Im Schatten des Mörders

Originaltitel: 
La Noche de los asesinos
Land: 
Spanien
Laufzeit: 
82 min
Regie: 
Jesus Franco
Drehbuch: 
Jesus Franco
Darsteller: 
Alberto Dalbés, Evelyne Scott, William Berger
zusätzliche Infos: 
nach einem Bühnenstück von John Willard
Kinostart: 
29.09.74

Der alte Lord Marian wird eines Nachts tot im idyllischen "Park Manor" entdeckt - er wurde bei lebendigen Leibe begraben. Es gibt keinen Hinweis auf den Mörder. Doch als es zu Unstimmigkeiten bei den Testamenten kommt und auch seine Frau Cecilia auf grausame Art ermordet wird, schaltet Scotland Yard den im Hintergrund ermittelnden Inspektor Brooks ein.


Filmkritik:
von Thomas Harbach (für SF-Radio.net)

Mit „Im Schatten des Mörders“ legt die Epix Media AG einen ungekürzten – viel zu kürzen gab es allerdings – Jesus Franco Film aus dem Jahr 1973 in Deutschland auf. Die siebziger Jahre waren – bis auf den sehr guten „Faceless“ – vielleicht das letzte Aufbäumen von filmischer Intelligenz in Francos Schaffen.
Nicht zuletzt konnte er hier Züge des wieder populärer werdenden Giallos aus Italien mit dem gotischen Horror der stimmungsvollen Edgar Allan Poe Verfilmungen Roger Cormans kombinieren.
Näher kommt der Film allerdings nicht an Edgar Allan Poe heran, denn wie das Cover falsch wiedergibt, ist „The Cat and the Canary“ keine Poe- Verfilmung, sondern ist die lose Adaption eines Bühnenstücks aus dem Jahr 1922.
John Willard ist der Autor dieses „Haunted House“ Klassikers, der bislang namentlich viermal verfilmt worden ist.

In erster Linie geht es in diesem Stück um ein Haus mit einer Geschichte; um ein Testament, das mehr Fragen aufwirft als Antworten enthält; um ein junges Mädchen, das ein Vermögen erben soll und schließlich um eine Handvoll gieriger Erben, die auch vor Mord nicht zurückschrecken, um das Erbe unter ihre Kontrolle zu bekommen.
In der ersten Hälfte des Films bemüht sich Franco bis auf einige Exzesse aus dem Giallobereich – der maskierte Mörder, inzwischen allerdings eher wie eine verunglückte „Scream“ Inkarnation wirkend als eine wirkliche Bedrohung -, diese bekannte Geschichte stimmungsvoll zu inszenieren. Insbesondere an Poes atmosphärisch dichte Geschichten lehnt sich Franco an.

So erinnert die Ermordung einer jungen Frau – auf einen Felsen in der Brandung gekettet, damit sie in der ansteigenden Morgenflut ertrinkt – in ihrer Perversität an Poes Meisterwerk „Pit and Pendelum“. Es ist eine der besten Szenen, nicht nur dieses Films, sondern in Francos umfangreichem Werk. Die Brandung, das Haus an den Klippen ähnelt Szenen aus Hitchcocks Meisterwerk „Rebecca“.
Das liegt auch in der Tatsache begründet, dass der extravertierte Franco in diesem Film nicht nur eine ungewöhnliche Selbstkontrolle offenbart, sondern so weit für seine Persönlichkeit überhaupt möglich, eine geradlinige Geschichte zu erzählen versucht. In Bezug auf die technische Umsetzung verzichtet er auf die an Penetranz erinnernden Zoomeinstellungen, an die hektischen Schnitte, die vielen Szenen ihre Struktur nehmen, an Passagen, die aufgrund der Improvisation scheinbar endlos im Nichts verlaufen und schließlich auch auf unnötige nackte Haut.
Nur Szenen richtig und nachhaltig ausleuchten kann Franco immer noch nicht. Während die Nachtszenen überzeugend sind, wirken die in dem Palais spielenden Passagen eindeutig zu dunkel ausgeleuchtet.

Trotz aller Versuche, die Szenerie als Louisana zu verkaufen, ist die Mittelmeerlandschaft zu deutlich zu erkennen. Die Musik von Carlo Savina ist ein kaum verdecktes Plagiat aus „Lisa and the Devil“ – der Film ist dieser Tage ebenfalls auf DVD bei e-m-s erschienen -, des Weiteren sind einige der Soundeffekt grässlich und zerstören die mühsam aufgebaute Atmosphäre.

Wie schon angesprochen hat Javier Perez Zofio große Probleme mit der Kameraführung und der Beleuchtung, im fehlt der Mut oder die Experimentierfreude einiger anderer Kameramänner, die aus nicht vorhandenen Plots zumindest optisch sehr surrealistische Filme erschaffen haben. Sogar seine sehr jung aussehende Ehefrau Linda Romay darf ihre Kleidung anbehalten. Nur kurze Zeit später wird sie in hardcore Passagen von Francos Filmen auftreten, hier wirkt sie unschuldig, naiv und zeigt Ansätze einer wirklich guten schauspielerischen Leistung.

Franco hält sich bei der handlungstechnischen Strukturierung an den alten Gesetzen des bekannten Agatha Christie Thrillers „Zehn kleine Negerlein“ fest, gleich zu Beginn wird das gesamte Esemble in der Halbtotalen vorgestellt. Später wird uns die Regie zeigen, dass dieses traute Heim Szenario ein Trugschluss ist, eine der vielen falschen Spuren, welche der Spuren überraschend subtil und intelligent im Film ausgelegt hat. Kaum ein anderer Film erinnert an die Tradition des klassischen Krimis.

Der Auftakt des Films mit der Ermordung Lord Marian bei einer seltsamen Beschwörungszeremonie, die das Buch der Apokalypse einschließt, ist für lange Zeit das letzte trashige Element des Films. So wird der Lord lebendig begraben, nur seine Hände ragen aus dem frisch geschaufelten Grab hervor, schade nur, dass die billige Gummimaske des Mörders der Szene ihren Schrecken nimmt. Die Erben versammeln sich, dazu kommen die exzentrischen Angestellten. Wer war der Mörder? Was war das Motiv? Dazu kommt die Blutschande, denn insbesondere Rita ist eine uneheliche Tochter des Lords, die wie eine Sklavin gefangen gehalten wird und Gefühle für den Sohn zu empfinden beginnt. Als der letzte Wille des Lords verlesen wird und Rita als Alleinerbin bestimmt worden ist, scheint ihr Schicksal besiegelt.

Hier bricht Franco mit der bislang geradlinigen Handlung, führt im rechten Augenblick einen Inspektor aus London ein, der ebenfalls im richtigen Moment ein zweites Testament aus dem Ärmel zieht, in dem Rita wieder enterbt wird und alle gierigen Verwandten sich die Beute aufteilen können. Weiterhin findet die kleine Gruppe – mit Verlust muss gerechnet werden – heraus, dass der verstorbene Lord in Wirklichkeit nicht der echte Lord gewesen ist, damit sind Bruder und Schwester plötzlich nicht mehr dem Inzest verpflichtet, der maskierte Mörder treibt weiterhin sein Unwesen, mit seltsamer Ironie weißt Franco den Zuschauer auf die offensichtlichen Verdächtigen hin, um jedes Mal dem Zuschauer den sprichwörtlichen Teppich unter seinen Verdächtigungen zu entziehen, bis schließlich nur noch eine Möglichkeit offen bleibt. Mehr als ein Mörder schleicht durch die Gänge und verübt seine grausamen Taten.

Kaum hat sich der Betrachter an diese Variante gewöhnt – wie in einem surrealistischen Alptraum spielt sie allerdings keine Rolle – wendet sich das Blatt ein weiteres Mal und Franco legt eine Spur zurück zu dem ersten Verdächtigen. Im Grunde interessiert den Spanier eine logische Geschichte überhaupt nicht. In loser Folge zeigt er perversen Sex – hier mehr in der Misshandlung Ritas durch die Stiefmutter angedeutet – und grausame Morde – das reicht von lebendig begraben über lebendig dem Meer überlassen bis zu lebendig verbrannt, nur lebendig sollten die Opfer sein.

Das Böse in der Familie steht nicht zum ersten Mal in seinen Filmen im Mittelpunkt, viele Ideen aus „A Virgin among the living Dead“ – insbesondere die Familienmitglieder erscheinen oft nur als Silhouetten, eindimensionale verzerrte Abziehbilder – werden für diesen Film nicht unbedingt vorsichtig, aber effektiv überarbeitet. Im Gegensatz zu den komödiantischen Tönen des anderen Films bleibt Franco entschlossen ernst. Er bewegt sich immer am Rande der unfreiwilligen Komödie – die Seanceszene genauso wie die lesbisch angehauchte Schlafzimmersequenz, in der Rita zum wiederholten Male „bestraft“ wird -, überschreitet aber die Grenze nicht.

Er kann sich auf eine Handvoll für seine Verhältnisse guter Schauspieler verlassen. Alberto Dalbes in der Rolle des englische Kommissars überdeckt mit seinem Spiel sehr viele Unzulänglichkeiten des Drehbuchs und wirkt selbst auf dem falschen Kontinent – es bleibt Europa und nicht die Vereinigten Staaten – charismatisch überzeugend in seiner Mission, das Böse immer und überall zu bekämpfen. William Berger hat in seiner bescheidenen Rolle als einer der Erben mal überrascht, dann wieder erzürnt zu erscheinen, strahlt aber eine natürliche falsche Bosheit aus. Die größte Überraschung ist allerdings Linda Romay als Rita, nicht nur, dass sie ihre Kleider anbehalten kann, Franco räumt ihr nicht nur eine vernünftige Rolle und anständigen Dialogen ein, er bemüht sich, sie von ihrer besten nicht nackten Seite zu zeigen. Ihr nimmt man die Verletzlichkeit, die Angst und vor allem die jahrelangen Qualen ab. Jesus Franco in seiner obligatorischen Cameo- Rolle als Englischer Testamentsverwalter nimmt sich von Beginn selbst nicht ernst, so zeigt ihn die Kamera zum ersten Mal auf einer Couch liegend, schlafend.

Vor wen Jesus Franco diesen Film allerdings gedreht hat, wird sein Geheimnis bleiben. Am Ende der Edgar Wallace Zeit entstanden, Tendenzen des Giallos abmildernd übernehmend ist „Im Schatten des Mörders“ sicherlich kein Werk, an dem Franco Fans ihre reine Freude haben. Für Anhänger des spanischen Exzentrikers ist der Film zu zahm, zu wenig Sex and Blood, eine zu bodenständige Geschichte und vor allem vertraute Gesichter in zu zahmen Rollen. Insbesondere das historische Ambiente – auch wenn es nicht überzeugend ist, so versucht Franco es zumindest – hemmt seine hemmungslose Experimentierfreude, seine in Ansätzen wilden Schnitten und seine überdrehte Inszenierungsweise wirken bei einem „historischen“ Film konterproduktiv und machen das Ansehen phasenweise zu einer harten Kost.

Auf der anderen Seite ermöglicht aber dieser Film zusammen mit „Faceless“ dem Außenstehenden einen ersten oberflächlichen Blick in das inzwischen durchaus als Franco- Kosmos zu bezeichnende Werk des Spaniers. Zum Trash fehlt dem Film allerdings einiges, er schwankt zwischen ernstem Krimi und überdrehter eher unfreiwilliger Parodie, ohne sich wirklich für eine Seite entscheiden zu können. Für das Krimipublikum als Zielgruppe ist die Handlung zu durchsichtig, zu schwach inszeniert und vor allem zwischen Himmel-hoch-jauzend und Zu-tode-betrübt in einem nicht näher zu definierenden Nirvanna. In verschiedenen Interviews hat Franco betont, dass er mit dem modernen italienischen Horrorfilm nichts anfangen kann. Das wird nirgendwo in seinem Werk offensichtlicher wie bei diesem Film.

Während er sich zumindest auf die eher klassischen „Haunted House“ Geschichte mit einem nicht übernatürlichen Hacken konzentriert und hier die stärksten Szenen des kurzweiligen und kurzlebigen Films realisieren kann, wirkt die zweite Hälfte nicht nur distanziert, sondern seltsam unkonzentriert. Immer wieder hat der Zuschauer den Eindruck, als wenn unter der sehr glatten Oberfläche eine andere Fassung lauert, die Franco nicht umsetzen konnte oder wollte.
Diese Ambivalenz reduziert das Sehvergnügen aus klassischer Sicht ungemein und rückt Teile des Films eher in die Nähe seiner Bryan Wallace Adaption „Der Todesrächer von Soho“. Dazu wiederum fehlt der oft unfreiwillige Humor dieser Trashperle. Für Jess Franco Fans ist diese Veröffentlichung ein weiterer Meilenstein in Bezug auf die Komplettierung ihrer umfangreichen Sammlung, in den letzten Jahren sind ja viele seiner Filme in Sammlereditionen neu veröffentlich worden. In Bezug auf die technische Qualität steht diese Neuauflage sicherlich in vorderster Reihe.

Das Titelbild der Epix- Neuauflage erinnert eher an Trash als einen wirklich ernst gemeinten Versuch, den Film für das Krimiklassikerpublikum zu vermarkten. Wo vielleicht bei diesem Film in früheren Veröffentlichungen etwas wirklich geschnitten worden ist, lässt sich an dieser Fassung nicht feststellen. Epix Breitwandfassung ist eine für das Originalmaterial sehr gute Umsetzung, die uneinheitlichen Farben sind kraftvoll und wirken natürlich, die Firma hat sich bemüht, Franco hier zwar relativ harmlose, aber doch vorhandene Zoom- und Kamerafahrten adäquat wiederzugeben und sowohl der deutsche als auch der spanische Ton sind überzeugend.

Was die DVD aber empfehlenswert macht, sind die Extras. Der Trailer zu „Eugenie“ ist von hervorragender Qualität und weckt eine gewisse Erwartungshaltung an die DVD Veröffentlichung des Films. Die fortlaufende Fotogalerie ist –wie auch die Biographien – mit Musik aus dem Film unterlegt, es wird viel auf die Fotos gezoomt! Das alternative Cover wirkt ebenso unüberzeugend und billig wie das verwendete Bild bzw. die Zeichnung für die englischsprachige Veröffentlichung.

Wer aufmerksam hinschaut, entdeckt auch einen EDEKA Preisaufkleber. Außerdem finden sich Biographien von Jess Franco, William Berger und vor allem Edgar Allan Poe (!!!). Allerdings ist unter dessen Werken keine passende Geschichte für diesen Film aufgelistet. Der Höhepunkt der Extras ist das Interview mit Jess Franco. Das Deadline – Magazin hat den Regisseur auf einem Festival interviewt, leider wird das Gespräch nur auf Texttafeln mit zwei oder drei Fotos wiedergegeben, aber die ersten Antworten von Franco sind voller Ironie, erst später bemüht er sich sichtlich, auf die detaillierten Fragen lesenswerte Antworten zu geben. Auf den hier präsentierten Film wird nicht weiter eingegangen.

IM SCHATTEN DES MÖRDERS

Filmkategorie: