Alatriste

Originaltitel: 
Alatriste
Land: 
FR/ES/USA
Laufzeit: 
139 min
Regie: 
Agustín Díaz Yanes
Drehbuch: 
Agustín Díaz Yanes
Darsteller: 
Viggo Mortensen, Elena Anaya, Unax Ugalde
Kinostart: 
01.09.06

Mit “Alatriste” bringt E-M-S den am höchsten budgetierten spanischen Filme auf DVD. Das Budget von fast 24 Millionen Euro sieht man in jedem Bild. Die Geschichte basiert auf einer im Grunde bodenständigen „Musketier“- Geschichte, wie sie Alexandre Dumas nicht schöner hätte schreiben können. Aber ein Spanier ist für den Ausflug in die Blütezeit der spanischen Monarchie verantwortlich. Die Figur des Captain Alatriste ist die Schöpfung des panischen Schriftstellers Perez- Reverte, inzwischen sind in Spanien sechs Romane erschienen. In den USA hat Captain Alatriste inzwischen auch zumindest die Buchläden erobert, ob die Verfilmung selbst zu einem Erfolg wird, darf dagegen bezweifelt werden.


Filmkritik:
von Thomas Harbach (für SF-Radio.net)

Mit “Alatriste” bringt E-M-S den am höchsten budgetierten spanischen Filme auf DVD. Das Budget von fast 24 Millionen Euro sieht man in jedem Bild. Die Geschichte basiert auf einer im Grunde bodenständigen „Musketier“- Geschichte, wie sie Alexandre Dumas nicht schöner hätte schreiben können. Aber ein Spanier ist für den Ausflug in die Blütezeit der spanischen Monarchie verantwortlich. Die Figur des Captain Alatriste ist die Schöpfung des panischen Schriftstellers Perez- Reverte, inzwischen sind in Spanien sechs Romane erschienen. In den USA hat Captain Alatriste inzwischen auch zumindest die Buchläden erobert, ob die Verfilmung selbst zu einem Erfolg wird, darf dagegen bezweifelt werden.


Arturo Perez- Revertes Geschichte um den ehemaligen Soldaten – obwohl er eher wie ein bezahlter Söldner als ein spanischer Krieger wirkt – beginnt insbesondere in der englischen Ausgabe mit einer schönen Einleitung, die hier aus der Taschenbuchausgabe zitiert worden soll:


„He was not the most honest or pious of men, but he was courageous. His name was Diego Alatriste y Tenorio, and he fought in the ranks during the Flemish wars. When I met him he was barely making ends meet in Madrid, hiring himself out for four maravedis in employ of little glory, often as a swordsman for those who had neither the skill nor the daring to settle their own quarrels. You know the sort I mean: a cuckolded husband here, outstanding gambling debts there, a petty lawsuit or questionable inheritance, and more troubles of that kind. It is easy to criticize now, but in those days the capital of all the Spains was a place where a man had to fight for life on a street corner lighted by the gleam of two blades.” Die Verfilmung endet zumindest auf den ersten beiden Sätze von Perez- Revertes Einleitung.

Drehbuchautor und Regisseur Augustin Diaz Yanes hat sich der undankbaren Aufgabe angenommen, spanische Geschichte über zwanzig Jahre und das Schicksal eines furchtlosen, aber dickköpfigen spanischen Hauptmanns, seine Freundschaft zu einem in der Hierarchie der spanischen Monarchie aufsteigenden Grafen und seine Liebe zu einer Schauspielerin, die verheiratet ist, zusammenzufassen. Obwohl der Film fast zweieinhalb Stunden ist, reicht der Plot nicht aus, um die politischen Intrigen, die Liebesgeschichten, die monumentalen Schlachten, die Tragik und das Pathos des einfachen Soldaten und schließlich auch Alatriste Persönlichkeit adäquat darzustellen. Was vielleicht noch für einen Spanier mit der Kenntnis der eigenen Geschichte zu erfassen ist, wird für einen Ausländer zu einer schier endlosen Abfolge von sehr gut inszenierten Fragmenten, die sich im Schlussbild zu einem tragischen Standbild vereinigen, die aber niemals den Zuschauer wirklich an diese umfangreiche Geschichte heranführen.

Viggo Mortensen spielt oder besser lebt Diego Alatriste, einen Soldaten und gedungenen Mörder, der aufgrund seines Dickkopfs und seinem im Grunde sinnlosen Aufrechterhalten von Anstand und Ehre nicht nur von seinen Vorgesetzten fallen gelassen wird, sondern als isolierter Einzelgänger in einem korrupten Spanien einen seltsamen Anachronismus darstellt. Der Zuschauer lernt ihn auf dem Fladernfeldzug kennen. Auf einer geheimen Kommandomission mit einem Prinzen im Schlepptau schalten die Männer eine Kanonenstellung der Holländer aus. Es ist gespenstisch, wie die Spanier im dichten Nebel durch das Wasser waten und in diesem Nebel schließlich auch noch Blut, Schweiß und Tränen wieder verschwinden. Alatriste verspricht einem tödlich verwundeten Kameraden, auf seinen Sohn aufzupassen.

Wer jetzt an romantische Anwandlungen denkt, wird immer wieder überrascht, dass es im Verlaufe des verschachtelten Drehbuchs keine offenkundige Chemie zwischen die beiden Charakteren gibt. Auch die Liebesgeschichte wirkt teilweise aufgesetzt. Trotzdem betont die Verfilmung „Alatriste“, das die Charaktere in einem seinen Status als Weltmacht verlieren Spanien unter der Knute der Inquisition und einem König, dessen falsche Entscheidungen die Nation ruinieren aufeinander angewiesen sind und quasi eine Zweckgemeinschaft bilden. Das Drehbuch macht aber aus dieser Zweckgemeinschaft zu wenig. Die Idee, zwanzig Jahre im Leben Alatristes in einen Film zu packen und mit dem Beginn einer neuen Ära – der Rückkehr aus dem schmutzigen Flandernkrieg und der Adoption des Jungen – eine lange Geschichte zu erzählen, funktioniert nicht. Es sind zu viele Schauplätze, welche das Drehbuch unter Kontrolle zu halten sucht. So sollte Alatriste der Prototyp des klassischen spanischen Helden sein.

Eine Reinkarnation von Charlton Hestons „El Cid“ mit den entsprechenden tragischen Zügen. Immer wieder erfährt der Zuschauer aus den Gesprächen, dass ihm nicht nur ein Ruf vorauseilt. Er ist ein Mann mit einem eisernen Willen, der nicht kompromissbereit ist. Er ist ein herausragender Soldat, der sich nicht scheut, für das Leben seiner Leute auch die Befehle der Vorgesetzten zumindest in Frage zu stellen. Er ist kein Denker, sondern ein Mann der Tat. Es ist nur schade, dass der Zuschauer außerhalb der Schlachten nichts von dieser Persönlichkeit wirklich zu sehen bekommt. Natürlich gibt es einige wenige Hinweise, aber die Figur des Alatriste entwickelt sich vom ersten Augenblick des Films bis zu seinem ultimativen tragischen Ende keinen Millimeter weiter. Positiv gesprochen, er steht stoisch für ein eher fiktives Spanien. Mit Rückblenden hätte man dem Zuschauer Ideen dieser charakterlichen Entwicklung suggerieren können, Alatristes Denken und Handeln an praktischen Beispielen verfolgen können, aber diese persönliche Evolution versagt der Film dem Betrachter. Diese Distanz geht zu Lasten der schon schwierig zusammenzuhaltenden Struktur des Films.

Mit gut inszenierten Schwertkämpfen und markieren Sprüchen alleine lässt sich kein Staat gewinnen. So sehr sich Mortensen auch in der athletisch fordernden Rolle bemüht, zu wenig gelingt es ihm, die überdimensionale Figur mit wirklich überzeugendem Leben zu erfüllen. In vielen Schlüsselszenen fehlt dem Zuschauer einfach das Hintergrundwissen, um sein Zögern oder seine überstürzte Handlung wirklich verstehen zu können. Damit wird der Film sehr viel an Spannung genommen. Zusätzlich zum fehlenden Interesse an der Persönlichkeit des Alatristes und weniger des Kämpfers zeigt das Epos ihn nicht selten passiv. Er lauscht anderen, wenn diese über die Stärken und Schwächen der spanischen Monarchie ganze Monologe abhalten. Die Freundschaft zum adligen Emporkömmling hat der Zuschauer ebenso zu akzeptieren wie die Liebe zur schönen Schauspielerin, die zumindest nicht nur mit Alatriste ihre Schäferstündchen verbringt. Auch wenn das Drehbuch deutlich zeigt, dass zwischen den Entscheidern und dem Fußvolk – dem einfachen Soldaten – immer unterschieden werden muss, ist die Distanz zwischen der Hand und dem Hirn zu groß und die wenigen Abstechern zum Herzen sind so mechanisch inszeniert worden, als hätte der Regisseur mehr Interesse an den großen Kanonen und Degenduellen als den schönen Frauen.

Diese Inaktivität in der Anlage der Hauptrolle strahlt auch auf die anderen Protagonisten ab. Keine Figur wirkt wirklich dreidimensional und überzeugend angelegt. Alle haben im Verlaufe der Handlung ihre Augenblicke, aber im Zuge des Korruptionsdschungels und der unzähligen Intrigen werden die Protagonisten ehrlicherweise an die Wand gedrückt.

Kaum verlässt allerdings der Film die reichhaltig dekorierten spanischen Höfe und wendet sich den unzähligen Schlachten zu, beginnt Alatriste ungewohntes Leben zu zeigen. Teilweise mit Handkamera aufgenommen zeigt Diaz Yanes Regie die Grausamkeit des Krieges. Da gibt es nichts Edles mehr, es geht’s ums Überleben. Die Schlachten sind brutal, rau, ungeordnet, hinterhältig. Heldenmut besteht in erster Linie aus der Maxime, den nächsten Tag zu erleben und den Feind zu töten, der einem ins Auge sieht. Zu den klaustrophobischen Szenen im Kino muss der Angriff auf Brega zählen. Alatriste und einige Männer dringen über enge Tunnels bis zur Stadtmauer durch, um von dort die seit mehr als einem Jahr belagerte Stadt anzugreifen.

Sie werden mit Schwefel abgewehrt. Schwer atmend liegen sie schließlich am Ausgang des Tunnels und erfahren, dass sich die Stadt ergeben hat. Niemand nimmt ihren Heldenmut wirklich wahr. Der einzige Zeuge ist Alatristes junger Begleiter. Genau wie der erste Angriff im Nebel ist die letzte Schlacht – im Trailer mehrmals zitiert – einer der Höhepunkt des Films. Aufgerieben von den französischen Kavallerieeinheiten wird den wenigen spanischen Soldaten freies Geleit unter der eigenen Fahne angeboten. Alatriste als Vorgriff auf die Helden des Alamos weist dieses Geschenk des verhassten Franzosen zurück. Der Film endet in einem Standbild. Der Zuschauer sieht den im Grunde gebrochenen, aber stolzen Spanier Alastriste. Ein blutiges Schwert in der Hand. Der Höhepunkt eines gut erzählten Films, das tragische Ende eines Mannes, der das Wohl seines Landes – aus seiner kleinen Perspektive als Söldner – über das persönliche Schicksal gestellt hat.

Wenn die vorangegangene Handlung konsequent und zielstrebig auf dieses Plotende hingearbeitet hätte. Diese Schlacht wirkt nach den unzähligen Anekdoten, teilweise zusammenhanglosen Vignetten nur mit wiederkehrenden Charakteren wie aus einem anderen Film. Da das Epos mit einem entschlossenen, ein wenig arroganten und selbstverliebten Alatriste beginnt, hätte man die „Zerstörung“ dieses überdimensionalen Helden besser und effektiver inszenieren müssen. Nach und nach raubt man ihm die Menschen, die er verehrt oder liebt, mit denen ihn eine von seiner Seite unerschütterliche Freundschaft verbindet, man nimmt ihm den Glauben an die Überlegenheit der eigenen Nation und schließlich mit diesem Strafeinsatz jegliche Zukunft. Und trotzdem will der störrisch stoische Alatriste sein Haupt nicht beugen. Was für ein Film hätte vielleicht Mel Gibson in der „Braveheart“ Tradition aus diesem geradezu klassischen Stoff machen können? Am Ende ist Alatriste im Grunde froh, auf den Schlachtfeld sterben zu können, es fehlt aber die wichtige emotionale Brücke zu den Zuschauern, die in diesem Augenblick die Tragik dieser bizarren Situation erkennen sollten. Was dem Film fehlt, ist die persönliche Basis zum Protagonisten. Der Zuschauer sieht ihn immer auf der Flucht oder in einem Konflikt. Selbst bei den Liebesszenen öffnet er sich nicht den Menschen, denen er vertrauen könnte. Sie werden ihn alle am Ende verraten, aber im Gegensatz zu dem „Cid“ ist Alatriste auch nicht eine Wunschfigur, an die sich Spanien in schweren Zeiten anlehnen könnte.

Was den Film auszeichnet, ist die optische Komponente. Die Paläste sind authentisch, die Kostüme farbenfroh. Der Film sieht wie ein Gemälde Diego Velazquez aus. In einer Szene gelingt es dem Regisseur, sein Publikum zu verblüffen. Er zeigt die Kapitulation der Stadt Brega und blendet in ein bekanntes Gemälde über, das diese Szene auch zeigt. Dieser nahtlose Schnitt ist eine der wenigen Szenen, bei denen der Zuschauer förmlich in die Handlung hineingezogen wird. Auch die Kameraführung ist beeindruckend, sie saugt sich förmlich an den Bildern fest.

„Alatriste“ ist kein völliger Fehlschlag. Zu viel Plot wird in zu wenig Film gedrängt und die Idee, möglichst viele von den Alatristes Romanen auf einmal zu verfilmen, kann nur scheitern. Es wäre sinnvoller gewesen, sich auf einige wenige markante Ereignisse zu konzentrieren und dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, Alatriste und seine Zeit erst einmal kennen zulernen. Über diese Schiene und eine Reihe von Fortsetzungen hätte man sich der fatalistischen letzten Auseinandersetzung nähern können, die in dieser Komposition ihre Effektivität fast gänzlich verliert. „Alatriste“ ist in dieser Form der Torso einer klassischen Heldengeschichte, unglaublich schön inszeniert und verwerflich langweilig für den zur Verfügung stehenden Stoff erzählt.

Das einzige Extra ist der Kinotrailer. Das Bild der DVD Veröffentlichung ist sehr sauber. Das 1,85: 1 Format scheint nicht unbedingt das Format zu sein, in dem der Film gedreht worden ist. Auch wenn es nur wenige Massenszenen gibt und insbesondere von der Kamera die Halbtotale bevorzugt wird, wirken einige Einstellungen im vorliegenden Format ein wenig zu gedrängt. Die Farben sind sehr naturalistisch und die im Halbdunkel der alten spanischen Gemäuer gedrehten Szenen überzeugen. Beide Tonspuren sind sehr gut verständlich, die hinteren Klangkanäle kommen besonders bei den opulenten Schlachten gut zur Geltung. Die Gesamtpräsentation des Films ist gelungen, auch wenn e-m-s vielleicht Bildtafeln für die Schauspieler und vor allem Alatriste historischen Bezug hätten beifügen können.

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