National Security- Eindringlinge

Marc Cameron, National Security, Eindringlinge, Rezension, Thomas Harbach
Marc Cameron

Die “Crime” Reihe des Festa- Verlages hat sich in den letzten beiden Jahren stark gedreht.  Während zu Beginn mit Dan Simmons und Gordon Ferris auch interessante Serien entweder komplett oder angefangen worden sind, konzentriert sich der Herausgeber auf die modernen, waffenfetischistischen Thriller, in denen sich eine paranoide amerikanische Nation gegen die überwiegend islamistischen Eindringlinge in erster Linie durch einzelne militaristische „Superhelden“ in Uniform oder gerade ausserhalb der Uniform wehrt.

Während Stephen Hunter mit seinen Thrillern vor allem die Korruption Amerikas immer wieder anprangerte und die Gefahren auch in den eigenen Reihen gesehen hat, fällt es schwer, sowohl Ben Coes als auch Marc Cameron, der mit „National Security“ eine inhaltlich vergleichbare Serie gestartet hat, wirklich ernst zu nehmen. Zu sehr weichen sie nicht nur von den Anführern dieser Bewegung „Bourne“ und „James Bond“ ab, zu sehr versuchen sie propagandistisch effektiv Amerika auf die nächste Welle von Terroristen vorzubereiten, die alles in den Schatten stellen, was der 11. September so tragisch gezeigt hat.

Ohne Frage ist dieser literarische Rechtsruck aus Sicht der Amerikaner sogar verständlich, aber wenn derartige Thriller vor allem von Ex- Soldaten wie Marc Cameron veröffentlicht werden, dann sollte ein ausländischer Verleger zumindest die Verhältnismäßigkeit kritisch hinterfragen und diese einseitigen Verunglimpfungen im Grunde aller Islamisten zumindest hinterfragen. Schon William Forstchen ist mit seinem kurzweiligen Roman „Tage des Zorns“ sehr weit gegangen, in dem er Amerika alleine als Opfer mit vielen unschuldigen toten Kindern dargestellt hat, während die Aktionen der „Cruise Missiles“  als notwendige Gewalt angesehen werden. Es ist interessant, das die Military Science Fiction sich momentan um eine Ausgewogenheit gegenüber dem „Feind“ bemüht, während diese Thriller immer radikaler und damit nicht unbedingt schockierender, sondern provozierender werden.

Marc Cameron beginnt seinen Roman mit einem Klischee, das William Forstchen zum Beispiel in seiner detaillierten Studie eines Terroranschlages im Herzen des amerikanischen Hinterlandes umgangen hat.    Auch wenn Forstchen die Perspektive immer wieder wechselt, hat er sich bemüht, den Handlungsbogen ausgesprochen konzentriert zu beschreiben und durch die Fokussierung keine Spannung zu verlieren. Diesem Weg hätte Cameron folgen sollen.

Er kämpft auf zu vielen Hochzeiten und arbeitet vor allem die Motivation seiner Figuren zu wenig heraus. Was anscheinend ein Anschlag auf Amerika als Nation sein könnte, erweist sich irgendwo zwischen den Zeilen als eine Art unnötige persönliche Abrechnung. Das wirkt nicht unbedingt überzeugend. Die Seitenhandlung mit der amerikanischen natürlich attraktiven Reporterin, die von den Arabern gefangen gehalten, vergewaltigt und schließlich sogar geschwängert wird, bevor die Marines sie befreien, ist eine Aneinanderreihung von Klischees. Höhepunkt ist, dass sie ihn durch den Namen ihres Kindes anscheinend endgültig provozieren will. 

Beleidigt greifen die Araber Amerika an. Alleine die Vorbereitung eines solchen Anschlags, die Logistik und das Einschmuggeln der Viren wird im Handumdrehen erledigt. Natürlich ist es anscheinend sehr leicht, Teile einer Atombombe zu kaufen und diese zusammenzusetzen. Biologische Waffen aus dem Irak oder Syrien zu „erobern“ und einzusetzen. Die Hemmschwellen werden immer geringer, wie Hussein und Saddad so zynisch gezeigt haben.

Aber trotzdem muss ein solches Unternehmen vorbereitet werden und dieser Aspekt des Romans wirkt eher wie eine persönliche Abrechnung als ein lange geplanter, im Geheimen vorbereiteter Plan, um den Erzfeind ins Mark zu treffen und weniger das eigene Ego zu befriedigen. In dieser Hinsicht verschenkt Cameron ausgesprochen viel  Potential in einem handlungstechnisch wichtigen Abschnitt des Buches.   

Auch beginnt der Roman mit einem Bombenanschlag auf ein Ziel in den USA. Anstatt einen direkten Zusammenhang zwischen dieser Zelle und dem zweiten perfideren Anschlag zu machen, dient diese Idee nur als eine Art Ablenkung.  Intelligente Terroristen hätten auch gleich mit der Virenlösung angefangen anstatt die Aufmerksamkeit vieler innerer Organe beginnend mit dem FBI und endend bei „Homeland Security“ noch wachsamer werden zu lassen als sie es in Wirklichkeit schon sind.

Um dem Plot eine im Grunde unnötige Dynamik zu geben, ist dieses Mittel opportun, aber es wirkt wie ein Anfängerfehler, wenn ein Autor nicht in der Lage ist, einen Plot aus sich heraus zu entwickeln und stattdessen wie in den   James Bond Arbeiten auf eine Art Prolog zurückgreifen muss, der teilweise dann rückblickend widersprüchlich zur eigentlichen Grundidee erscheint.  Auch der Undercoveragent im Mittleren Osten und die Vorbereitung eines weiteren Anschlags erhöhen weniger die innere Spannung des Buches als das sie eine gewisse „Leere“ überwinden helfen. Wenn am Ende Jäger und Gejagte auf Motorrädern durch die USA fahren, das tödliche Virus in greifbarer Nähe, dann erfüllt sich der Motorrad liebende Autor mit der intelligenten wie attraktiven Soziusfahrerin eine Art Kindheitstraum.

Immer an der Grenze zur Parodie zusammengehalten durch die solide geschriebenen Actionszenen befriedigt „National Security“ nicht wirklich. Auch Ben Coes musste seine ambitionierten Plots gegen Ende seiner Spannungsbögen nicht immer gänzlich befriedigend eindampfen und nicht selten den Konflikt auf eine persönliche Ebene zurückführen, aber Marc Cameron überspielt die Schwäche, in dem er direkt auf die Fortsetzung zu lenkt, die eine deutlich größere Gefahr natürlich vor allem für die USA impliziert als es „Eindringlinge“ schon beschrieben hat.

Schwierig ist es auch, mit den einzelnen Charakteren wirklich nachhaltig warm zu werden. Zu sehr greift der Autor in die eindimensionale Trickkiste und zu wenig entwickelt er die Figuren aus sich selbst heraus.  Der Überheld Jericho Quinn ist zwar nicht mehr durch und durch militärisch organisiert und beginnt auch zweidimensional zu denken, aber ihm gelingt zu viel in zu kurzer Zeit. So hat er eine Comanche Großmutter, von der eine seine dunklere Hautfarbe hat und dadurch als Araber durchgehen kann. Seine Sprachkenntnisse sind so gut, dass er sich in Nahen Osten frei als Underdoveragent bewegen kann. 

Die Beschreibungen sind solide, die Prämisse wirkt allerdings zu wenig überzeugend. Warum nicht den Mut als Autor haben und tatsächlich auf „gute“ Araber zurückgreifen, die vielleicht in den USA leben und dieses Land schützen möchten? Anstatt die verschiedenen islamischen Strömungen nuanciert zu beschreiben, gibt es bei Marc Cameron nur eine schwarzweiße Darstellung.    

Auch sein Partner Thibodaux erscheint aus den alten „Destroyer“ Bänden entstiegen zu sein. Er ist für den nicht immer passenden Humor zuständig. Wie schon angedeutet ist die attraktive Wissenschaftlerin weniger im Labor als auf dem Motorrad. Als Kombination sind die drei Amerikaner wahrscheinlich unschlagbar und dienen als Quelle für die nächsten Romane der Serie.  Mit dem allerdings zu dominanten Jericho macht Cameron auch einen wichtigen Anfängerfehler. Selbst James Bond muss nicht nur leiden, sondern sich teilweise dem Zeitgeist stellen und sich selbst kritisch hinterfragen. Er durchläuft die entsprechenden Täler der Tränen.  Aber er entwickelt sich nicht als Figur weiter. Zu Beginn an ist er unumstößlich von seiner Meinung überzeugt und führt quasi den Kreuzzug alleine gegen die eindimensionalen, brutalen Araber, die an der Grenze zum Klischee beschrieben aber teilweise das charismatische Niveau der überdrehten James Bond Feine erreichen.

„National Security“ fehlt von Beginn an die politisch in beiden Fällen strittige Tiefe der Ben Coes Thriller, in denen ein wirklich ambitionierter technisch ausgerichteter Plot entwickelt wird. Vieles erscheint zu einfach und vor allem die einzelnen Versatzstücke werden durch die unnötig hektisch wechselnde Perspektive zu wenig nachhaltig präsentiert. Der Autor lässt den Plot zu wenig fließen und ist weniger für die Spannung als eine Undurchsichtigkeit des Geschehens verantwortlich, so dass „National Security“ weniger unterhält als angesichts des ohne Frage schwierigen und differenziert zu präsentierten Themas eher politisch interessierter Thrillerleser verärgert.

Buchreihe:    Festa Crime
Auflage:    Deutsche Erstausgabe
Buchseiten:    400 Seiten
Ausführung:    Paperback, Umschlag in Festa-Lederoptik
Format:    20 x 12,5 cm

Kategorie: