Perry Rhodan Neo 78 "Der Mutantenjäger"

Bernd Perplies

Bernd Perplies „Der Mutantenjäger“ gehört auf der einen Handlungsebene mit Reekha Chetzkel zu einem der wichtigsten Romane der Serie. Zum ersten Mal setzen sich Frank Borsch und Bernd Perplies mit der Vergangenheit des Sonnensystems intensiver auseinander und beschäftigen sich mit der Frage, warum selbst der neuen Imperatrice so viel am Sonnensystem liegt. Interessant ist dabei die unterschiedliche Perspektive, denn Perry Rhodan hat ja durch die Löschung der Daten im Epetransarchiv das genaue Gegenteil versucht. Reekha Chetzkel will die IGITA bergen. Dabei handelt es sich um einen schweren Kreuzer aus Atlans Atlantis- Flotte, der nach dem Angriff der Maahks auf den Saturmond Titan abgestürzt ist. Die Bergung gelingt unter Schwierigkeiten. Bernd Perplies beschreibt diese Situation spannend und technisch nahvollziehbar. Offen bleibt die Frage, ob der in den ersten Romanen vom Meeresgrund geborgene Kugelraumer das einzige Schiff ist, das auf der Erde abgestürzt ist und warum man nicht versucht, in Atlans Basis einzudringen, die auch über ausreichend Wissen aus dieser Zeit verfügen muss. In der Vergangenheit wird nämlich genauso vorgegangen, wie die späteren Szenen zeigen werden. Den Beteiligten muss bekannt sein, das die Arkoniden auf dem untergegangenen Kontinent Atlantis nicht nur eine Basis unterhalten haben, sondern das nicht alle Spuren ihrer damaligen Kolonialisierung verschwunden sind. In der Zentrale finden sie das persönliche Logbuch des Kommandanten Cerbu in Form eines Speicherkristalls. Durch die Rekonstruktion der Daten folgt ein für die „Perry Rhodan“ Serie signifikanter wie so typischer Rückblick.

Cerbu selbst gehört zu den Querdenkern, die alles hinterfragen. Die erste Frage nach einer Kolonie so weit draußen erscheint angesichts des Machtstrebens der Arkoniden überflüssig. Hier versucht der Autor eine Ablenkungsstrategie zu entwickeln, die nicht funktionieren kann. Dann geht es in den Bereich der Genetik. Die Erd bzw. Larsafbewohner und die Arkoniden sind anscheinend erbguttechnisch miteinander verwandt. Fortpflanzungen und Kreuzungen wären möglich. In Afrika – der Wiege der Menschheit – werden in einer mindestens 30.000 Jahre alten Begräbnisstätte Artefakte gefunden. Bei der anschließenden Suche im Sonnensystem entdecken sie einen getarnten, inzwischen leeren Stützpunkt, in dem ein menschenähnliches Wesen gelebt haben muss. Neben einem Transmitter finden sich Schwebecontainer. Eine Stimme hat vorher telepathisch darum gebeten, zu Atlan gebracht zu werden.

Danach verliert sich aber die bislang stringente und interessante Geschichte in einer Begegnung mit einem plötzlich auftauchenden Goldenen, der ebenfalls Atlan sprechen möchte. Die Idee, das Atlan nicht nur der Freund der Menschheit werden könnte, sondern im Gegenteil andere Pläne ferngesteuert ausführt, ist im Rahmen der „Neo“ Serie immer wieder angedeutet worden. Auf der einen Seite ist diese Vorgehensweise ohne Frage interessant, da im Vergleich zur Erstauflage der Arkonide sehr lange als weiser Ratgeber im Schatten des offensiven Rhodan gefolgt ist. Da diese charismatische Anführerfigur in der „Neo“ Serie quasi mit dem unentschlossenen, zögerlichen Rhodan fehlt, haben sich Frank Borsch und sein Team entschlossen, nicht den einfachen Weg zu gehen und ihn durch Atlan zu ersetzen, sondern auf einer gänzlich höheren Ebene aus dem ehemaligen Kristallprinzen auch eher ein Werkzeug von Mächten zu machen. Das dabei wie bei der Übergabe des Zellaktivators an den inzwischen verstorbenen Regenten einiges schief gegangen ist und der Leser manchmal bezweifelt, ob es wirklich diese ganze Pläne gibt, steht auf einem anderen Blatt. Zusätzlich ist frustrierend, das im Verlaufe dieser Handlungsaufgabe die originäre Aufgabe, Informationen über die Vergangenheit der Erde und die besondere Beziehung zu den Arkoniden zu präsentieren vernachlässigt wird. Nach der Hälfte der Miniserie ist immer noch nicht erkennbar, warum erstens die Arkoniden dieses System angeblich so sehr mögen, dass Crest nur aus dem Epetransarchiv die Koordinaten holen konnte, zweitens ein Unwissender an diesen Daten erkennen kann, um welches System es sich auf dem Weg zur relativen Unsterblichkeit handelt und drittens welche kosmische Bedeutung insbesondere der junge Atlan noch hat. Betrachtet man kritisch zusätzlich das Verhalten Atlans in den ersten „Neo“ Bänden inklusiv der entsprechenden Rückblicke, wirken die verschiedenen Kontaktversuche eher konstruiert. Der Leser hat das Gefühl, als versuche man eher bemüht die Handlungsebene mit dem „Protektorat Erde“ genau wie die endlos erscheinende Suche nach dem Epetransarchiv künstlich aufzumotzen als die Vergangenheitsebene mit den Maahk Kriegen für sich sprechen zu lassen.     

   Die zweite Handlungsebene mit Ras Tschubai ist dagegen enttäuschend. Durch die von Andre Noir ausgelösten Veränderungen in den Mutanten hat Tschubai seine Teleporterfähigkeit verloren. Dafür verfügt er jetzt über ein Supergehör. Zumindest relativiert Bernd Perplis diese Fähigkeit, in dem Tschubai die Geräuschflut nicht kontrollieren kann. Trotzdem konnte er vom Stardust Tower abhängig von den Ablenkungen die Planung des Einsatzes des Flottentenders mit hören. Inzwischen auf der Flucht will er sich in seiner Studentenzeitstadt Mumbai verstecken. Wie in Berlin bei Frank Böhmert hält sich Bernd Perplies bei den Beschreibungen der afrikanischen Stadt eher an der Oberfläche auf und fügt einige zu gegenwärtig erscheinende Klischees hinzu. Der Leser hat nicht nur in diesen Passagen den Eindruck, als wäre die Invasion der Arkoniden eher ambivalent und wird hervorgeholt, wenn es spannungstechnisch notwendig ist. Eine Nonne pflegt ihn in einer der kitschigen und den Plot nicht vorantreibenden Szene mit einem aus fragwürdigen Quellen stammenden Beruhigungsmittel der Arkoniden, das es ihm – welch eine Überraschung – ermöglicht, seine Kräfte plötzlich sehr viel optimaler und ziel gerichteter einzusetzen.  Mia hat inzwischen einen Supergeruchssinn erhalten, der es ihr ermöglicht, Ras Tschubai aufzuspüren. Die verschiedenen Mutantenfähigkeiten unterscheiden sich deutlich von der Originalserie. Hinzu kommen die potentiellen durch die so genannte „Augmentation“ hervorgerufenen Fähigkeiten. Vielleicht wirkt das alles übertrieben und die einzelnen „Fähigkeiten“ passen zu sehr in die jeweils benötigten Vorgehensweisen. Auf dieser Handlungsebene kann der Autor im Grunde keine Spannung aufbauen. De Jagdszenen sind zwar solide beschrieben, aber es fehlen die wirklichen Überraschungen. Wie bei dem langen, nicht abgeschlossenen Rückblick fallen die Versatzstücke am Ende des Romans zu einfach ineinander. Was den ganzen Spannungsbogen „Protektorat Erde“ angeht, flacht das Tempo deutlich ab. Bernd Perplies gelingt es zwar, einzelne Figuren dreidimensional zu charakterisieren, aber gegen Ende seines Romans muss er auch vor den offenen Situationen kapitulieren und flüchtet sich in einige wenige solide, aber auch nicht sonderlich aufregend geschriebene Actionszenen. Zurück bleibt bei „Der Mutantenjäger“ ein anfänglich durch das Potential des Rückblicks gut geschriebener Roman, der leider die Erwartungen am Ende nicht erfüllen kann. Im Vergleich zu den letzten „Neo“ Abenteuern allerdings eine deutliche Steigerung. 

 

 

Pabel Verlag, Taschenheft, 160 Seiten

Erschienen im Oktober 2014

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