Rettungskreuzer Ikarus 86: Flucht ins Licht

Frederic Brake

„Flucht ins Licht“ ist der Abschluss Frederic Brakes erster Rettungskreuzer Ikarus Trilogie. So doppeldeutig der Titel ist, so viel Potential bürgt das auf der einen Seite streng genommen abgeschlossene, tatsächlich aber hinsichtlich des interessantesten Objektes der Serie – die Tore – offenen Ende.

 Auch die beiden neuen Figuren Wernö Tallander und Nuncan Dux bergen noch sehr viel Potential für mindestens eine weitere Trilogie.

 Wie der Übergang zwischen dem ersten und zweiten Band der Trilogie empfiehlt es sich auch zwischen dem zweiten und dritten Band, keine wirkliche Pause zu machen. Die drei Romane fallen zu einem durchgehenden Abenteuer auf mehreren Handlungsebenen zusammen.

 Am Ende des zweiten Buches droht Wernö Tallander und Nuncan Dux eine empfindliche Strafe, weil sie sich mittels eines gestohlenen Beibootes auf den Planeten Eclair IV geschlichen haben. Die Besatzung des Rettungskreuzers Ikarus muss entscheiden, ob sie die vorhandenen diplomatischen Schwierigkeiten und Verletzungen der auf Eclair bestehenden Gesetze passiv hinnehmen und zu Kreuze kriechen oder aktiv Tallander sowie Dux aus dem Gefängnis befreien.

 Die Priorin der Galaktischen Kirche auf Eclair nimmt mit ihnen Kontakt auf und bittet sie, die beiden Männer aktiv zu befreien. Zu den beiden Männern im Gefängnis hält sie Kontakt und versucht, ihnen Mut zu machen. Ihre eigenen Absichten bleiben weiterhin im Dunkeln.

 Während sich der erste Band der Trilogie auf die umfangreiche Rettung Tallanders und Duxs aus schwerer Raumnot konzentrierte, nutzte Frederic Blake die erste Hälfte des mittleren Buches, um die Leser allerdings subjektiv und vor allem sehr eingeschränkt auf den politischen Stand zu bringen. Ab Mitte des zweiten Bandes nahm die Serie inklusiv entsprechender Ränkespiele mit dem Abgesandten des Multiimperiums offen seine Fäden strickend deutlich an Tempo auf. Hinsichtlich der Dynamik kann „Flucht ins Licht“ mit dem ersten Roman ohne Probleme mithalten.

 Im Mittelpunkt steht die Befreiung der beiden Gefangenen. Die Leser verfolgen die Planungen der Rettungskreuzer Ikarus Crew, unterstützt von der Priorin. Auf der zweiten Handlungsebene laufen unbemerkt die “Gegenmaßnahmen“ an. Erst später zeigt sich, das diese von Abgesandten des Multiimperiums im Eigeninteresse eingeleitete Initiative nur ein kleiner Teil des ganzen Szenarios ist.

 Die einzelnen Versatzstücke finden erst im Labyrinth unterhalb des Regierungssitzes zusammen. Frederic Blake will auf der einen Seite die komplexe Handlung entwirren und die einzelnen Seiten tauschen fast in James Bond Manier Informationen im Grunde mitten im Kriegsgebiet aus. Neben der gerade erfolgten Gefangenenbefreiung bedrohen auch die in den Tunneln lebenden Monstren die Helden. Die Szene löst der Autor mit einer klassischen Mischung aus Selbstopferung, lockeren Sprüchen und einen Schuss Zufall auf. Wenn weniger gesprochen worden wäre, hätte abschließend die Rettungskreuzer Ikarus Crew weniger bzw. keinen Erfolg gehabt. Aber das gehört auch zu einer zufrieden stellenden bis guten Serienkonstruktion.

 Den ganzen Handlungsverlauf betrachtet hat der Leser auf der einen Seite weiterhin das unbestimmte Gefühl, als wenn er großes Kino verfolgt, das sich in einem sehr zufrieden stellenden Tempo vor seinen Augen abspielt, viele der kleinen oder größeren Ideen aber nicht unvertraut erscheinen. Damit soll Frederic Blake nicht unterstellt werden, das er irgendwo abgeschrieben hat. Er fühlt sich nur noch nicht in der Lage, die genretypischen Grenzen oder Versatzstücke zu durchbrechen und einen Schritt weiterzugehen. Zu viele der letzten „Rettungskreuzer Ikarus“ Miniserien litten unter vergleichbaren Schwächen. Aber im Gegensatz zu einigen anderen Autoren konzentriert sich Frederic Blake abschließend auf das Wesentliche und bringt diesen Handlungsbogen nicht nur zufrieden stellend, sondern für den Moment betrachtet auch konsequent zu Ende. Andere Autoren mussten manchmal unnötig während des Epilogs noch eine Art Feuerwerk zünden, das die bisherige Handlung in den Hintergrund zu drücken drohte.

 Neben den gut geschriebenen Actionszenen und den realistischen Dialogen überzeugt die konsequente Charakterisierung der einzelnen Protagonisten. Frederic Blake macht es sch dabei nicht zu einfach. Vielleicht wirkt der Abgesandte des Multiimperiums mit seinem Aufstieg aus einfachen Verhältnissen zumindest für einen Moment in die Führungsspitze einer wenn auch primitiven planetaren Regierung zu simpel gestaltet, aber mit Dux – immer noch ordentlich hungrig – und dem ein wenig naiven Tallander, sowie der pragmatisch agierenden Priorin verfügt die Romantrilogie über drei sehr interessante neue Charaktere. Frederic Blake verzichtet auf die übliche schwarzweiß Malerei und gesteht insbesondere Tallander eine seinen Glauben stark testende persönliche Entwicklung zu.

 Bei der Crew des „Rettungskreuzers Ikarus“ ragt mit dem Androiden Arthur eine Figur heraus. Verzweifelt auf der Suche nach dem Menschen in sich wird Arthur in den ersten beiden Teilen der Trilogie mit dem Glauben der galaktischen Kirche konfrontiert. Am Ende der Trilogie muss er erkennen, dass es nicht auf den Menschen in sich ankommt, sondern ein menschliches Handeln selbst in einem schwer zu zerstörenden Androidenkörper wichtiger ist als viele Worte.

 Frederic Blake verzichtet bei den anderen Mitglieder der „Ikarus“ Crew auf dominante Protagonisten. Es ist ein klassisches und gut funktionierendes Zusammenspiel von Spezialisten bei einem wieder mal außergewöhnlichen Einsatz. Nur als Gruppe können sie diese nicht nur politisch schwierige Situation meistern. Natürlich agiert in „Sprung ins Licht“ Captain Sentenza dieses Mal an vorderster Front und legt sein Haupt im wahrsten Sinne des Wortes auf den Richtblick, aber ohne seine Crew und ihr perfektes Zusammenspiel sowie die finale Rückendeckung hätte der waghalsige, auf einigen Zufällen basierende Befreiungs- und Fluchtplan nicht funktioniert.

 Mit seinen drei Romanen präsentiert Frederic Blake im Allgemeinen und bei „Flucht ins Licht“ im Besonderen kurzweilige, geradlinige und spannend geschriebene Space Opera Unterhaltung. Mit den Geheimnissen der galaktischen Kirche, welche die bestehende technische Ordnung aus den Angeln heben könnten, verfügt der Autor zusätzlich über ein ohne Frage ausbaufähiges Element. Vielleicht herrscht nach der Lektüre hinsichtlich der geheimnisvollen Tore im Leser ein wenig Leere, aber Frederic Blake verzichtet positiv darauf, die Romane zu sehr zu überfrachten und vor allem das Tempo zu Lasten umständlicher, verklausulierter Erklärungen zu vermindern.

 Und mit zwei Rettungsmissionen – aus dem All im ersten Band, aus dem düsteren Gefängnis im dritten Roman – kehrt der „Rettungskreuzer Ikarus“ auch zu den Wurzeln der ersten Romane zurück.    

Rettungskreuzer Ikarus 86: Flucht ins Licht

  • Publisher ‏ : ‎ Atlantis Verlag (26 July 2022)
  • Language ‏ : ‎ German
  • Paperback ‏ : ‎ 94 pages
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3864028493
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3864028496