Des Teufels Magie

Hugh Walker

Mit "Des Teufels Magie" liegt die letzte Sammlung von "Horror" Romanen - der Begriff ist sehr weit gefasst in einem so vielschichtigen Werk - und einhergehend zwei thematisch sowohl "Lebendig begraben" als auch "Die Robot- Mörder" begleitenden Kurzgeschichten im Rahmen der von Peter Emmerich herausgegebenen Edition vor.

 Der schon als „Vampir Horror“ Roman 24 im Jahre 1973 veröffentlichte „Lebendig begraben“ versucht die klassische Edgar Allen Poe Idee mit der Thematik aus der literarischen Vorlage F. Scott Fitzgeralds zu „Das seltsame Fall des Benjamin Button“ zu verbinden. Der Protagonist wacht natürlich im Sarg während seiner eigenen Beerdigung auf. Die Situation beschreibt Hugh Walker klaustrophobisch, intensiv und für den Leser unangenehm. In letzter Sekunde wird er aus dem Sarg befreit und hat seine Verwandten wieder. Bevor der Leser sich aber zu fragen beginnt, was Hugh Walker auf den letzten knapp fünfzig Seiten eines ehemaligen Heftromans erzählen wird, beendet der Autor diese Situation mit einem Paukenschlag. Der „Held“ ist nicht nur von den Toten auferstanden und nicht lebendig begraben worden, er ist gute zwanzig Jahre jünger geworden. Das zieht sich durch zwei weitere Tode. Das Ende des Lebens ist für ihn eine klassische Verjüngungskur. Mit seiner Verjüngung Schritt haltend entfernt er sich nicht nur aus seinem Umfeld, sondern beginnt mehr und mehr zu vergessen. Auch diese nicht unbedingt originelle, in diesem Fall aber konsequente Facette trägt zu weiteren Entfremdung bei. Mit dem zweiten Tod und damit folgerichtig der zweiten Wiederauferstehung scheint sich der Plot in Richtung Teufelspakt zu bewegen, nur löst der Autor seine Figur endgültig aus der Gegenwart und platziert sie in einer kleinen Gemeinde, in der er schnell eine Art allmächtigen Laienrichter mit entsprechenden Helfern spielt. Das ihn die Vergangenheit in doppelter Hinsicht einholt, ist ein Spannungssegment, das erstaunlich spät in diesem distanzierten geschriebenen und ein wenig sperrig wirkenden Mittelabschnitt Einzug hält. Im letzten Drittel zieht der Autor das Tempo dafür um so mehr an, fügt der Idee des Teufelspakets noch den Aberglauben der Menschen inklusiv eines entsprechenden Lynchverhandlung bei, bevor er nicht so düster wie in einigen anderen seiner Romane diese Prämisse zufrieden stellend und vor allem auch hinsichtlich der Struktur ausgesprochen gut ausbalanciert auflöst.

Im Vergleich zu einigen anderen seiner Bücher bedingt allerdings auch die erzähltechnisch deutlich anspruchsvollere Struktur eine Distanz zum Hauptprotagonisten, der unabhängig von seinen Wissenslücken und seinem anfänglich so grausamen Schicksal nicht als Identifikationsfigur dient. Ob absichtlich ohne nicht scheint Hugh Walker in dieser Geschichte fast bösartig auf einen „Helden“ verzichtet zu haben. Damit unterstreicht er die Verführungskünste des Bösen überdeutlich und macht die Geschichte zugänglicher. Am meisten leidet „Lebendig begraben“ unter der fehlenden Dynamik nach einem starken Auftakt und einem rasanten Ende im relevanten Mittelabschnitt, in dem Hugh Walker die Ereignisse fast in Form einer Chronik und nicht mehr alleine als Roman erzählt. Zu den Stärken gehört ohne Frage, dass der Autor aber aus bekannten Versatzstücken – ein Pakt von Faust Dimensionen und der Idee des „lebendig begraben“ seins – etwas sehr Originelles und Unterhaltsames zaubert.  

Rückblickend ist interessant, dass Hugh Walker bei „Die Robot- Mörder“ und der Kurzgeschichte „Umleitung in einen Alptraum“ eine ähnliche Ausgangssituation nutzt und den Plot in verschiedene Richtungen entwickelt. Empfehlenswert ist in diesem Fall, zuerst das im Anhang befindliche Expose sowie Horst Hermann von Allwördens allerdings ein wenig zu polemische Anmerkungen unter dem Titel „Hugh Walker und der Abgott“ zu lesen. Bis auf die Auftaktszene – ein Sensationsreporter fährt in der Nacht auf einer einsamen Straße ein junges Mädchen an, das anscheinend von unbekannten zwergenhaft erscheinenden Männern vor sein Auge getrieben oder geschubst worden ist – hat Walker den Roman umschreiben müssen. Die Grundidee eines Autos als Vampir ist insbesondere für die siebziger Jahre neu, aus heutiger Sicht hat Stephen King alleine mit „Christine“ sowie dem schwächeren „Der Buick“ Maßstäbe gesetzt. Auch wenn Hugh Walker aufgrund des Verlagesdrucks insbesondere den Mittelteil des Buches umgeschrieben und aus dem Autovampir eine Art ambivalenten, aber von der Technik getriebenen Kult gemacht hat, ist es unfair, den ganzen Roman als durchschnittlich oder schwach zu bezeichnen. Gegen Ende offenbart der „Schurke“ – ein weiteres Opfer seiner Forschungen – die verhängnisvolle Verbindung zwischen Geist und Mechanik und schlägt damit überzeugender und die Story enger an „Lebendig begraben“ mit seinem Jahrhunderte alten Pakt anbindend einen Bogen zur frühen phantastischen Literatur. Es fehlt nur noch der mechanische Schachspieler. Interessant ist, das ein Jahr vor Entstehen des Films mit „Race with the Devil“ und im gleichen Jahr mit „Schach dem Roboter“ zwei Filme herausgekommen sind, die eine Synthese der hier aufgeworfenen Ideen sein könnten. Im Gegensatz zu vielen anderen Hugh Walker Romanen fehlt „Die Robot- Mörder“ eine innere Dynamik, die nicht gänzlich überzeugend durch die eher eindimensionalen, verschiedene Klischees bedienende zufällig zusammen gewürfelte Gruppe von Helden ausgeglichen werden kann. Offensichtlich ist, dass Hugh Walker nach dem vor der Ablehnung schon geschriebenen Auftaktkapitel eine neue Richtung gesucht hat und diese im Verlauf des ganzen Romans relativ spät, dann aber interessant gefunden hat. Im Vergleich zu „Lebendig begraben“ ist die Atmosphäre an den relevanten Stellen deutlich dichter und die Dialoge sind pointierter, weniger aufgesetzt. Natürlich ist das Expose deutlich origineller, provokanter und vielleicht auch für den Horror Roman der siebziger Jahre einen Hauch zu modern, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die von Horst Hermann von Allwörden angesprochenen Autofetischisten auch Horror Heftroman lesen, erscheint sehr gering. Die Gegenüberstellung von Expose und fertigem Ergebnis ermöglicht es aber dem Leser, nicht nur den Fertigstellungsprozess dieser Arbeiten mit Walkers nicht selten freier Interpretation der Plots zu verfolgen, sondern zu sehen, was aus einem überzeugenden Expose durch die Ablehnung der Prämisse geworden ist. Ein Heftroman mit einem gutem starken Auftakt und einem interessanten Ende, dessen Teile nicht immer zufrieden stellend, aber zumindest routiniert miteinander verbunden sind.  

In seinen Kurzgeschichten - wobei die eine thematisch vielleicht sogar in die Sammlung "Tote lieben anders" gepasst hätte - sind es noch stärker als in Hugh Walkers Romanen alltägliche Situationen, die wie ein Katalysator bedrohliche und nicht selten auch tödliche Ereignisse herauf beschwören.- Eine nächtliche Autofahrt oder eine einfache Wohnungsbesichtigung. Im kürzeren und leider auch im Vergleich zu „Die Robot- Mörder“ schwächeren Text "Umleitung in einen Alptraum" hat ein Autofahrer das Gefühl, als wenn der Mensch, den er aus Versehen angefahren hat, absichtlich von seltsamen Gestalten auf die Straße geschubst worden ist. Mit schlechtem Gewissen lässt er den Schwerverletzten schließlich zurück. In "der Gott aus der Vergangenheit" will ein Student aufgrund einer Wohnungsanzeige die Räumlichkeiten besichten und wird von der sehr jungen Tochter der Hausbesitzerin empfangen. Die Wohnung ist eigentlich zu schön und zu teuer für den Studenten, er wird aber mehr und mehr in den Bann der angeblich toten Tochter gezogen, die aufgrund der im arabischen Raum stattfindenden Studien ihres Vaters mehr ist als sie zu sein scheint. Hugh Walker hat für diese Novelle eine gute Ballance zwischen Stimmung und Stimmungen sowie einer Bedrohung von Jenseits des Grabes gefunden, die aber mit der Konkretisierung in der zweiten Hälfte des Textes trotz aller Ablenkungsbemühen zu sehr an die "Weird Tales" der dreißiger Jahre erinnert. Dazwischen liegen einige Klischees, aber als Kontrast gut gezeichnete Protagonisten, die zusammengefasst mit der stringenten Handlung solide unterhalten. Da es sich um zwei nicht unbedingt thematisch miteinander verbundene Romane in dieser Sammlung handelt, wirken Horst Hermann von Allwördens Notizen ein wenig zusammengestückelt. Im Falle von „Lebendig begraben“ schießt er mit seinen Absolutismen nicht nur über das Ziel hinaus, sondern verallgemeinert die  Erwartungen der Heftromanleser zu sehr. Die „Vampir“ Hardcover im Zaubermond Verlag haben in dieser Hinsicht schon einige Schätze gehoben. Auch wenn der Ton nicht weniger erhaben ist, sind seine Anmerkungen zu „Die Robot- Mörder“ wie im betreffenden Abschnitt der Besprechung erwähnt deutlich treffender und begleiten den neu veröffentlichen Roman überzeugend.  

In einer auflagetechnisch limitierten Sonderauflage werden neben Kurzportraits der beiden für Hugh Walkers Romane zuständigen Titelbildkünstler C.A.M. Thole und Nicolai Lutohin mit ihren farbig wiedergegebenen Arbeiten vorgestellt.  

Zusammengefasst schließt „Lebendig Begraben“ die Neuveröffentlichung von Hugh Walkers Horror Romanen überzeugend, aber auf keinem Höhepunkt ab. Zu sehr weisen diese beiden Heftromane nicht nur autorentechnische Schwächen oder den Rückgriff auf bekannte Versatzstücke auf, sondern sind nicht immer in Ehren ergraut. Auf der anderen Seite zeigen sie überdeutlich, das Hugh Walker aus bekannten Schemata immer in der Lage gewesen ist, originelle, wenn auch in einem Mal „zensierte“ Abenteuer zu kreieren, die selbst aus der Distanz von vierzig Jahren noch kurzweilig auf einem soliden Niveau unterhalten. 

 

Emmerich Verlag

ISBN-10: 150094906X / ISBN-13: 978-1500949068
296 Seiten

 

Kategorie: