Frl. Schmidt und die Suche nach Atlantis

frl. schmidt und die suche nach atlantis, Wilko Müller, Rezension
Wilko Müller jr

Der zweite Roman der „Frl.Schmidt“ Serie kann das Potential seines Vorgängers nicht ganz heben.  Mit knapp einhundertsiebzig Seiten deutlich länger als „Frl. Schmidt und die Maske der Mona Lisa“ hätte die Handlung wahrscheinlich noch für einige Dutzend Seiten ausgereicht. Wilko Müller nimmt die Ideen der Urban Fantasy beginnend mit Neil Gaimans „American Gods“ – solange Menschen irgendwie an Götter glauben, sind sie auch präsent – bis zur Chronik um den eisernen Druiden auf, ohne rückblickend zwischenmenschlich nachhaltig genug überzeugen zu können. Der Leser muss sich anfänglich mit verschiedenen Tatsachen auseinandersetzen. Frl. Schmidt ist keine gewöhnliche Assistentin, sondern eine Göttin. Sie hat die Welt im Dezember 2012 gerettet, wobei ihr Widersacher dieses Mal relativ schnell wieder aus dem überirdischen Gefängnis entkommen ist.  Ihren Chef – der Antiquar Wichowski – hat sie zwanzig Jahre jünger gemacht und zusätzlich erfährt der Leser, dass sie auch sexuell aktiv ist.  Sie agiert weniger offensiv als Göttin, sondern ordnet sich wieder unter. Ihre zynischen sarkastischen Sprüche sind zwar weiterhin treffend, aber Wilko Müller greift sehr wenig auf diese zurück. Interessant ist, dass in seinen phantastischen Geschichten die finanziellen Mittel dieser Götter ambivalent beschränkt sind. So muss die zweite Expedition dieses Mal auf der Suche nach Atlantis von einer Loge des weißen Lichts finanziert werden. Dabei ist Thor bei seinem Besuch in dem kleinen Laden der Initiator dieser Reise. Er will nicht nur Frl. Schmidt besuchen, sondern kauft eine alte Lovecraft Ausgabe, da anscheinend ein unbekannter Feind mit den Alten des Cthulhu Zyklus einen zweiten Versuch unternehmen will, um die Menschheit auszulöschen. Thor ist ein gebildeter, kräftiger Bursche, der während des Showdowns auch den Hammer schwingen kann. Aber wie Frl. Schmidt verhalten sie sich auf der Reise in die Ukraine im Allgemeinen und zur Schlangeninsel als Ausgangspunkt der Suche nach dem untergegangenen Atlantis im Besonderen sehr zurückhaltend.

Von der Struktur her braucht Wilko Müller erstaunlich lange, bis er den Plot endgültig ins Laufen bringt. Die Vorbereitung mit dem neuen Herrn der Loge als Geldgeber, dem potentiellen Familienausflug und schließlich dem Flug in die Ukraine nehmen einen breiten Raum ein. Der Autor bemüht sich, die einzelnen Figuren dreidimensional zu charakterisieren, wobei er ausgesprochen ambivalent vorgeht. Der neue Herr der Loge mit seiner zickigen, im Hintergrund bleibenden Frau oder der anfänglich eher unterkühlten Tochter erscheinen pragmatisch gezeichnet. Wichowski hat weder die Ereignisse in Mexiko richtig verarbeitet, noch scheint er mit seinem verjüngten Körper Probleme zu haben. Ab und zu dient er als Resonanzkörper für die Erklärungen von Frl. Schmidt. Kaum in der Ukraine angekommen nimmt der Plot fast zu viel Fahrt auf. Neben einigen Seitenhieben auf die opportunistische Wirtschaft der Ukraine inklusiv der stetig gut sortierten Organisation von der Tauchausrüstung bis zum Militärhubschrauber relativ Wilko Müller aber den durch den Bürgerkrieg entstandenen Eindruck eines gänzlich vom Bürgerkrieg zerrütteten Landes und versuch ein warmherziges Bild der gebeutelten Menschen zu zeichnen.

Kaum sind die Protagonisten dann auf der Schlangeninsel gelandet, überschlagen sich die Ereignisse. Wilko Müller folgt dabei zu sehr den Vorlagen von Lovecraft, anstatt aus dem Plot eigene Ideen zu schöpfen. Das wirkt auf den ersten Blick nicht nachhaltig genug. Potential, die Handlung entweder mit flotten Sprüchen der nicht auf den Mund gefallenen Götter zu beleben oder weitere Spannungsbögen in die Handlung einzubauen, gibt es genug. Vor allem muss der Leser ausgesprochen gründlich lesen, um diese unglaublich kompakte und konzentrierte Handlung in allen Aspekten zu erfassen. Ein Nebensatz kann wichtige Informationen erhalten. Mit einigen Tempi Variationen und vor allem einem stilistisch intensiver präsentierten Gefühl der Dringlichkeit – das hat im ersten „Frl. Schmidt“ Band so gut funktioniert -   hätte das Finale in „Frl. Schmidt und die Suche nach Atlantis“ den ersten Band in den Schatten stellen können. Es ist schade, das beginnend mit dem eindimensionalen Antagonisten der Roman nicht sein volles Potential hebt und das diese „Frl. Schmidt“ inzwischen ja als Göttin weiterhin wie die Superhelden ihr langweiliges Leben angeht, wobei sie immer wieder ihrem Chef stellvertretend für den Leser wichtige, von Wilko Müller jr. gut recherchierte Informationen reichen kann.  Vielleicht sollte sich Wilko Müller von den Weltrettungsgeschichten – zweimal ist einmal zu viel aufeinander folgend – lösen und diese Urban Fantasy zu anderen Brennpunkten der Verschwörungsgeschichte steuern. Mit der Vernichtung der Mona Lisa in diesem Buch ist schon ein erster interessanter Schritt gemacht worden.  Als deutsche Urban Fantasy bietet der kurzweilig zu lesende Roman allerdings einige Ansätze, um vor allem im ersten Drittel gut zu unterhalten und in der zweiten Hälfte eine ungewöhnliche Landschaft im Schwarzen Meer zu präsentieren, die man sich gerne länger durch die Erzählung des Autors angeschaut hätte.       

Phantastische Erzählung
Taschenbuch, 172 Seiten
Projekte-Verlag 2012
ISBN 978-3-86237-873-9

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