Ben Calvin Harys Perry Rhodan Fan- Edition Roman "Mein Freund Perry" ist anders als die bisherigen Veröffentlichungen dieser empfehlenswerten Reihe. Es werden keine Szenen der Hauptserie intensiver beleuchtet, Nebenfiguren liebevoll zum Leben erweckt oder gar eigene Kreationen auf den Kosmos los gelassen. Es geht auf der einen, vielleicht vordergründigen Ebene um die Faszination dieser langlaufenden Serie, die nicht nur auf der Autorenseite von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. In seinem kurzen Nachwort spricht der Autor von autobiographischen Zügen. Wie Tobias hat er die Hefte seines Vaters auf dem, Dachboden gefunden. Wie Tobias hat er mit dem Lesen der Serie lange nachdem sein Vater mit dem Leser aufgehört hat erst begonnen. In "Mein Freund Perry" ist das gemeinsame Universum, bei dem die Mutter als dritte wichtige Handlungsfigur des Romans mit ihrer sorgenvollen, dominierenden, vielleicht unter den Umständen sogar verständlich erdrückenden Art außen vor, ein wichtiges anfängliches Verbindungsglied. Aber "Mein Freund Perry" ist auf der hintergründigen Ebene noch mehr. Wie Millionen anderer in erster Linie jugendlicher Leser versetzt sich Tobias in das Perry Rhodan Universum und versucht seinen kleinen bescheidenen Beitrag zur Menschheitsgeschichte beizusteuern. Diese Szenen sind - nicht ungeschickt - anfänglich aus der distanzierten dritten Person Ebene beschrieben, später wenn die Gesetze der Rhodan Serie mit den Phantasien des kranken Jungen verschmelzen aus der intimen Ich- Perspektive mit einem zynischen kommentierenden Extrasinn. Ob es Zufall oder Absicht ist, ist schwer zu beurteilen, aber bis auf Perry Rhodan und vielleicht ES sowie den Mutanten vereinigen sich in diesem fiktiven Tobias Rhodans lange Wegbegleiter. Man kann einen Reginald Bull genauso erkennen wie einen Atlan, auch wenn diese Figuren neben Tobias auftreten. Es ist aber die tragische, sehr kurze Lebensgeschichte des jungen, an Krebs erkrankten Tobias, die anrührt. Kritiker könnten davon sprechen, das insbesondere einige Passagen des Romans rührselig, emotional manipulierend vielleicht sogar ein wenig tragisch kitschig geschrieben worden sind. Aber im Gegensatz zur anderen großen Krebsgeschichte des phantastischen Universums - Jim Starlins "Der Tod des Captain Marvel" - beschreibt Ben Calvin Hary ein zutiefst menschliches Schicksal, das häufiger vorkommt als man es glaubt. Auch haben vielleicht nur die Menschen ein Recht dazu, eine derartige Situation zu beurteilen, die durch diese persönliche Hölle gegangen sind. Es geht weniger um das Sterben eines jungen Menschen. Es geht um das Dämmern einer Erkenntnis, dass in diesem Fall die Zeit begrenzt ist. Das sie rasant schnell abläuft und alle Menschen es wissen. Ein plötzlicher Tod ist tragisch, ein langsames Sterben bis zur Unterbringung im Hospiz ist eine Tragödie. Es geht um den Kontrast der fiktiven Unsterblichkeit - selbst in der Rhodanserie ein relativer Begriff, denn auch Unsterbliche können ums Leben kommen - mit der Erkenntnis, nur noch wenig Zeit zu haben. Dieser Punkt wird von Ben Calvin Hary im Rahmen seiner schriftstellerischen Fähigkeiten gut vermittelt, auch wenn das tapfere Sterben des jungen Tobias, der Verzicht auf jegliche Verzweiflung, die Einkehr der inneren Ruhe und schließlich das Erreichen des Ziels - Band 1500 - zu wenig von einer wütenden, von einer vom Leben und Schicksal enttäuschten Ebene begleitet wird. Die Wutausbrüche, die Ohnmacht verrauchen zu schnell und werden von den so wunderbar in Anlehnung an den alten Stil der Serie geschriebenen "Wachträumen" abgelöst. Die große Stärke des vorliegenden Romans liegt was in der bitter ironischen Tatsache, dass Tobias in dem Moment aufgibt, in dem auch Perry Rhodan und seine Mitstreiter ihre relative Unsterblichkeit - die Zeallaktivatoren - innerhalb von vierzehn Tagen an ES zurück geben müssen: "Ruf der Unsterblichkeit" aus der Feder Ernst Vlceks. Während Perry Rhodan wieder seinen Kampf gegen die Unbillen aufnimmt, gibt Tobias im Grunde endgültig geschwächt auf. Ben Calvin Hary betont mehrmals, dass alle das Erreichen dieses Ziels- ein Versprechen gegenüber dem Vater - teilweise ein Marathonlauf für ihn gewesen ist. Der Vater betont noch, dass es Perry Rhodan im Gegensatz zu seinen sterblichen Lesern im Allgemeinen und Tobias im Besonderen immer schafft. Eine Erkenntnis, die Ben Calvin Hary im Versuch, den Tod nicht als endgültig erscheinen zu lassen, noch verstärkt. Hier bewegt sich der Autor in seinem sehr gut strukturierten Roman vielleicht auf dem dünnsten Eis, in dem er den Verlust der Eltern ignoriert und Tobias quasi suggeriert, dass Perry Rhodan so lange leben wird, wie es Leser gibt. Das jeder Leser mit dem Eintauchen in das Rhodan Universum ein fester Bestandteil wird und sei es nur als Teil von "ES" - einem bei den Fans nicht unumstrittenen Charakter. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Versuch, dem langen Tod eines zu jungen Menschen seine Schärfe zu nehmen, ihm fast verzweifelt es "Gutes" zuzuschreiben und die Idee des langen Leidens irgendwie zu relativieren. Den meisten Menschen fehlen in solchen Situationen die Worte. Organisationen, die letzte Wünsche von sterbenden Kindern erfüllen, werden bewundert, auch wenn es manchmal die kleinen Gesten sind, die wie in diesem Fall zu spät kommend, anrühren. Die Eltern bringen Tobias einen Wäschekorb mit weiteren zweihundert Heften, um ihm ein Ziel zu geben. Perry Rhodan hat dem Jungen die Kraft gegeben, entgegen der Erwartung der Ärzte und teilweise gegen den Willen der Mutter weiterzumachen. Diese positive Wirkung der Serie könnte überzogen, verkitscht erscheinen, aber der Autor beschreibt von der Situation des Einzelnen ausgehend wie stark der Wille eines Menschen auch in Extremsituationen sein kann und das selbst unmöglich erscheinende Ziele erreicht werden können. Ein Hoffnungsschimmer in einem auf den ersten Blick deprimierend erscheinenden letzten langen Abenteuer.
Über dieses Szenario hinaus ist "Mein Freund Perry" aber noch mehr. Es ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Vater. Wie oft vermisst man seinen Vater erst, wenn dieser nicht mehr da ist? Wie oft sucht man die Gemeinsamkeiten, die einen Schritt zurücktretend vielleicht erkennbar sind, aber vom Trotz der Jugend ignoriert werden? Der Autor fokussiert sich mehr auf die Rhodanserie, deren Lektüre Tobias Vater mit Band Eintausendfünfhundert sehr zur Freude der Mutter eingestellt hat. Tobias ist schon vorher ein Superhelden und Science Fiction Fan gewesen. Er hat Raumschiffe aus Lego gebaut, "Star Trek" oder "Babylon 5" vielleicht sogar mit dem Vater gesehen. Der Funke ist handlungstechnisch notwendig erst mit der "Perry Rhodan" Serie übergesprungen. Die Erinnerungen des Vaters und Tobias Reise verschmelzen relativ wenig und die Gespräche zwischen Vater/ Sohn scheinen in dieser Hinsicht bis auf wenige Besonderheiten der Stringenz des Plots geopfert worden zu sein. Auch die Idee eines "Diebstahls" der Hefte vom Dachboden wirkt zu scharf. Im Grunde leiht sie sich nur Tobias und warum er seinen Vater nicht gefragt hat, ist eine der frühen Ecken und Kanten des Romans, die aufgesetzt erscheinen. Der Autor schlägt den Bogen am Ende mit dem aufs Bett gelegten Heft zurück.
Die größte Schwäche des vorliegenden Romans ist vielleicht bis auf Tobias und dessen so nervigen, so ätzenden und doch auch irgendwie in seiner Hilflosigkeit auch zugänglichen Freund Kevin die Zeichnung der Eltern. Während der Vater früh und dann wieder spät Profil gewinnt, erdrückt die Mutter ihren Sohn förmlich mit Liebe und Fürsorge. Dabei scheint es widersprüchlich, das das Lesen von Comics genauso wie das Fernsehen auf einem uralten, vom Boden geholten Apparat erlaubt und das Lesen der "Schundhefte" verboten ist. Ihre Reaktionen wirken übertrieben, zu extrem. Natürlich ist die schwere, letztendlich tödliche Erkrankung eine seelische Last, die erdrückend ist, aber ihre Antipathie wirkt vor allem in dieser Vehemenz auch ein wenig aufgesetzt, um Tobias den Übergang in das fiktive Universum noch mehr zu erleichtern. Bei den "fiktiven" Szenen mit einem neuen treusten Freund Rhodans hat der Autor sehr geschickt auf markante Szenen der Szene zurückgegriffen. Die erste Expedition nach Wanderer mit der Zelldusche, die Jagd nach den Zellaktivatoren und schließlich die Erkenntnis, dass der Zellaktivator nicht jede Krankheit heilen kann, sind wunderbar geschrieben. Sie versprühen den Geist der alten Serie in einer geschickten Kombination mit dem traurigen Hintergrund. Viele Leser werden schlucken, wenn Tobias die Erkenntnis vermittelt wird, das das angebliche 40 Millionen Credits teure Wundermittel nur hinzufügen und nicht entfernen kann. Mit Melbar Kasom, Gucky, Icho Tolot und vor allem Lemy Danger sowie natürlich Atlan oder Perry Rhodan und natürlich ES greift er auf beliebte Figuren der Frühzeit der Serie zurück und fügt ihnen allerdings nicht im aggressiven, „anything goes“ Ton der Scheer Ära einen ehrgeizigen, immer staunend seine Pflicht tuenden Tobias hinzu, der in die Rolle des Freundes, des potentiell Unsterblichen förmlich gedrängt wird. Dieser langsame Übergang von einem typischen Rothemden, der auf Wanderer bei der Expedition Rhodans Team hinterher eilen muss zu einem Helden und dann immer stärker von der Realität der Krankheit eingeholt zu einem Menschen ist einer der Höhepunkt dieses lesenswerten, durch die geschickte Kombination von Realität und Traumvorstellung auch modern wie klassisch zugleich erscheinenden Romans.
Das Paperback »Mein Freund Perry« (108 Seiten DIN A5) ist im Space Shop der PRFZ erhältlich.
EUR 7,90 Normalpreis
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