Forever Magazine 80

Neil Clarke (Hrsg.)

In seinem Vorwort versucht Neil Clarke die anstehenden Projekte zusammenzufassen. Ansonsten präsentiert der Herausgeber die übliche Mischung aus zwei Kurzgeschichten und einer Novelle, die dieses Mal thematisch weder direkt noch indirekt verbunden sind.

 Den größten Raum nimmt „Bubble and Squeak“ von David Gerrold und Ctein ein. Die Novelle erschien im Jahre 2018 in „Asimov´s Science Fiction Magazine“.  Die beiden Autoren verbinden ein fast klassisches Desasterszenario in wahrsten Hollywood Tradition mit dem tatsächlichen Los Angeles und einigen rassistischen Vorurteilen homosexuellen Gegenüber, die aber am Abend des Katastrophentages von den wahren Tagen weichgespült werden.

 Die Geschichte weist einige Stärken und Schwächen auf. Zu den Schwächen gehören die angesprochenen Vorurteile dem homosexuellen Paar gegenüber. Das gipfelt in der Anmerkung, dass Verheiratete mehr Hilfe bekommen und zusammenbleiben können. Letzteres war nach einer kurzen Befragung kein Argument mehr. Es geht rein um die monetäre Hilfe. Wahrscheinlicher ist, dass Familien mit Kindern mehr Hilfe bekommen. Zufällig findet man in einem rührseligen Ende entsprechende Hilfe, wobei natürlich nicht für Gott, sondern nur auf dem Papier.

 Eine weitere Schwäche ist, dass die Geschichte teilweise unfertig erscheint. Der stringente Handlungsbogen von der Katastrophe auf Hawaii und der drei Stunden Deadline, bis die gigantische Flutwelle schließlich die kalifornische Küste erreichen und  vernichten wird, ist akkurat recherchiert und gibt dem Text die notwendige Dynamik. Im Laufe der Handlung fokussieren sich die beiden Autoren ausschließlich auf ihre beiden Protagonisten James und Hu. Das bedeutet allerdings auch, das eine zu Beginn wichtige Nebenhandlung um die intelligente und schlagfertige Pearl abschließend ignoriert wird. Der Leser erfährt nichts mehr über sie, kann allerdings davon ausgehen, dass sie in den Wellen ums Leben gekommen ist. Eine weitere Schwäche ist im Grunde das Hollywoodartige Ende mit einer spektakulären Flucht vor den Wassermassen und schließlich Hilfe in letzter Sekunde. Ende gut, alles gut. Zumindest für den Tag. Gerrold und Ctein drehen zwar an der Spannungsschraube, variieren das Tempo zu wenig und ignorieren im Grunde die immer wieder aufgeworfenen und diskutierten Thesen, das die erste Flutwelle nicht die letzte sein wird.

 Den beiden Schwächen stehen aber sehr viele starke Passagen gegenüber. David Gerrold und Ctein kennen die Stadt, über welche sie schreiben. Natürlich ist es eine doppelte Ironie, dass James sein Geld teilweise als Stuntman für Unterwasseraufnahmen der Hollywoodproduktionen verdient. Ein kleines Detail, das ihnen auf ihrer im Grunde unlogischen und reagierenden Flucht schließlich das Leben rettet. Neben den ausführlichen Beschreibungen ihrer Flucht haben die Autoren gleich zu Beginn die technischen Hintergründe mit einer fast zu langen Exkursion in das SCUBA Tauchen etabliert. Aber durch die im Verhältnis trotz der tickenden Uhr lange Exkursion müssen die Charaktere in der zweiten Hälfte der Geschichte nicht immer wieder bedauern, nicht alles mitgenommen zu haben.

 Neben den zahlreichen Actionszenen von unterschiedlicher Dominanz zeigen die Autoren überzeugen auf, wie aus einem sich offensichtlich liebenden Paar eine Einheit wird, die sich nicht nur blind vertraut, sondern durch ihre unterschiedlichen Fähigkeiten überleben kann. Daher wirkt die anfänglich ihnen entgegengebrachte Ablehnung nach der Rettung auf den ersten Blick aufgesetzt, auf den zweiten Blick noch einmal wie eine Mahnung, dass man die Menschen und ihre Art zu leben respektieren sollte. Gerrold und Ctein greifen immer wieder nicht nur am Ende, sondern zum Beispiel bei der vorläufigen Rettung eines kleinen Mädchens religiöse Aspekte auf, extrapolieren diese aber nicht abschließend. Sie bleiben quasi als Aussagen in der Luft hängen.

 Im Vergleich zu den Hollywoodblockbustern handelt es sich bei „Bubles and Squeak“ um eine gut recherchierte und vor allem auch solide erzählte, vom detaillierten Hintergrund her sehr überzeugend gestaltete Katastrophenstory, deren Handlungsbogen in sich geschlossener und logischer erscheint. Zwar können David Gerrold und Ctein neben einigen unter die Haut gehenden Überlebenskampfszenen inklusiv eines Notwehrmordes nicht auf ein wenig Pathos, ein wenig Kitsch und schließlich Rührseligkeit verzichten, diese Szene gehen aber im Vergleich zu den Big Bugdet Filmen positiv gesprochen eher unter.

 Die beiden Kurzgeschichten könnten nicht unterschiedlicher sein. Aus der Anthologie „Infitity Wars“ stammt David D. Levine „Command and Control“, die einen einzigen  Plot und kritisch gesprochen auch nur einen wirklich entwickelten Charakter Kandiah präsentiert. Es ist eine fortlaufende kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem indisch- chinesischen Konflikt um Tibet, der Ausbruch aus einer militärisch unmöglichen Situation und schließlich auch der Sieg durch eine den Anweisungen der Vorgesetzten zuwiderlaufende militärische Aktion.

 Aus Science Fiction Sicht fügt der Autor die Idee von Bomben hinzu, die mittels eines rein technischen Teleportsystem quasi ohne Gegenwehr ins Ziel getragen werden können.  Allerdings brauchen diese Bomben quasi eine Art Miniaturgegenstation als Zielgeber. Also müssen doch Soldaten ihr Leben riskieren, um die Ziele vorzubereiten. Angesichts der gegenwärtigen Möglichkeiten wirkt diese Technik fast schon wieder antiquiert. Vor welche Schwierigkeiten die Soldaten bei zum Beispiel den tibetischen Tempeln gestellt werden unterstreicht weiter die Einschränkung dieser mitnichten neuen Superwaffe. Kandiah ist eine perfekte Kommandantin, die ihre Truppe mehr liebt als militärischen Erfolg. Sie fühlt sich für diese verantwortlich und jeder Tod während einer Mission trifft sie mitten ins Herz. Es ist dieser Aspekt, der die Geschichte spannender und interessanter macht als die verschiedenen militärischen Aktionen, welche in einem unglaubwürdigen Zufall gipfeln, die Sieg und Niederlage zu gleich darstellt.

 Die dritte Kurzgeschichte stammt aus der letzten „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“ Ausgabe des Jahres 2019. Marie Vibberts „Knit Three, Save four“.  Marie Vibbert bekommt den Preis für die ungewöhnlichste Science Fiction Story des Jahres 2019, auch wenn die technische Logik sich nicht unbedingt gleich erschließt. In „Knit Three, Save Four“ wird ein blinder Passagier an Bord eines wirklich brüchigen Raumschiffs gefunden, das wegen der mangelnden Hüllenintegrität nicht andocken darf. Anscheinend ist man auch nicht willig, die Leute von Bord zu holen. Zu aufwendig und zu teuer. Dank der Laden findet sie eine sehr ungewöhnliche Methode, um das Schiff zusammenzuhalten und macht später daraus ein Geschäftsmodell. Viele kleine Teile wirken unlogisch, aber in diesem Fall siegt die literarische Frechheit, in dem sie wirklich eine gute irdische Idee einfach extrapoliert. Außerdem ist der Text humorvoll frisch geschrieben worden, auch wenn die Zeichnung der Protagonisten bis auf die Hauptperson schematisch ist. 

 Zusammengefasst liest sich die 80. Ausgabe von “Forever” ausgesprochen flott mit drei thematisch unterschiedlichen, nicht wirklich perfekten, aber zumindest soliden Geschichten mit interessanten wie ungewöhnlichen Ansätzen.

Forever Magazine Issue 80 cover - click to view full size

122 Seiten e- Book

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