Rettungskreuzer Ikarus 57 "Im Schatten des Mondes"

Holger M. Pohl

Mit „Im Schatten des Mondes“ feiert der für den Fantasy- Guide arbeitende Holger M. Pohl als Autor des „Rettungskreuzers Ikarus“ sein Debüt.

Die Trilogiestruktur bedingt natürlich, dass sich die ersten Seiten ein wenig ähneln. Die „Ikarus“ Crew um Captain Sentenza mit eigenen Problemen hinsichtlich der Intensität seines Junggesellenabschieds wird mit einem Auftrag konfrontiert, der sie aus ihrer wohl verdienten Ruhephase reißt.    

 Sentenza wird von Admiral Nicol N`Guda vom Commonwealth gebeten, auf eine eher private Mission zu gehen, die er auch durch Spenden aus eigener Tasche an den Rettungsfonds unterstützen möchte. Auf der eher unterentwickelten Welt „Valeran“ ist seine Frau nach dem Scheitern einer diplomatischen Mission gelandet. Sie soll unauffällig abgeholt werden. Holer M. Poh lässt sich nicht unbedingt negativ ein wenig Zeit, das Szenario aufzublättern. In eingeschobenen Kapiteln ahnt der Leser natürlich lange vor der „Ikarus“ Crew, das diese Mission nur ein Vorschub für finstere Machenschaften ist. Sentenza muss sich erst einmal klar werden, ob das Abholen einer Admiralsfrau als Notfall gewertet werden kann. Seine Vorgesetzten sind da flexibler und sehen es eher als Trainingsflug für die neuen Praktikanten an Bord des Schiffes.  

Es ist erstaunlich, wie wenig über diese Welt wirklich bekannt ist. In der bisher beschriebenen Form in „Valeran“ vielleicht auch die größte Schwachstelle des ganzen Romans, denn Holger M. Pohl greift mit seiner von Frauen dominierten Welt sehr tief in bekannte Klischees, ohne diese wirklich effektiv zu extrapolieren. Frauen haben das Sagen auf dem Planeten, Männer spielen keine Rolle und dürfen nicht einmal in ihrer Gegenwart sitzen. Warum hat das Commonwealth zu erst einen Mann geschickt, um nach den Bodenschätzen auf dem Mond zu greifen? Es ist praktisch, dass erstens die „Ikarus“ über eine kompetente erste Offizierin verfügt und zweitens Sentenza sowie bei ihr noch in Ungnade gefallen ist. Anstatt mit den Rollenklischees etwas intensiver und vor allem vielschichtiger zu spielen, fügen sich diese Kontraste zu leicht ineinander und Holger M. Pohl verschenkt in seinem solide geschriebenen Roman sehr viel Potential. Auch die weitere Entwicklung auf dem Planeten „Valeran“ wird relativ schnell und schnörkellos abgewickelt, so dass aus vielen bekannten Versatzmustern keine wirkliche, sich über zwei weitere Romane ziehende Spannung entwickeln kann. Wie schon angedeutet ist das Ziel der im Hintergrund agierenden Mächte ausreichend angedeutet, die Handlangerin mit ihren ehrgeizigen Zielen schnell identifiziert und die Herrschenden von „Valeran“ müssen auch gegen die eigene Überzeugung auf männliche Hilfe in Form von in erster Linie Sentenza zurückgreifen. Es bleibt natürlich abzuwarten, ob Holger M. Pohl im Verlaufe der folgenden beiden Bücher noch einige Ecken und Kanten mehr einbaut, aber das Ausgangsszenario wird ohne Frage solide, aber nicht immer inspiriert präsentiert.

Auch erwartet der Leser vielleicht mehr Hintergründe über die Gesellschaft Valerans, die in der vorliegenden rudimentären Form eher einem Spiegelbild der irdischen Kultur mit einem Hauch wehrhafter Amazonen gleicht, ohne wirklich überzeugen zu können. Dirk van den Boom hat in seiner Talith Trilogie, die ebenfalls ein diplomatisches Problem in den Mittelpunkt gestellt hat, ein wenig mehr karikiert und subtil auch irdische Exzesse kritisiert. Dazu kamen die deutlich stärker pointierten Dialoge und die emotionale Verwirrung einzelner Charaktere, die auch gut zum vorliegenden Band passen könnte.

Natürlich ist es zu früh, die ganze Trilogie nach diesem soliden, stetig das Tempo aufbauenden ersten Band zu beurteilen. Auf der Charakterebene zeigt Holger M. Pohl, dass er nicht nur die Besatzung des „Rettungskreuzers Ikarus“ schätzt, sondern auch neue Figuren einbauen kann. Mit Svilia Rikas und Dorian Darkwood werden zwei Praktikanten in kalte Wasser geworfen, die neben ihren kleinen Machen auch ihre Fähigkeiten auf einer natürlich aus dem Ruder laufenden Routinemission beweisen können. Dabei legt der Autor nicht zu viel Verantwortung auf ihre Schultern, sondern hält die Balance zwischen Integration und Innovation im Auge. Captain Sentenza hätte vor allem hinsichtlich der emotionalen Störungen zu seiner einzigen Liebe ein wenig ambivalenter gezeichnet werden können. Er entkommt zu leicht und insbesondere in der zweiten Hälfte des vorliegenden Kurzromans wünscht sich der Leser ein wenig mehr Initiative, ein paar Emotionen mehr. Da haben langjährige „Rettungskreuzer Ikarus“ Fans ihn schon ganz anders agieren sehen.

Gegen Ende des Romans wirken die Andeutungen hinsichtlich der Handlungsfortführung allerdings erdrückend. Sie sind auch gar nicht nötig. Es ist schade, dass immer wieder Autoren auf diese Mechanismen zurückgreifen. Warum lässt man die Crew nicht im Grunde alleine und die potentielle Verschwörung selbst herausfinden? Erstens stehen diese eingeschobenen Kapitel in keinem direkten Zusammenhang mit dem Aufenthalt der „Ikarus“ Crew und geben dem Leser einen unnötigen Vorsprung vor der ermittelnden Besatzung, die schnell herausfindet, das sie nicht nur auf einer einfachen Abholmission sind. Zweitens wird zu schnell eine Erwartungshaltung erzeugt, die vor allem hinsichtlich der letzten brutalen Informationen in Richtung einer neuen Waffe deuten, mit der die bekannte Galaxis unterjocht werden kann. Und dieses Szenario ist in den letzten großen wie kleinen Zyklen zu oft im „Rettungskreuzer Ikarus“ angesprochen worden. Wie in der James Bond Serie muss nicht alles größer und exzentrischer sein. Auch kleine Katastrophen haben ihren Reiz. Zusammengefasst ist „Im Schatten des Mondes“ – dieser Titel bezieht sich auf das Objekt der Begierde – wie schon eingangs erwähnt ein solider Auftakt einer Trilogie, die ihre Innovationskraft über den angenehm zu lesenden Stil und die solide Charakterisierung auch der Nebenfiguren allerdings teilweise wie bei den „Herrschenden“ auf Valeran am Rande des Klischees noch entfalten muss.    

 

Atlantis- Verlag
Titelbild: Lothar Bauer
Paperback, ca. 100 Seiten, ISBN 978-3-86502-211-1.