Tod im Museum

Meike Stoverock

Meike Stoverocks „Tod im Museum“ ist der zweite Fall des Ermittlers Skarabäus Lampe. Der erste Band „Das Strahlen des Herrn Helios“ ist ebenfalls im Klett Cotta Verlag erschienen. Auch wenn die Autorin bei diesem rasanten Abenteuer immer wieder auf einzelne wichtige Aspekte des ersten Buches eingeht, ist es empfehlenswert, die Serie mit „Das Strahlen des Herrn Helios“ zu beginnen. Nicht nur das Zusammenspiel der einzelnen Protagonisten – ein Hase als Detektiv, ein Straßenkater in einer Doktor Watson Rolle und ein Huhn als Haushälterin – wird ausführlicher und vor allem auch emotionaler herausgearbeitet, auch der Hintergrund mit der moloch artigen Stadt wird vorgestellt.

„Tod im Museum“ ist nicht nur ein weiterer neuer Fall, sondern Meike Stoverock dringt über eine an Agatha Christies Thriller erinnernde Handlungsstruktur tiefer in die Vergangenheit Skarabäus Lampe ein, denn der erste Tote des Romans ist sein Vater. Ein weltberühmter Archäologe, der in der ganzen Welt nach archäologischen Schätzen gesucht hat. Im heimischen Museum fand ihn sein Helfer am Morgen über dem Schreibtisch zusammengebrochen, als es ihm nicht gut gegangen ist.

Trotz der sozialen Unruhen in der Stadt mit einem Magistrat, der eher Museen als Arbeiterunterkünfte finanziell fördert,  wird eine große Trauerfeier im Museum organisiert. Auf der Trauerfeier starb mitten in seiner Rede der Vorsitzende der Archäologischen Gesellschaft. Skarabäus Lampe kommt aufgrund der verschiedenen Farben – als Hase kann er Gerüche nur als Farben wahrnehmen – der Verdacht, dass der zu spät gekommene Vorsitzende vergiftet worden ist. Und er ist nicht das einzige Opfer des Attentäters, denn die Ermittlungen zeigen, dass auch Skarabäus Lampes Vater mit dem gleichen Gift umgebracht wurde.

Skarabäus Lampe sperrt das Museum mit allen Trauerfeier Gästen ab, denn der Täter muss sich unter den hier versammelten Gästen befinden. Das Gift für den zweiten Mord wurde mit dem obligatorischen Begrüßungssekt sehr gezielt verabreicht.

Die Ermittlungen werden nicht einfacher, weil sich unter den Eingeschlossenen mit  MInoko eine attraktive Vogeldame befindet, die dem spröden Lampe nicht nur den Atem raubt. Sie ist auch für die schweren Verletzungen Lampes und seines Partners verantwortlich, als sie am Ende des ersten Buches „Das Strahlen des Herrn Helios“ das Lagerhaus anzündete.

Auch wenn es sich wieder um einen Krimi mit sprechenden, wie Menschen agierenden Tieren handelt, handelt es sich um ein anderes Buch. Der erste Roman ist eine Hommage an Sherlock Holmes gewesen. Lampe ist allen möglichen Spuren in verschiedenen Verkleidungen gefolgt. Der zweite Roman ist ein Agatha Christie Krimi. Eine Gruppe von Verdächtigen, eingeschlossen mit dem ermittelnden Detektiv. Die persönliche Note kommt für Skarabäus Lampe erschwerend hinzu. Neben dem Täter muss auch noch das Motiv ermittelt werden.

Anscheinend gab es in den letzten Jahren einen Schmuggel von archäologischen Funden aus einem Wüstenstaat. So vielschichtig und großartig Meike Stoverocks Welt auch sein mag, so konzentriert und fokussiert entwickelt sie neben ihrer Stadt einzelne Aspekte nur weiter. Der nahe gelegene Wüstenstaat ist aufgrund seiner Geschichte für die Stadt historisch wichtig. Aus den dortigen Funden kann die eigene Geschichte abgeleitet werden. Das wirkt ein wenig konstruiert, aber ist für den Verlauf des Plots notwendig. Das Oberhaupt möchte seine Geschichte offiziell nicht mehr exportieren, inoffiziell natürlich verkaufen. Es ist kein Zufall, dass das verabreichte Gift mit der Geschichte dieses Landes in einem historischen Zusammenhang steht und zweitens sich der undemokratisch etablierte politische Führer unter der Gruppe der im Museum eingeschlossenen befindet. Auch wenn er sich wie ein Gentleman benimmt, gilt er als Verdächtiger Nummer eins. Wenn nicht er, dann zumindest seine Handlanger.

Skarabäus Lampe wird mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert. Sein Vater erweist sich aus der Distanz als fürsorglich, an den Fällen des Sohns interessiert. Auch die Haushälterin hat er für seinen in vielen Dingen lebensuntüchtigen Sprössling angestellt. Aber diese Erkenntnisse gewinnt Skarabäus Lampe auf der tragischen Ebene dieses Buches erst nach dem Tod des Vaters und in seinem chaotischen Arbeitszimmer.      

 Mit einem Augenzwinkern etablieren Skarabäus Lampe und die Autorin verschiedene Schemata. So nutzt der gewiefte Hase spezielle Tiere, um seine Ermittlungen zu unterstützen. Letztes Mal waren es erfolglos Fledermäuse, dieses Mal sind es besondere Liebestiere, die gleichzeitig Gespräche aufzeichnen können. 

Auch hinsichtlich der Überführung der Täter nutzt Skarabäus Lampe den wieder einen langen Monolog in der Agatha Christie Tradition. Sein Helfer Teddy weiß schon, was auf die im Museum eingeschlossenen Verdächtigen zukommt. Skarabäus Lampe fasst seine nicht immer auf Augenhöhe der Leser stattfindenden Ermittlungen zusammen und zeigt, dass fast alle Tiere im Museum ein Motiv haben. Einige sind stärker, einige schwächer.   Am Ende kreist der Hase die in Frage kommenden Personen ein und konfrontiert sie mit Beweisen, die teilweise allerdings auf Zufallsfunden basieren. Auch wenn Skarabäus Lampe mehr als einmal betont hat, dass er den / die Täter schon kennt; den Ablauf der beiden Morde rekonstruieren kann, aber keine abschließenden Beweise hat. 

Der Plot ist stringent und durch die im Gebäude eingeschlossenen Tiere auch grundsätzlich interessant, spannend. Aber Skarabäus Lampe muss kein Tempo vorlegen und die Isolation - umgeben von Aufständischen - hätte vielleicht noch intensiver und packender beschrieben werden können. Die Motive sind für den Leser nachvollziehbar, auch wenn die Autorin abschließend ein wenig zu pathetisch agiert.   

 Die zweite Handlungsebene ist Moloch Stadt. Die Arbeiter beginnen zu streiken und für bessere soziale Standards auf die Straße zu gehen. Die Stimmung ist angeheizt und die Arbeiter sind auch bereit, für ihre Rechte Gewalt anzuwenden. In der Stadt grassiert eine Seuche. Die Ärmsten der Armen haben nicht einmal das Geld, um sich in dem einzigen namentlich erwähnten Krankenhaus Medikamente zu kaufen. Es ist kein Zufall, dass die opulente, wenn auch aufgrund des Drucks von außen reduzierte Trauerfeier ein geeigneter Anlass ist, um für die Rechte zu demonstrieren. So sind die Verdächtigen im Museum nicht nur durch Skarabäus Lampe gefangen gesetzt worden, auch die Unruhen draußen vor den Toren des Museums erschweren einen Abgang. In wenigen drastischen Szenen zeigt die Autorin das Elend der Massen auf. Dabei hebt sie diese soziale Kritik aus der schwer zu definierenden Zeit, in welcher diese Geschichten spielen, heraus. Auf der einen Seite hat der Leser das Gefühl, als wenn Meike Stoverock ihre Romane in einer Parallelwelt zum viktorianischen Großbritannien mit Schnecken als Transportmitteln – noch sieben Stunden bis zum Museum – angesiedelt hat, auf der anderen Seite finden sich immer wieder Anspielungen auf die Gegenwart. 

Dieser Handlungsbogen endet in einem Happy End. Hier wird sehr viel zu Recht gebogen, um eine Art sozialisierter Frieden zu erschaffen. Das wirkt bemüht. 

Auch das Motiv eines Mörders ist eine soziale Anklage.  Weniger gegen die hier beschriebene tierische Gesellschaft, sondern gegen deren menschliches Vorbild. Natürlich hat die Autorin in vielen Punkten recht. Gleichberechtigung ist immer noch ein Fremdwort, aber teilweise wirkt der lange Epilog eher wie eine von der spannenden Kriminalhandlung losgelöste generalisierte Anklage. Die Autorin argumentiert hier mit viel Herzblut und hat sicherlich in einzelnen Punkten auch absolut recht.  Mit dieser Vorgehensweise unterminiert sie die typischen, auch klischeehaften Motive “klassischer” Mörder. Ganz kann sie sich von diesen stereotypen Mechanismen nicht lösen. Sie hat aber eine perfekte Lösung, in der sie eine Art Zweiteilung vornimmt. 

 Hinsichtlich der Arbeiterschaft hat sie zumindest eine Lösung gefunden, für das Thema Gleichberechtigung nicht. Aber auch die Lösungen der Arbeiterschaft bewegen sich auf einem schmalen Grat zwischen Farce und Glaubwürdigkeit. Elegant karikiert sie die selbstverliebten Politiker, die hinter jeder Ecke einen Angreifer sehen. Es gibt tatsächlich in “Tod im Museum” einen Maulwurf, den die Arbeiterschaft eingeschleust hat. Dieser hat auch “Böses” im Sinn und selbst die Nichtausführung der Tat zeigt, wie feige und rückgratlos die Politiker sind. Aber die Autorin will ihren Roman nicht auf einer nihilistischen Note enden lassen und neben einem aktiven, wenn auch nicht legalen Kapitaltransfer bringt sie Lokalpolitik eindampfend den arroganten Stadtrat dazu, die sozial überfälligen Schritte zu gehen. Wie schon angedeutet wirken diese Szenen ein wenig bemüht.   

In dieser Hinsicht wirkt “Das Strahlen des Herrn Helios” in sich geschlossener und weniger belehrend. Vor allem auch in Bezug auf das dramatischere und dramaturgisch besser konzipierte Ende überzeugender. Auf der anderen Seite zeigt Skarabäus Lampe in diesem zweiten Fall seine Hercule Poirot Seite… und das in mehrfacher Hinsicht überzeugend.    

Als studierte Biologin mit einem Schwerpunkt in Evolutionsökologie und Epidemiologie kann die Autorin gleich auf zwei ihrer beruflichen Standbeine zurückgreifen. Drastisch beschreibt sie die immer mehr grassierende Seuche, während die Autorin – wie im ersten Buch – der Tierwelt durchaus menschliche, aber ihren originären Fähigkeiten entsprechende Aufgaben zuordnet. So haben Ratten nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne, in welcher sie allerdings mit überdurchschnittlicher Geschwindigkeit Aufgaben erledigen können. Es ist kein Zufall, dass sie für beide Seiten erfolgreich als Boten eingesetzt werden. Skarabäus Lampe hat trotz seiner überragenden Fähigkeiten die Schwäche, dass er Gerüche nur als Farben wahrnimmt und sie den anderen Tieren – mit ihren Einschränkungen – irgendwie mitteilen muss. Keine leichte Aufgabe für einen überragenden Geist, der nicht unbedingt als geduldig gilt.

Meike Stovevrock integriert diese kleinen Exkurse unauffällig in die laufende Handlung und baut so kontinuierlich diese ungewöhnliche, aber auch sehr interessante Welt weiter aus. 

Generell bietet “Tod im Museum” wieder einen lange Zeit überzeugenden und spannenden Fall vor dem exotischen Hintergrund mit einer Vielzahl einzigartiger Charakter, beginnend beim Straßenkater Teddy, der Hühnerhaushälterin und schließlich auch dem Skarabäus Lampe mit seinen besonderen detektivischen Fähigkeiten. “Das Strahlen des Herrn Helios” war ein weniger origineller, innovativer, aber “Tod  im Museum” ist eine sehr zufriedenstellende Fortsetzung.      

Tod im Museum: Ein Fall für Skarabäus Lampe

  • Herausgeber ‏ : ‎ Klett-Cotta; 1. Auflage 2023 (19. August 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 272 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3608987061
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3608987065
  • Abmessungen ‏ : ‎ 13.2 x 2.9 x 20.8 cm
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