Der Kaiser von Afrika

Edmund Schopen

Nach seinem philosophischen Exkurs “Jenseits der Milchstraße” veröffentlichte Edmund Schopen mit “Der Kaiser von Afrika” einen postapokalyptischen wie politisch/ wirtschaftlich interessanten Roman, der am Ende die sozialistischen Ideen H.G. Wells mit einer Prämisse kombiniert, die 1945 in dem Frankreich geschriebenen und ebenfalls in Deutschland veröffentlichten Roman “Der letzte Weiße” sehr viel extremer extrapoliert worden sind. 

In beiden Romanen hat der dritte bzw. fünfte Weltkrieg die Weiße Rasse entweder in die Steinzeit mit Milliarden von Toten gebombt bzw. bis auf einen einzigen Überlebenden das weiße Volk gänzlich ausgerottet. In wie weit eine derartige Konzentration der Zerstörung auf Europa und USA/ Kanada durch atomare dreitätige Kriegsführung bzw. den Einsatz von Viren realistisch ist, muss zum Funktionieren des Plots außer acht gelassen haben. Das derartige Auseinandersetzungen nicht nur globale Folgen haben, sondern ein Aufblühen insbesondere afrikanischer Kulturen aufgrund deren damalig starker Abhängigkeit von den ehemaligen bzw. damals noch aktuellen europäischen Kolonialherren  verhindert worden wäre, steht auf einem anderen Blatt. Während in “Der letzte Weiße” es eher um die kontinuierliche Steigerung europäischer Konflikte bis zur finalen Vernichtung geht, konzentriert sich Edmund Schopen in seinem intensiv, aber auch wirtschaftlich distanziert geschriebenen Roman auf politische Winkelzüge, die letzt endlich nach dem ultimativen Griff nach der Macht in einer sehr offenen Zukunft enden. In beiden Romanen ist es notwendig, dass entweder das Alte wie “der letzte Weiße” oder das zu Dominante - wie “der Kaiser von Afrika” - spektakulär, aber zufrieden abtritt, um Raum für Neues zu erschaffen.  

Der Roman beginnt mit dem Besuch einer afrikanisch- asiatischen Delegation hochrangiger Politiker in Europa. Europa ist nach einem atomar geführten Drei- Tage Krieg in die Primitivität zurückgefallen. Während sich Skandinavien neutral verhalten hat und der Süden von den Strahlung kaum betroffen worden ist, haben in Russland und den USA als implizierte Auslöser des Schlagabtausches nur noch wenige Millionen Menschen überlebt. Auch Deutschland oder Frankreich haben aus eigener Kraft keine Überlebenschance. Drastische Beispiele wird Schopen im Verlaufe seines Romans durch den Besuch des Kaisers von Afrika unter anderem in einem Krankenhaus für extreme Strahlungsopfer und Mutationen sowie in Köln mit dem nicht mehr existenten Dom unangenehm ausführlich, aber nicht belehrend oder von oben herab beschrieben. 

Der “Kaiser von Afrika” bietet den Europäern eine Entwicklungshilfe, die einer extremeren Form des Marschall- Plans entspricht. Einhundert Milliarden Rupien und eine kleine “Armee” von Wirtschaftsexperten, Technikern und schließlich auch Ärzten.    

Mit dieser Entwicklungshilfe hebt sich der Vorhang über das erste von mehreren politischen Dramen. Insbesondere reaktionäre chinesische und afrikanische Kräfte wollen das Widererstarken des Weißen Mannes verhindern und streben einen politischen Putsch an. Schopen folgt der Gesetzen modernster Marktwirtschaft, in dem er als ironische Note Europa und Amerika zu Absatzmärkten der stark exportabhängigen afrikanischen wie asiatischen Industrie macht, die nur weiter den Grenzen des Wachstums entgegenstreben können, wenn vorher diese zerstörten Märkte rekultiviert werden. Was in Bezug auf Asien heute Realität ist, wirkt hinsichtlich der afrikanischen Nationen ein wenig befremdlich. Aber nicht zuletzt durch die reichhaltigen Uranvorkommen konnte Afrikas Wirtschaft nicht nur einen gigantischen Fortschritt verzeichnen, auch die ihre Bevölkerung nicht mehr ernährende Natur wieder rekultiviert. 

Diese politische Auseinandersetzung durchzieht den Roman wie ein roter Faden. Mit dem plötzlichen Widererstarken Europas, das dank der Milliarden sogar schnell die asiatischen und afrikanischen Nation allerdings in demütiger Dankbarkeit überflügeln kann, droht das Gleichgewicht der Kräfte zu kippen. Schopen benutzt in diesem sich eher wie ein Sachbuch lesenden Mittelteil das ganze Instrumentarium moderner Wirtschaftspolitik inklusiv der verführerischen Macht der Presse, die sowohl vom Kaiser von Afrika als politisches Volkstageblatt wie auch den Putschisten - in erster Linie mächtige Konglomerate, die um ihre Uranmonopole und damit einhergehend ihre Macht fürchten - als Propaganda einsetzen. 

Während die dem Leser vertrauten Europäer in eine Art opportunistische Trittbrettrolle gedrängt werden, die im ganzen Roman eher klischeehaft unterentwickelt erscheint, drohen der schwarze und der gelbe Kontinent an ihren unterschiedlichen Vorurteilen zu zerbrechen. In “Der letzte Weiße” haben die Farbigen nicht von der gegenseitigen Vernichtung der weißen Rasse gelernt und am Ende des Buches droht ein weiterer in diesem Fall rassistischer Krieg. In “Der Kaiser von Afrika” geht es um wirtschaftspolitische Macht, die für den Autoren einhergeht mit der Kontrolle der Uranvorräte der Welt, die zu eine Art MacGuffin werden. So wird auch die Position relativiert, dass die asiatischen und afrikanischen Nationen aus der Selbstvernichtung der Weißen gelernt und die Nutzung von Uran zu militärischen Zwecken verboten haben. 

Das letzte Drittel des Buches wird nicht nur vom Kampf um die Macht in Afrika und Asien dominiert. Es schleichen sich auch einige Vorurteile in erster Linie gegen die japanischen Opportunisten ein. Herrschaftsphantasien im Gleichschritt mit absoluter Machtkontrolle drohen die zarten Pflanzen einer oligarchischen Phantasie mit einem zu heroischen Kaiser an der Spitze zu zertreten. 

Die Lösung ist die Übertragung aller wirtschaftlicher und politischer Macht auf eine neue Generation von Menschen. Wie in H.G. Wells sozialistischen Utopien wird die neue herrschende Klasse die Arbeiterschaft, die nicht nur die Uranvorkommen und die entsprechende  Industrie annektiert, sondern auf das Stufe absoluter Gleichberechtigung ohne die Schicht der egoistischen Reiche einer Weltutopie erschaffen soll, die keine Rassenschranken mehr kennt. Auch wenn Schopen seinen Roman an der Stufe zu dieser neuen, idealisierten und inzwischen von der Realität überholten Utopie beendet, klingen die Töne eher unecht und konstruiert. Die Idee, dass die Masse der Arbeiter ohne politische oder wirtschaftliche Erfahrung der Menschheit einen globalen Frieden, den Arbeitern gerechte Löhne und schließlich den Konzernchefs eine Revolution von unten bescheren sollen, wird zu wenig extrapoliert. Wenn der Kaiser von Afrika schließlich an der Schwelle einer neuen Zeit, die H.G. Wells nur teilweise in seiner Vision “Thing to come” beschrieben hat, das ultimative Opfer bringt und sich gegen die von allen Untertanen gerne in seine Hände gelegte Macht entscheidet, scheint sich für den Autoren ein fiktiver Wunschtraum zu erfüllen, der mehr als fünfzig Jahre nach Erscheinen des Romans zu viele Fragen offen lässt. 

In Bezug auf die Personencharakterisierung ragt natürlich der Titelantiheld “Der Kaiser von Afrika” aus den ansonsten eher nach Funktionalität beschriebenen Figurenmenge heraus. Ein ausgesprochen moderner Staatsmann, der in seiner Freizeit auf seiner eigenen kleinen Insel (!) zusammen mit seiner attraktiven wie intelligenten Frau die Stammestrachten trägt. Schopen versucht fast mechanisch, ein fiktives modernes Afrika als Vorbild eines Europas, das selbst heute diese fiktiven wie unrealistischen Idealzustand nicht erreicht hat, gegen dessen Stammesvergangenheit zu stellen. Während die Ausprägung für die Afrikaner noch überzeugend ist, wirken die Japaner eher holzschnittartig beschrieben und in ihrem Machtstreben wie würdige Nachfolger der amerikanischen Kapitalisten mit ihren Monopolträumen. Da der Sozialismus das Idealziel seiner Fiktion ist, finden die Russen in diesem Buch nicht statt. Sie sind wie die Franzosen im Atomfeuer verglüht, während die Italiener als opportunistische Feiglinge beschrieben werden, die aus einer angeblichen Position der Stärke heraus nach der Macht in Europa zu greifen suchen. Es ist keine Überraschung, das die Macht der Arbeiter die Fesseln der industriellen Revolution zum ersten Mal in dem Gewerkschaftstreuen Italien zum ersten Mal endgültig sprengen und die korrupte Obrigkeit zur Seite fegen. 

“Der Kaiser von Afrika” ist - wie angesprochen - weniger ein klassisches Postdoomsdayroman, sondern ein unterhaltsam geschriebenes Lehrbuch in Sachen Klassenwandel von der kapitalistischen Wirtschaftsdiktatur der reichen Oberschicht dank der Toleranz der unfähigen Politiker unter Gleichschaltung der Presse hin zu einem wahren Sozialismus, in dem die Maschinenstürmer nicht nur von unten die Gesellschaft verändern, sondern die Gleichschaltung aller Menschen unter Enteignung des persönlichen Eigentums das Trittbrett zu einer idealen, eher naiv extrapolierten, aber vor allem lebensunfähigen Gesellschaftsform ist. In dieser Hinsicht provoziert Schopen nicht selten mit seinem eher distanzierten, manchmal lehrbuchartigen, sich weniger auf spannende Dynamik denn Vermittlung von Thesen konzentrierenden Erzählstil, zumal die Grundidee des Marschallplans für Europa keine schlechte Prämisse ist und die den Europäern aus Afrika gereichte Hand noch die Narben der Kolonialherrschaft trägt.         

Edmund Schopen, "Der Kaiser von Afrika",
Paperback, 225 Seiten,
Gebrüder Weiß Verlag