Alexander

Originaltitel: 
Alexander
Land: 
USA / GB / D / NL
Laufzeit: 
176 min
Regie: 
Oliver Stone
Drehbuch: 
Oliver Stone, Christopher Kyle, Laeta Kalogridis
Darsteller: 
Colin Farrell, Angelina Jolie, Jared Leto, Val Kilmer
Kinostart: 
23.12.04

Alexander ist tot. Jahrzehnte danach erinnert sich Ptolemäus, einer von Alexanders Freunden und Offizieren, an die Geschehnisse. Von Alexanders Kindheit mit seinen Eltern Philipp und Olympias, über seine Lehrjahre bei Leonidas und Aristoteles, durch den Feldzug quer durch Mittelasien, bis hin zu seinem Tod in Babylon.


Filmkritik:
von Susi Feistel (für SF-Radio.net)

Oliver Stone versucht das Unmögliche und erzählt Alexanders 33 Lebensjahre in knapp drei Stunden. Es ist klar, dass man in dieser Zeit nicht jedes Detail zeigen kann. Doch was man sieht, ist die Stärke des Films. Bildgewaltig erzählt Stone von seinem Helden. Vergesst die Heimkehr nach "Troja" - der Einzug in Babylon setzt den Standard. Das ist schon die Kosten der großen Leinwand wert. Oliver Stone wird seinem Ruf als einem der besten Regisseure gerecht und liefert einen filmisch einwandfreien Film ab. Grell, laut, wuchtig, aber auch mit Liebe zum Detail inszeniert Stone seinen "Alexander". Die Kamera fängt sowohl die Ausmaße der Schlacht bei Gaugamela (in der marokkanischen Wüste durften mehr als eintausend Statisten, Pferde und Kamele Geschichte live spielen), als auch die atemberaubenden Szenerien des persischen Reichs perfekt ein. Die passende musikalische Untermalung tut ihr Übriges.

In den Bildern sieht man außerdem deutlich, dass Berater aus der historischen Fakultät beteiligt waren. Sets und Kostüme sind einwandfrei. Besonders die Schlacht bei Gaugamela zeigt es, da Stone sogar versucht hat, die überlieferte Taktik Alexanders zu veranschaulichen. Wenn die beiden anderen Schlachten gegen die Perser fehlen, ist das nicht ganz so schlimm, denn sie verliefen ähnlich.

Gut gelungen sind auch die Charaktere rund um Alexander: Angefangen bei Angelina Jolie, die eine großartige Olympias gibt, und einem ordentlichen Val Kilmer, dessen bodenständiger Philipp vielleicht ein bisschen zu naiv und zu oft betrunken ist. Christopher Plummer in seiner Rolle als Aristoteles, dessen Ideen Alexander prägten, hätte mehr Zeit auf der Leinwand verdient und ist zu schnell wieder verschwunden. Auch Parmenion, Vater des Heeres, ist mit John Kavanagh gut besetzt. Bisher bei uns so gut wie unbekannt, gibt der Ire eine würdige Darstellung.

Alexanders Jugendfreunde und späteren Generäle, werden alle mit Namen vorgestellt. Sie begleiten ihn bis zum Indus, doch außer Hephaistion und vielleicht den hitzköpfigen Philotas kann man sich kaum einen von ihnen merken - warum dann die Mühe?

Und damit kommen wir zu den Kürzungen. Vereinfachung ist das Motto. Hephaistion steht stellvertretend für die Alexandertreuen Offiziere, Philotas für die Aufständischen. Die persische Stadt Babylon fasst die Ereignisse in Persepolis, Ekbatana, Susa und Pasargadai zusammen.
In der Abfolge der Ereignisse hat man ein wenig herum geschoben. Zum Beispiel blieb Parmenion in Wirklichkeit in Ekbatana zurück (im Film hätte es dementsprechend Babylon sein müssen) und war bei Alexanders Hochzeit mit Roxane nicht zugegen. Tatsächlich waren er und sein Sohn Philotas zu dem Zeitpunkt bereits ermordet worden.

Das allein wäre nicht so schlimm gewesen, doch die Kürzungen gehen leider soweit, dass man sich wie ein seltener Besucher in Alexanders Leben vorkommt: Alle drei vier Jahre schaut man mal vorbei und sieht, wie es läuft. Die Zusammenhänge werden angedeutet, im Nebensatz fallen gelassen, aber niemals klar. Ein gewisses geschichtliches Vorwissen ist durchaus von Vorteil.

Von Vereinfachung ist auch die Figur des Alexander betroffen - er steht in sehr positivem Licht da. Die Geschichte wird von Ptolemäus erzählt und dessen überlieferte Historie beschreibt ihn tatsächlich als Inbegriff von Wahrhaftigkeit und Adel. Doch dank der Historiker wissen wir es besser. Der Film erwähnt nur kurz das notwendige Übel, dass Alexander seinen Halbbruder und den bei Hochzeit beleidigten Attalos ermorden lässt. Es fällt aber kein Wort über all die anderen Kinder Philipps, die ebenfalls dieses Schicksal teilten. Jeder, der Alexanders Thronanspruch im Wege stand, wurde brutal beseitigt. In genau einem freundlichen Satz wird das grausame Schicksal der Stadt Theben erwähnt.
Später, nach dem Sieg über Dareios, wurde die Stadt Persepolis, ein Weltwunder der damaligen Zeit, als Rache für persische Plünderungen in Griechenland geplündert und gebrandschatzt - ungeachtet aller Kulturschätze. Kein Wort dazu. Dies und mehr wird einfach in einen vergessenen Nebensatz gekehrt, sodass die dunklere Seite von Alexander kaum zu erahnen ist. Alexanders Pferd Bukephalos bekommt da mehr Leinwandzeit.

Alexander war eine widersprüchliche Persönlichkeit. Bis heute sind sich die Experten nicht einig, wie man ihn einordnen kann. Doch Oliver Stones vereinfachte Darstellung wird dem komplexen Charakter nicht gerecht.

Nach Oliver Stones Version, ist Alexander ein strahlender, visionärer, aber unverstandener Held, der eine schwierige Kindheit hatte. Parmenion wagt es, ihn kriegslüstern zu nennen und stirbt kurze Zeit später. Es war schließlich notwendig: Besser ein toter Freund als ein lebendiger Verschwörer, nicht wahr? Alexanders Wahnsinn am Ende des Indienfeldzuges wird ebenso gerechtfertigt: Alexander hatte die Visionen, seine Freunde haben ihn verraten.

Es ist erstaunlich, wie Stone Alexander politisch darstellt. Es fragt sich, ob er einen Bezug zur Politik der Gegenwart gewollt zeigt. Wenn Alexander bei Gaugamela seine Schlachtrede hält und, mitten in Persien wohlgemerkt, von Freiheit und der Verteidigung der Heimat spricht, sind die Parallelen kaum zu übersehen. Nach der Schlacht folgt der widersprüchliche Respekt vor Dareios und der persischen Kultur. Der große Feldherr wird zum Vorreiter von Multikulti.

Alexanders Bisexualität, im Vorfeld des Films viel diskutiert, war bei den alten Griechen Alltag und hätte keine Augenbraue gehoben. Genauso behandelt es der Film. Hephaistion ist der Vertraute und Geliebte Alexanders, vor und nach der Hochzeit mit Roxane. Punkt. Kein Grund viel Zeit darüber zu verlieren.

Zu Colin Farrell als Alexander ist kaum etwas zu sagen: Weder ist er besonders gut gewesen, noch hat er gestört. Für den Haupthelden des Films ist das nicht gerade förderlich, wenn er keinerlei Sympathien weckt. Wenn Alexander stirbt, zuckt man mit den Schultern: Das war es jetzt also.

Am Ende hat man einen Film mit großartigen, detailgetreuen Bildern gesehen; kurze Einblicke in Alexanders Leben. Doch die Zusammenhänge, das Herz dahinter fehlen. "Alexander" ist zu anspruchsvoll um ein Action-Blockbuster zu sein. Auf der anderen Seite ist er zu gehetzt, zu kurz und zu einseitig um als ein echter Geschichtsfilm wegzugehen. Es scheint, als wollte Stone sowohl das Popcornpublikum, als auch die Alexanderfans gewinnen. Leider gelingt ihm mit dem Mischwerk keins von beiden richtig. Schade. Bis sich jemand wieder an den Stoff wagt, wird es wahrscheinlich wieder 50 Jahre dauern.

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