Das wandelnde Schloss

Originaltitel: 
ハウルの動く城 Hauru no Ugoku Shiro
Land: 
Japan
Laufzeit: 
119 min
Regie: 
Hayao Miyazaki
Drehbuch: 
Hayao Miyazaki, Diana Wynne Jones
Kinostart: 
25.08.05

Die neunzehnjährige Sophie ist Hutmacherin. Ein wenig unscheinbar, aber sehr fleißig sorgt sie in ihrem beschaulichen Heimatstädtchen dafür, dass der ehemalige Laden ihres Vaters gut läuft. Als sie eines Tages nach der Arbeit ihre Schwester besuchen will, wird sie in einer Gasse von zwei Soldaten angehalten und belästigt. Aber Rettung folgt sofort: Ein hübscher junger Mann hilft Sophie umgehend und befreit sie aus ihrer misslichen Lage. Sophie ist hingerissen - so galant und wunderhübsch ist dieser Mann! Was sie nicht weiß: Hinter dem geheimnisvollen Unbekannten ist auch eine Hexe her - und die belegt Sophie mit einem Fluch, der sie wie eine alte Frau erscheinen läßt. So macht sich Sophie auf in die Welt, um den Zauberer Hauro und sein wandelndes Schloss zu finden...


Filmkritik:
von Susanne Picard (für SF-Radio.net)

Hayao Miyazaki ist ein Meister. Das war Kennern schon nach Filmen wie Kiki's Delivery Service oder My Neighbour Totoro klar - dem internationalen Publikum aber spätestens nach Mononoke Hime. Zu fein sind die Zeichnungen, zu angenehm die Bilder, die man da auf der Leinwand sieht und zu entzückend die Geschichten erzählt. Jetzt hat der Meister des japanischen Anime nach Spirited Away einen neuen Film mit seinem Studio Ghibli gemacht – “Das wandelnde Schloss”.

Die beiden letzten Filme waren noch sehr japanisch. Mononoke Hime spielte in den Zeiten des japanischen Shogunats, Spirited Away führte aus dem heutigen Japan in die Geisterwelt jenseits der Realität. Das wandelnde Schloss ist nun ein Ausflug in ein märchenhaftes Europa einer Zeit der Nationalstaaten und der Dampfmaschinen. Bei der Gestaltung bedient sich Miyazaki schamlos sämtlicher Vorstellungen, die man im Fernen Osten vom Europa Ende des 19. Jahrhunderts so haben mag: Da sind prächtige Paläste mit barockem Goldstuck wie im Wien der Kaiserin Sissi, niedliche Fachwerkhäuser wie man sie in Südbaden oder im Elsaß finden mag, Soldaten und Kostüme wie aus Theodor Fontanes Romanen. Verwoben ist das alles mit einer Technik, wie man sie in Jules Vernes Romanen vorgefunden hat, Dampfmaschinen, kuriose Fluggeräte, Zeppeline aus Stahl und nicht zuletzt das wandelnde Schloss selbst: eine unglaubliche Ansammlung von Hütten, Schrott und Dampfmaschinen. Das alles gibt der Geschichte aus unserer Sicht zu Beginn des dritten Jahrtausends etwas behäbiges und biedermeiersches. Angesichts der Zauberhaftigkeit der Welt ist man als belesener Mitbürger sogar versucht, Hesses Romane Demian und Narziß und Goldmund als Vergleich heranzuziehen.

Dennoch - und das macht den Zauber dieser Erzählwelt aus - existiert neben dieser Technik auch die Magie. Zauberer, Magier, Hexen und sogar das wandelnde Schloss selbst scheinen bei der Bevölkerung dieses Landes keine Überraschung auszulösen. Die Mädchen in Sophies Hutsalon bewundern es sogar und seufzen dem angeblichen Herzensbrecher Hauro, der darin wohnen soll, heimlich nach.

Man kann nun bemängeln, dass die Animationsqualität, die Das wandelnde Schloss aufweist, nicht die allerbeste ist. Mag sein, aber die Geschichte ist so voll von überbordender Phantasie, dass man das dem Film gern verzeiht. Darum geht es ja auch gar nicht. Schon allein der Gedanke, dass hier im Gegensatz zu Filmen wie Madagascar, Monsters Inc und Ice Age noch ein großer Teil der Bilder von Hand gezeichnet wurde, verleiht dem Film einen Charme, der sich nicht leugnen lässt. Die Hintergründe sind computeranimiert, das sieht man, außerdem verschwimmen sie häufig; dennoch verleiht das der Geschichte beinahe einen passenden Rahmen, denn durch ihre Unschärfe wird eine geradezu impressionistische Bildqualität erreicht - was ja nun auch wieder zur erzählten Zeit passt.

Die Musik dazu - ein wunderschöner und etwas wehmütiger Walzer - verstärkt sowohl den Eindruck, den die Hintergründe vermitteln als auch die Liebesgeschichte, in der es wie meist darum geht, dass man erwachsen werden und Verantwortung übernehmen muss. So greift Hauro immer wieder in den zunächst nur in Erzählungen einiger Nebenfiguren, dann immer realer werdenden Krieg ein, tut das aber nur, weil er eine vage Idee von Freiheit verteidigen will. Erst als die alte Sophie anfängt, in seinem Schloss zu putzen, aufzuräumen und zu leben, begreift er, dass man besser daran tut, einen Grund zu haben. In seinem Fall Sophie, die sich eigentlich schon auf den ersten Blick über ihre Gefühle klar ist.

Ein wesentlicher Nachteil - und der Punkt, der diesen Film schlechter werden lässt als seine beiden hochgelobten Vorgänger - ist die Tatsache, dass er seine Kerngeschichte rund um die Liebe in einer zerfallenden Welt nicht deutlich genug erzählt. Vielleicht fällt dies Japanern, die an diese Erzählweise gewöhnt sind, leichter, für unsere Sehgewohnheiten jedoch kommt die Geschichte seltsam wirr daher und wirkt nicht wirklich konsequent verfolgt. Die Übersetzung und die Synchronisation sind im übrigen sehr gut gelungen, erstaunlicherweise erweist sich Robert Stadlober als Hauro als ausgesprochener Glücksgriff. Seine samtig weiche Jungenstimme passt hervorragend zum geheimnisvollen und hübschen Zauberer Hauro, wohingegen Sunnyi Melles als Sophie sehr gewöhnungsbedürftig ist. Sie spricht die Rolle geradezu übertrieben, was sicher zu den Theaterbühnen passt, auf denen sie ja wundervolles leistet. Im Film jedoch, wo man nur ihre Stimme hört, spürt man sehr genau, dass sie nur spielt.

Schade auch. Aber wenn man ehrlich ist - das tut dem eigentlichen Filmgenuss keinen Abbruch. Dazu ist zuviel zu sehen und mitzufiebern in diesem modernen Märchen!

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