Castle in the Air

Donald Westlake

Hard Case Crime legt nach vierzig Jahren mit „Castle in the Air“ einen der lustigen Caper Romane aus der Feder Donald Westlakes wieder auf. Die richtige Übersetzung wäre „Luftschloss“. Der Ullstein Verlag hat für seine gekürzte deutsche Ausgabe den umständlichen Titel „Ein Luftschloss wird gejagt“ gewählt. Es empfiehlt sich allerdings aufgrund der geschliffenen Dialoge, den sprachlichen Wendungen und schließlich auch dem europäischen Sprachgewirr die Neuauflage im Hard Case Crime Verlag mit einem exzellenten, extra angefertigten Titelbild zu wählen.

Auch wenn Donald Westlake den Roman erst in den allerdings frühen achtziger Jahren veröffentlicht hat, wirkt das Buch deutlich älter und erinnert an die großen Caper Romane und darauf aufbauend auch klassischen Filme. „Topkapi“ von Eric Ambler oder „Rififi“. Nur Friedkins 1978 entstandener Streifen „Der große Ding bei Brinks“ fällt in diese Periode.

Erst in den neunziger Jahren mit der Renaissance der „Mission Impossible“ Film und einer perfekten Hommage an „Rififi“ im Computerraum nahm das Interesse an diesen Filmen und damit einhergehend Büchern wieder zu. Bisheriger Höhepunkt sind das Remake von „Lupin“, aber auch vorher „Die Unfassbaren“, die allerdings auch „Magie“ einfließen ließen.

Die Ausgangsprämisse des Buches ist so absurd, dass sie nur Spaß machen kann. In Paris findet die Weltausstellung statt. Der Diktator eines lateinamerikanischen Landes möchte sich mit seiner Geliebten absetzen und sein Vermögen mitnehmen. Er versteckt es in einem Schloss bzw. mehr einem befestigten Pueblo, das extra für die Weltausstellung demontiert, per Schiff und Flugzeug nach Frankreich und dort wieder zusammengesetzt werden wird. Eine junge Revolutionärin – attraktiv und dogmatisch -  möchte den Schatz stehlen lassen. Die Beute soll zwischen der Gruppe von Gangstern und dem Volk des Diktators aufgeteilt werden.

Donald Westlake hat den Roman cineastisch aufgebaut. Eine kurze Exposition, schnelle Szenenwechsel und viele Charaktere. Als erstes wird ein Team aus regionalen Spezialisten zusammengestellt. Italiener, Briten, Franzosen und Deutsche. Aus jedem Land ein kleines Team für eine später ablaufende Teilaktion des großen Coups. Einige der Spezialisten werden angesprochen, andere während ihrer normalen Tätigkeit teilweise mit provozierenden Bluffs rekrutiert und ein alter Mann beim Schreiben seiner Memoiren gegen seinen Willen aus dem Gefängnis entführt. Kaum als Gruppe zusammen gibt es die erste größere Schwierigkeit. Englisch ist zwar eine Weltsprache, aber nicht alle Mitglieder der Gruppe sprechen englisch, was die Koordination äußerst schwierig macht. Das erste Zusammentreffen der Gruppe ist eine klassische Slpastickszene mit Hand/ Fuß Übersetzungen. Westlake wird diese Szene im Laufe des Buches nur noch einmal übertreffen, als der Verlobte der Revolutionärin von den Toten aus dem Dschungel wiederkommt. Nur wird die Dame in ihrem Hotelzimmer nacheinander auch von einem Briten, einem Deutschen und schließlich einem Franzosen besucht und zum Tet a Tet eingeladen. Was sie als Revolutionärin schockiert ablehnt.

Bei den verschiedenen Nationalitäten geht es Westlake eher um Klischees als eine dreidimensionale Charakterisierung. So sind die Italiener im Grunde Weiberhelden, auch wenn sie nach außen den Macho geben. Die Franzosen sind gemütlich; die Engländer reine Snobs mit ihrem britischen Taxi in Paris und die Deutschen Ordnungsfanatiker. Herrlich sind die nummerierten Bausteine, mit denen sie geordnet arbeiten und im Gegensatz zu den anderen Gruppen sogar an eine Art Zwischenziel erreichen.   

Der eigentliche Überfall ist minutiös geplant und wird auch entsprechend ausgeführt. Westlake zieht den Handlungsbogen noch weiter auseinander, in dem er jede Gruppe auf eine unglaublich unterschiedliche Art und Weise ihren Teil erledigen lässt. Es gibt keine Gewalt, niemand wird verletzt. Die Faszination dieses Caper Filme liegt ja immer in der Tatsache begründet, dass die Verbrechen elegant und intelligent vorgehen. Es bleiben Verbrechen, aber die Mühe, die sie sich geben, wäre eine Belohnung wert. Die Polizei zerstört quasi diese intellektuellen Meisterwerke. Nicht selten für dieses Subgenres sind es weniger die Polizisten, welche abschließend Erfolg haben, sondern kleine Fehler, welche die Gangster direkt oder indirekt begehen. In „Topkapi“ ist es zum Beispiel ein Vogel, der schließlich die Alarmanlage viel zu früh auslöst.

Donald Westlake lässt die Polizei bis auf zwei kleine Szenen komplett aus der Betrachtung heraus. Nach dem Coup ist quasi vor dem Coup. Im letzten ein wenig zu oberflächlich geschriebenen Drittel geht es vor allem um die Gangster per se. Das Team zerfällt, niemand traut dem Anderen und es entwickelt sich ein faszinierendes Bäumchen-wechsel-dich- Spiel. Vor allem als Film müssten diese Szenen überzeugender sein als im Buch. Donald Westlake orientiert sich ein wenig an dem Film „It´s a Mad, Mad, Mad World“. Nur fahren dort die einzelnen Parteien zum großen „t“, in diesem Buch versuchen sie die Teile des Schlosses auf unterschiedliche Art und Weise entweder zu verstecken oder in Sicherheit zu bringen.

Das vorläufige Ende mit einem ironischen wie politischen Protest, der es sogar auf eine Briefmarke schafft, ist basierend auf der durchgehenden Gewaltlosigkeit des Buches mit allerdings einer Reihe von Actionszenen die einzige Möglichkeit, die Protagonisten gesichtsschönend aus dem Milieu des Verbrechens zu entfernen und eine gewisse Ordnung wieder herzustellen. Vielleicht geht  Donald Westlake mit seiner „Weihnachtsstimmung“ einen Schritt zu weit und überdreht die Schraube, aber die rasanten Jagden durch die engen Gassen der französischen Hauptstadt; den berühmten Verkehrskreisel um den Triumphbogen und schließlich auch den engen Kanälen Paris lassen den Leser weder zum Atmen noch zum Nachdenken kommen.

Die Protagonisten sind eher pragmatisch charakterisiert worden. Ganz bewusst geht der Autor auf die fast klischeehaften Eigenschaften der Franzosen, der Italiener, der Deutschen und schließlich auch der Lateinamerikaner werden übertrieben beschrieben. Dadurch wirken die einzelnen Protagonisten mit in einer Slapstick Komödie allerdings auch austauschbar und fast gesichtslos. Aber selbst die Revolutionärin und ihr Geliebter bleiben eindimensional. Bei der Charakterisierung des Diktators und seiner Geliebten überschreitet Westlake vielleicht auch eine Grenze. Auf der einen Seite unterdrückt er sein Volk, auf der anderen Seite lernt der Leser eine neue Seite an diesen Beiden im Epilog kennen. Wahrscheinlich wollte der Autor nur nicht die einen Verbrecher bestrafen und die Anderen laufen lassen. Aber ein fader Beigeschmack bleibt. Dem Leser wird aber den Roman als Ganzes betrachtend eher die Situationskomik im Gedächtnis bleiben.

„Castle in the Air“ ist eine munter geschriebene, von einem hohen Tempo und nur bedingt im Vorwege ausgefeilten Details geprägte Capergeschichte in einer liebevoll nach fast Postkartenmotiven beschriebenen französischen Hauptstadt. Es ist ein klassisches Sommerunterhaltungsbuch, das am Strand oder in der Bahn schnell heruntergelesen und dann auch wieder vergessen werden kann. Aber in dieser Hinsicht gehört es ohne Frage zu Westlake besseren Arbeiten und ist eine Wiederentdeckung in der schönen Hard Case Crime Ausgabe nicht zuletzt wegen des wie eingangs erwähnten wunderbaren Titelbildes mehr als wert.    

Castle In The Air (Hard Crime Book 147) (English Edition)

  • Herausgeber : Titan Books Ltd (30. März 2021)
  • Sprache : Englisch
  • Taschenbuch : 203 Seiten
  • ISBN-10 : 1785657224
  • ISBN-13 : 978-1785657221
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