung mit Homosexualität umgeben von den Resten amerikanischer Elitetruppen sinnfrei ist, steht auf einem anderen Blatt. Auch wenn sich David Gerrold bei den zahlreichen Actionszenen immer am Rande des Klischees bewegt – Hubschrauberabsturz mit einem natürlich tragischen Opfergang – wirkt der Roman als Ganzes deutlich strukturierter. Während die Protagonisten im ersten Band ausschließlich reagieren konnte, ist es Jim McCarthy, der vor allem in der zweiten Hälfte des Buches eine Aktion versucht.

 Der Titel ist zwar eine religiöse Anspielung, aber diesen Tag gibt es noch nicht. David Gerrold lässt seine Figuren allerdings ins Leere argumentieren, dass der erste Tag der Invasion eben dieses biblische Zeichen sein könnte. Dagegen spricht, dass sich die Menschheit durch diverse Seuchen und Krankheiten vorher schon deutlich reduziert hat und die Invasion im Grunde nur auf eine schon geschwächte sich selbst zerstörende Menschheit trifft, um durch die Zerstörung deren Lebensraums quasi den Deckel drauf zu machen.

 Zu diesen semireligiösen Exzessen kommen eine Reihe von oberflächlichen Dialogen. Normalerweise ist David Gerrold ein Autor, der viel aufgrund seiner Fernsehserien Erfahrung über Dialoge ausdrückt. Die deutsche Übersetzung ist in dieser Hinsicht sogar noch zugänglicher, aber im Original reiht der Amerikaner eine Floskel an die Andere, um Seiten zu füllen und eher rudimentäre Informationen dem Leser zu vermitteln. Diese Vorgehensweise wirkt vor allem im mittleren Abschnitt entsprechend ermüdend und treibt den Handlungsbogen wahrscheinlich auch hinsichtlich der Fortsetzungen nicht voran.

 Der Fokus des Buches liegt auf den Außerirdischen. David Gerrold beginnt, die Erwartungen nicht nur der Leser, sondern auch seine Protagonisten zu unterminieren. Positiv ist, dass Gerrold das Thema einer biologischen Invasion vorantreibt und sogar impliziert, dass Menschen und die Chtorr sich vielleicht sogar die Erde teilen könnten. Wenn die Chtorr wirklich die treibende Kraft dieser Invasion gewesen wären.

 Wie diese exzentrische, aber auch interessante Ausgangsbasis überzeugt das Buch mit zahlreichen Ideen hinsichtlich der Erforschung und der Kontaktaufnahme mit den Fremden.   

 David Gerrold relativiert auch die evolutionären Gedanken des ersten Bandes. Die Chtorr sind mehr darauf angewiesen, ihre eigene Umgebung zu erschaffen, in welcher sie zumindest impliziert auch mit Zuchtexperimenten wie den menschlichen Kaninchen beginnen. Wissenschaftliche Hintergründe gibt es bislang keine. McCarthys Erkenntnisse basieren anfänglich auf Beobachtungen und schließlich auf einer doppelten Kontaktaufnahme. Die Zombies wirken im Roman bislang wie ein Fremdkörper. Es gibt zwar Ähnlichkeiten zwischen den Kaninchenmenschen und den Zombies, aber McCarthys Selbstexperiment mit einer Rettung in letzter Sekunde bringt eher konstruierte Erkenntnisse.

 Die zweite direkte Kontaktaufnahme mit den Chtorrs folgt Regeln, die eine Reihe von Science Fiction Autoren des Golden Ages nicht selten mit einem parodistischen Unterton aufgestellt haben. David Gerrold verfeinert diese Art von Mechanismen nur. Positiv ist, dass David Gerrold McCarthy nicht als den allwissenden Heilbringer darstellt, sondern seine Vorgehensweise nicht nur Skepsis auf Seiten der Militärs hervorruft, sondern vor allem auch nicht immer funktioniert. So endet der zweite Roman auf einer deutlich dunkleren Note und viel mehr Fragen bleiben positiv offen als „Der Tag der Verdammnis“ auch nur in Ansätzen beantworten möchte.  

 Die größte Schwäche des Buches liegt aber in den Händen des Autoren, der sich zwischen einem wissenschaftlichen Vorgehen und dem mystischen Ansatz nicht richtig entscheiden kann. Natürlich überlappen sich diese Bereiche in einer derartigen Extremsituation, aber Jim McCarthy hat bei seinen Thesen keinen roten Faden und schlägt eher opportunistisch um sich. Viele seiner Erkenntnisse basieren auf zufälligen Beobachtungen, was grundsätzlich nicht schlecht ist. Aber die Umsetzung dieser Ideen folgt dem hoffnungsvollen Prinzip des Zufalls und wirkt nicht ausreichend genug organisiert, um die potentiellen Risiken einzuschätzen.

 Je weiter der Roman fortschreitet, um so mehr rückt Jim McCarthy – weiterhin direkt vom Studium aus verpflichtet – in den Mittelpunkt aller Forschungen, als wenn die verbliebene Menschheit keine weiteren Biologen zur Verfügung hat, die zusammen mit Jim McCarthy an Theorien und damit Aktionen/ Redaktionen arbeiten könnten. Das lässt den Plot vor allem gegen Ende des zweiten Bandes unnötig eindimensionaler erscheinen als es vielleicht David Gerrold geplant hat.

 Dabei ist „Der Tag der Verdammnis“ als Grundlage für die folgende Serie gut durchstrukturiert. Kontinuierlich und konsequent zeichnet David Gerrold ein sehr ambitioniertes Bild der durch und durch fremden Zivilisation, welche die Menschheit natürlich für elementare Probleme in ihrem eigenen Lebensraum stellt. Es ist nur schade, dass David Gerrold alle diese Fragen nicht abschließend in den letzten beiden Romanen der Serie beantworten wollte und damit aufzeigt, dass es ihm abschließend egal ist, ob die Leser ihm folgen oder nicht.

 In der Theorie könnte „The War against the Chtorr“ David Gerrolds vielschichtigstes Epos sein, in der Praxis ist eine Art Torso zurückgeblieben. Die Neuveröffentlichung der ersten beiden Bände als E Book im Heyne Verlag zeigt, dass Gerrold sehr viel Potential verschenkt hat, um auf eine andere Art und Weise die Qualität seiner in den siebziger Jahren ohne Frage provokanten wie Bahnbrechenden Romane („Zeitmaschinen gehen anders“, „Ich bin Harlie“) noch einmal zu erreichen.

Der Tag der Verdammnis: Der Krieg gegen die Chtorr, Band 2 - Roman

  • ASIN : B071NQFTYS
  • Herausgeber : Heyne Verlag (13. Juni 2017)
  • Sprache : Deutsch
  • Dateigröße : 1603 KB
  • Text-to-Speech (Vorlesemodus) : Aktiviert
  • Screenreader : Unterstützt
  • Verbesserter Schriftsatz : Aktiviert
  • X-Ray : Nicht aktiviert
  • Word Wise : Nicht aktiviert
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe : 438 Seiten