Cotton Reloaded 26- Der Wolfsmensch

Jürgen Benvenuti

Am Ende von Jürgen Benvenutis „Der Wolfsmensch“ spricht einer von Jeremiah Cottons Kollegen aus, was der Leser denken mag. Ein derartig komplizierter und auf Zufälligkeiten basierender Plan, um sein Ziel zu erreichen, erscheint nur noch irrational. Je mehr der Autor am Ende die verschiedenen, zusammenlaufenden Ebenen zu erklären sucht, um so mehr zeigt sich der Wahnsinn der Beteiligten und gleichzeitig wird die Wissenschaft ad absurdum geführt. In der Nähe von Washington County wird ein halbnackter und anscheinend geistig verwirrter Mann aufgefunden. Die Medien nennen ihn schnell Wolfsmensch. Seine Hände sind vollständig verbrannt, er spricht nicht, er hat einen nicht mehr operablen Krebs und an Hand seines Gebisses kann er auch nicht identifiziert werden. Der Fund dieses verwahrlosten Mannes, der anscheinend nur Kaugummis einer bestimmten Marke aus der Hand einer hübschen Assistentin zu sich nimmt, wird gut beschrieben. Das der Plan hinter der Identität des Wolfsmenschen allerdings zum beabsichtigen Erfolg führen könnte, erscheint unwahrscheinlich. Das ein Arzt über mehrere Wochen nicht mehr feststellen kann, als die von Jürgen Benvenuti erscheint angesichts der Möglichkeiten der „DNA“ Analyse unwahrscheinlich und da die Vergangenheit des Mannes eine wichtige Rolle spielt, wäre an dieser Stelle der komplizierte Plan erledigt gewesen.

Gleichzeitig findet man in der Stadt die dritte Leiche einer Raubmordserie. Alle Opfer sind in der Nähe der U- Bahnstation Parkchester aufgefunden worden. Sie haben anscheinend die gleiche Route benutzt. Das die Mordserie am Ende in einem Zusammenhang mit dem Wolfsmenschen und den Zielen einer kleinen Gruppe von Verschwörern steht, ist für den Leser schockierend, wird aber zu wenig in den Handlungen der einzelnen Mitglieder dieser Gruppe widergespiegelt. Spätestens an einer Stelle hätte ein Mitglied der „Verschwörer“ angesichts der Prämissen opponieren sollen. 

 Jeremiah Cotton und seine Kollegin Decker ermitteln dank technischer Hilfe relativ geradlinig. Wie die letzten „Cotton Reloaded“ Romane zeigt auch „Der Wolfsmensch“, das dieses durch die Straßen streifen nicht mehr notwendig ist und man aus Kameras und Telefonen sehr viel mehr Informationen holen kann als durch das Befragen von Zeugen. Ihre Arbeit ist solide und im Vergleich zu einigen anderen „Cotton Reloaded“ Bänden bleibt der Leser lange Zeit auf Augenhöhe. Positiv ist auch, dass bis auf den intensiven körperlichen Einsatz in letzter Sekunde Decker und Cotton gleichberechtigt und vor allem wieder als Team ermitteln. In vielen der letzten „Cotton Reloaded“ Bände lag der Schwerpunkt zu sehr auf Jeremiah Cotton, der nicht selten gegen alle Regeln ermittelt hat, während Decker entweder in den Hand von Psychopathen gewesen ist oder verschiedene Sondereinsätze eher indirekt durch das Machoverhalten ihrer eigentlich Untergebenen in den Sand gesetzt hat. Hier ergänzen sie sich, wobei stellenweise Cotton schon auf dem sprichwörtlichen Schlauch stehen muss, um der resoluten und ein wenig arroganten Decker die Bühne zu überlassen. Im Vergleich zu einigen anderen Bänden – siehe vor allem die Abenteuer in Mexiko – agieren sie aber wieder distanzierter untereinander.

 Interessant ist, dass trotz oder vielleicht auch gerade wegen der politischen Hintergründe nicht auf eine rechtsradikale, erzkonservative Gruppe von USA Verbesserern zurück gegriffen wird, sondern das die hinter der spannungstechnisch zu groß angekündigten „Veränderung“ persönliche Motive stehen. Ein erschreckendes Element ist die grausame Fortschritt der Waffentechnik, der das Aufspüren von Sprengstoffen in kleineren Mengen immer schwieriger macht. Es ist der rote Faden, der aus dem ambitioniert geplanten „Wolfsmensch“ einen trotz der angesprochen wahrscheinlich aus Verzweifelung geborenen Zufälligkeiten immer noch einen spannenden „Cotton Reloaded“ macht, dessen Grundfall wirklich der Spezialeinheit des Mr. High würdig macht.   

 

Bastei Lübbe, 96 Seiten

E- Book

Erscheinen Novemver 2014

Kategorie: